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VW eröffnet Pilotanlage zur Produktion von Batteriezellen – Kritiker sehen unnötige Risiken

Auf dem Gelände testet der Autobauer nun die Fertigung eigener Batteriezellen. Foto: dpa

Die Konkurrenz ist auf Distanz zur eigenen Zellfertigung gegangen. Ganz anders VW: In Salzgitter beginnt nun die Produktion. Das kommt nicht überall gut an.

Für Volkswagen-Verhältnisse ist es in der Tat vergleichsweise schnell gegangen. Seit der Ankündigung zu Jahresbeginn sind gerade einmal neun Monate vergangen: Am Montag hat der weltgrößte Automobilhersteller seine Pilotanlage zur Fertigung von Batteriezellen im niedersächsischen Salzgitter eröffnet.

Aus der Pilotanlage soll später ein richtiges Zellwerk werden, das die Autofabriken von Volkswagen mit eigenen Batteriezellen beliefert. In der Anlage mit angeschlossenem Forschungszentrum entstehen zunächst etwa 300 neue Arbeitsplätze, mit dem echten Werk kommen noch einmal weitere 700 Jobs dazu.

In der Pilotanlage sollen Zellen in Kleinserie gefertigt werden. Die größere Fabrik wird Volkswagen in einem Joint Venture mit dem schwedischen Zellentwickler Northvolt betreiben. Insgesamt investiert der VW-Konzern gut eine Milliarde Euro in die eigenen Zellaktivitäten.

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Das Joint Venture ist Anfang des Monats gegründet worden. Volkswagen ist zugleich eine 20-Prozent-Beteiligung an Northvolt eingegangen.

Volkswagen ist einer der wenigen Autohersteller, die selbst in die Zellfertigung einsteigen wollen. Daimler und BMW haben sich im Gegensatz dazu bislang dagegen entschieden.

Der Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung ist eines der wichtigsten Themen der Autobranche in Europa, bisher sind die Hersteller hier weitgehend von Lieferanten in Asien abhängig. Die Batterie kann bis zu 40 Prozent des gesamten Wertes des E-Fahrzeugs ausmachen.

Der VW-Konzern hat für die kommenden Jahre einen gewaltigen Einkaufsbedarf bei Batteriezellen angemeldet. Für die erste Welle von neuen E-Autos auf Basis des Elektrobaukastens MEB will der Wolfsburger Autokonzern Batteriezellen im Wert von etwa 50 Milliarden Euro einkaufen.

Die geplante Fabrik in Salzgitter wird auf 16 Gigawattstunden ausgelegt. Damit dürfte VW etwa ein Zehntel seines Bedarfs in Europa abdecken können. Für den wichtigen chinesischen Markt braucht der Konzern weitere 150 Gigawattstunden.

„Volkswagen treibt den Aufbau der Batteriezellkompetenz konsequent und schnell voran“, sagte VW-Einkaufsvorstand Stefan Sommer zur Eröffnung der Pilotanlage. Durch die Bündelung der Kompetenzen am Standort Salzgitter stelle Volkswagen sicher, dass der Konzern die Weiterentwicklung von Batteriezellen als Schlüsselkomponente der Elektrifizierung selbst vorantreibe. VW werde damit schnell die Serienreife erreichen können.

Der Bau der echten Fabrik soll im kommenden Jahr in Salzgitter beginnen. Der Start der Produktion ist für den Jahreswechsel 2023/24 vorgesehen. Im nächsten Jahr nimmt auch eine Pilotanlage für das Batterierecycling ihren Betrieb auf.

Zellfertigung „Gold wert für Volkswagen“

Insbesondere die Arbeitnehmer hatten bei Volkswagen darauf gedrängt, dass der Konzern in die eigene Zellfertigung einsteigt. Deshalb stößt der Start der Pilotanlage auf ungeteilte Zustimmung von Betriebsratschef Bernd Osterloh. „Die Preise für die Zellen aus Salzgitter sind schon heute wettbewerbsfähig“, sagte er.

Das eigene Know-how aus der Zellfertigung sei schon heute „Gold wert für Volkswagen“. Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit seien kein Widerspruch. „Das Land Niedersachsen hat da sehr gut mitgezogen“, ergänzte er.

Zustimmung kommt entsprechend auch aus der Politik. „Es ist wirklich eine große Leistung, dass so rasch eine Pilotanlage für Batterieproduktion in Salzgitter aufgebaut werden konnte“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Das Bundesland ist selbst Miteigentümer von Volkswagen und auch im Aufsichtsrat vertreten. Das Land hat ein großes Interesse daran, dass im Zuge des Wechsels zur Elektromobilität neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

In der Fertigung klassischer Benzin- und Dieselmotoren werden viele Jobs verlorengehen. „VW leistet seinen Beitrag für einen erfolgreichen Wandel der Automobilindustrie in Deutschland“, ergänzte Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess.

Mit der geplanten eigenen Zellfabrik in Salzgitter übernimmt der VW-Konzern eine Sonderrolle. Kein anderer Autohersteller in Europa geht so weit und plant ein eigenes Werk für die Fertigung von Batteriezellen. Auch Experten sind sich uneins darüber, ob ein einzelner Autohersteller wie Volkswagen in die Zellfertigung einsteigen soll.

Vorbild für VW ist Tesla: Der kalifornische Konzern hat mit Panasonic ein eigenes Zellwerk in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada gebaut, um seine E-Autos zu elektrifizieren.

Günther Schuh, Maschinenbau-Professor aus Aachen und Mitbegründer des Elektrofahrzeug-Herstellers Streetscooter, ist ein klarer Befürworter der eigenen Zellfertigung. „Wir sollten uns darüber freuen, dass endlich ein deutscher Autohersteller in die Zellfertigung einsteigen will“, sagte er.

Das könne zudem nur ein Anfang sein, in Europa würden noch viel mehr Zellfabriken benötigt. Volkswagen leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Industrie den technologischen Anschluss nicht verliere. „VW ist der Wegbereiter für die gesamte Autobranche.“

In Finanzkreisen wird die VW-Entscheidung nicht ganz so positiv gesehen. Arndt Ellinghorst vom Investmenthaus Evercore ISI rät den Autoherstellern unmissverständlich von einer eigenen Zellfertigung ab, weil der Kapitalaufwand zu groß werde. „Die Autohersteller sollten diese Aufgabe denjenigen überlassen, die es besser können“, sagt er.

Gemeint sind damit die etablierten Zellhersteller, die damit schon ausreichend Erfahrungen gesammelt haben. Eine eigene Zellfertigung der Autohersteller sorge für zusätzliche und unnötige Risiken.

„Der Kapitalbedarf für diesen Transformationsprozess ist immens“, ergänzt Daniel Pauly, Global Co-Head Automotive bei der Rechtsanwaltskanzlei Linklaters. Der Automobilsektor stehe an der Schwelle zu einem „historischen Umbruch“. In den kommenden Jahren entstünden weltweit neue Märkte für Produkte und Technologien, „die den Alltag der Verbraucher heute bislang nur am Rande berühren“.

Zellfertigung galt bislang als unwirtschaftlich

Salzgitter ist heute einer der wichtigsten Motorenstandorte für den Volkswagen-Konzern. Mit dem langsamen Zurückfahren von Verbrennerfahrzeugen werden künftig deutlich weniger Diesel- und Benzinaggregate aus der niedersächsischen Industriestadt benötigt. Als Ausgleich für die dort wegfallenden Arbeitsplätze soll nach und nach eine eigene Zellfertigung für den Volkswagen-Konzern aufgebaut werden.

Bislang galt eine Zellfertigung in Deutschland vor allem wegen der hohen Energiepreise als unwirtschaftlich. Ähnlich wie etwa in der Aluminiumproduktion werden auch in der Zellfertigung große Mengen an Strom benötigt. Wegen der zusätzlichen EEG-Umlage für erneuerbare Energien etwa aus Wind und Sonne sind die Strompreise in Deutschland deutlich höher als im europäischen Ausland.

Nach Aussage von VW-Vorstand Sommer ist die Frage der hohen Strompreise in Salzgitter geklärt. „Mit Hilfe des Landes Niedersachsens haben wir wettbewerbsfähige Strompreise erreichen können“, sagte er, ohne weitere Details zu nennen. Die neue Fabrik werde vor allem mit Strom aus regenerativer Energie betrieben.

Ob es in Deutschland und in Europa weitere Zellfabriken von Volkswagen geben werde, ist offen. Als weiterer möglicher Standort war immer wieder das ostfriesische Emden genannt worden, wo Volkswagen bereits ein Pkw-Werk betreibt.

Eine eigene Zellfabrik für China will Volkswagen nicht ausschließen. „Und wenn wir es machen, dann erst einmal nur mit einem Partner“, heißt es in Konzernkreisen. Der VW-Konzern ist bei Pkw Marktführer in China. In der Volksrepublik drängt die Regierung wie die EU in Europa auf eine schnelle Einführung der Elektromobilität.

Um den Bedarf der europäischen Autohersteller zu decken, haben asiatische Zelllieferanten schon vor zwei Jahren damit begonnen, neue Zellfabriken in Europa zu errichten. Wegen der vergleichsweise günstigen Standortbedingungen ist Osteuropa dabei besonders gefragt. Samsung SDI war mit einer neuen Fabrik in die Nähe von Budapest gegangen, LG Chem hatte sich für Breslau entschieden.

Auch für die großen asiatischen Zellhersteller ist es eine völlig neue Erfahrung, in ziemlich kurzer Zeit in großem Stil zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen. Sie haben zum Teil Probleme damit, die Produktion in den neuen Fabriken wie ursprünglich geplant auszuweiten.

Autohersteller bekommen als Folge zu wenige Zellen für ihre neuen E-Modelle. Auch die großen asiatischen Hersteller werden sich erst an die neuen und viel größeren Produktionszahlen bei E-Autos gewöhnen müssen.

Einen Boom dieser Art bei großen Batterien hat es bislang noch nie gegeben. Die Autohersteller sind große Stückzahlen gewohnt. Ein Autohersteller wie Volkswagen will seinen Lieferanten bei der Ausweitung der Zellproduktion helfen und sie dabei unterstützen.

Einkaufsvorstand Sommer äußerte sich schon vor wenigen Wochen optimistisch, dass die neue Generation der reichweitenstärkeren Feststoffbatterien in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts in den Elektroautos Einzug halten wird.

Die Entwicklungsingenieure stünden noch vor der Herausforderung, eine echte Großserienproduktion in den Griff zu bekommen. Der Wechsel von der aktuellen Lithium-Ionen-Generation zur künftigen Feststoffbatterie dürfte vergleichsweise einfach von statten gehen. Etwa 60 Prozent der heute eingesetzten Produktionsanlagen könnten weiterverwendet werden.