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Warum sich Volkswagen für die Türkei entschieden hat

Die anstehende Entscheidung für ein neues VW-Werk löst in der Türkei Begeisterung aus. Das Investment dürfte sich lohnen – trotz der instabilen Lage.

Der Autokonzern will offenbar ein neues Werk in der Türkei bauen. Foto: dpa
Der Autokonzern will offenbar ein neues Werk in der Türkei bauen. Foto: dpa

Ein Meilenstein in den deutsch-türkischen Beziehungen, eine wichtige Säule für die Wirtschaft des Landes, und so weiter: Stimmen aus dem türkischen Business-Lager überschlagen sich. „Wir sind ein Land, in das wieder investiert wird“, freut sich Nusret Altinbas von Alnus Yatirim, einer Beratungsfirma.

Der Bau eines neuen VW-Werks in der Türkei ist einen entscheidenden Schritt nähergerückt. Als einen weiteren Schritt in diese Richtung hat der Autohersteller nun in der westtürkischen Provinz Manisa eine Tochtergesellschaft gegründet. Die Firma sei dort im Handelsregister eingetragen und mit einem Kapital in Höhe von 150 Millionen Euro ausgestattet worden, berichtete ein Konzernsprecher am Mittwoch in Wolfsburg.

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Nötig wird das Werk unter anderem, weil VW den Umstieg in die E-Mobilität an deutschen Standorten beschlossen hat. Zwickau wird bereits umgebaut, die Werke in Emden und Hannover sollen folgen. Deshalb braucht der Konzern neue Kapazitäten für den Passat und den Superb der Schwestermarke Skoda.

Für Volkswagen ist es Werk Nummer 123 in der Welt. Der Konzern ist in den USA aktiv, in China und Brasilien sowie in einer Reihe weiterer Länder. Die Türkei wird dennoch eine besondere Herausforderung - im Positiven wie im Negativen.

Das Land hat sich in den vergangenen Jahren als Investitionsstandort gemausert. Im Jahr 1999 waren in der Türkei 4050 Firmen mit ausländischen Investoren aktiv. Heute sind es über 70.000. Jedes zehnte dieser Unternehmen hat deutsche Investoren.

Auch die Bedingungen für diese Firmen haben sich offiziellen Angaben zufolge verbessert. Auf dem „Doing Business Index“ der Weltbank, einem Indikator für die Bedingungen ausländischer Investoren in einem Land, lag die Türkei im Jahr 2007 auf Rang 91, 2015 auf Platz 55 und inzwischen auf dem 43. Platz.

Autoindustrie gehört zu den wichtigsten Investoren

Das liegt vor allem an der wirtschaftsliberalen Politik der AKP-Regierung unter Staatschef Erdogan. Erdogan hat seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte im Jahr 2003 viele Reformen durchgeführt und bürokratische Hürden abgebaut. Häufig zum Guten für die Investoren, manchmal zum Leidwesen für den Umweltschutz: Als ein kanadisches Unternehmen in einem Waldgebiet in der Westtürkei nach Gold suchen sollte, protestierten tausende gegen die drohende Abholzung.

Für einen Automobilproduzenten wie Volkswagen ist das Land besonders interessant. Schon jetzt zählen zu den fünf größten Unternehmen des Landes vier Autohersteller: Ford, Toyota, Renault und Fiat. Hyundai steht auf Platz 10, Mercedes auf Platz 12. Der Automobilzulieferer Bosch ist seit Jahrzehnten in dem Land aktiv, ebenso wie Siemens. In fast jedem Fahrzeug auf deutschen Straßen stecken Teile aus der Türkei. Es ist eigentlich überraschend, dass Volkswagen erst jetzt auf die Idee kommt, ein Werk in dem Land aufzubauen.

Die Infrastruktur in dem Land sei hervorragend, betont auch Alper Kanca, Präsident des türkischen Automobilzuliefererverbandes Taysad. Die beiden Zentren der Branche liegen in den Regionen Bursa und Manisa in der Westtürkei. Beide Provinzen sind kürzlich durch eine neue Autobahn miteinander verbunden worden.

Der Markt klingt vielversprechend. 82 Millionen Menschen, eine junge aufstrebende Bevölkerung und einige Nachbarländer, denen es ähnlich geht. Auch andere deutsche Unternehmen nutzen dieses Potenzial. Etwa Krone, der Hersteller von Sattelschleppern. Das Unternehmen ging im Oktober 2016 in die Türkei und beliefert von dort nicht nur Kunden in dem Land, sondern auch in Äthiopien. Die strategisch günstige Lage der Türkei macht es möglich - und bezahlbar.

Die Währung ist unberechenbar

Die Bedingungen klingen gut, allein der türkische Markt könnte den Wolfsburger Managern Kopfzerbrechen bereiten. Das liegt weniger an der Kauflaune der Türkinnen und Türken, sondern an ihrer Zahlungsfähigkeit.

Als im August 2018 die türkische Lira beinahe zusammenbrach, sackte auch der Autoabsatz um die Hälfte ab. Noch im Juli dieses Jahres sind in der Türkei zwei Drittel weniger Autos verkauft worden als im Vorjahresmonat. Alleine Volkswagen hatte zuletzt 77 Prozent weniger Autos verkauft als im Jahr zuvor.

Für Thomas Langen, Türkei-Experte beim Kölner Kreditversicherer Atradius, kommt ein weiteres Problem auf. Die wirtschaftliche Schwächephase habe die Zahlungsmoral türkischer Geschäftspartner verschlechtert. „Aufgrund der schwachen Inlandsnachfrage, der hohen Inflation und erhöhter Steuern kommt es zu einem deutlichen Rückgang der Branche auf dem Inlandsmarkt“, erklärt Langen.

Zuletzt kamen ermutigende Zahlen: Im September hat sich der Autoabsatz im Vergleich zum äußerst schwachen Vorjahresmonat wieder verdoppelt. Trotzdem bleibt für die ersten neun Monate des Jahres ein Minus von 37 Prozent.

Die Aussichten sind ungewiss. Das liegt - natürlich - auch an der Politik des Landes. Die Führung in Ankara um Staatschef Erdogan fuhr zuletzt einen wirtschaftspolitischen Schlingerkurs. Wegen einer Währungskrise stiegen die Leitzinsen binnen weniger Monate auf 24 Prozent, die Inflation ging zwischenzeitlich auf über 25 Prozent. Gleichzeitig erhöhte die Regierung die Steuern auf Fahrzeuge und andere Güter. Die Nachfrage wurde abgewürgt, das Land schlitterte in eine Rezession.

Jetzt rudert die Regierung zurück, gibt Steuernachlässe und senkt Zinsen staatlicher Banken für Autokredite per Dekret. Jetzt scheint sich die Wirtschaft langsam zu erholen. Pessimisten fürchten ein weiteres Abrutschen der türkischen Wirtschaft, Optimisten hoffen auf einen neuen Wachstumszyklus. So oder so: Volkswagen wird aller Wahrscheinlichkeit nach bald ein Teil davon sein.