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Voestalpine baut neues Edelstahlwerk

Die Überkapazitäten sind seit Jahren das Hauptproblem der Stahlindustrie in Europa. Die Stahlkonzerne stehen unter gewaltigem Druck, ihre Belegschaft anzupassen – mit einer Ausnahme namens Voestalpine. Der österreichische Stahlkonzern plant entgegen dem Branchentrend den kompletten Neubau eines Stahlwerkes. Dabei handelt es sich um die erste nagelneue Stahlhütte seit Jahrzehnten in Europa.

Erst nach langem Zögern wegen der hohen Strompreise hat sich Voestalpine doch für ein neues Stahlwerk in Österreich entschieden. Das Linzer Unternehmen wird zwischen 330 bis 350 Millionen Euro im österreichischen Kapfenberg investieren. Das hatte der Aufsichtsrat am Mittwoch entschieden. Das neue Edelstahlwerk, das ab 2021 das bestehende Werk ersetzen wird, soll Hochleistungsstähle für die Luftfahrt-, Auto- und Energiebranche produzieren. Das Werk wird 205.000 Tonnen Stahl jährlich liefern. Mit der Entscheidung bleiben die 3000 Arbeitsplätze in der steirischen Stadt erhalten. „Es wird keine Freisetzungen von Mitarbeitern geben“, sagte Wolfgang Eder, CEO der Voestalpine.

Mit dem neuen Werk kann die Voestalpine noch kostengünstiger und technisch noch anspruchsvoller Spezialstähle herstellen. Die Kapazitäten im neuen Werk werden nicht zunehmen. Wie Eder in einer Telefonkonferenz am Mittwoch sagte, werde sein Konzern keinen Beitrag zu den bestehenden Überkapazitäten leisten. Voestalpine hat sich seit Jahren auf hochqualitative Spezialstähle konzentriert, die eine höhere Gewinnmarge liefern.

Die Voestalpine hatte mit der Standortentscheidung lange gewartet. Der Konzern hatte Alternativen durchgespielt. In der Branche wurden insbesondere die USA genannt. „Wir haben über außereuropäische Standorte nachgedacht“, sagte Eder. Auf Nachfrage wollte er aber keine Länder nennen. Den Ausschlag hat am Ende vor allem die Qualität der Mitarbeiter gegeben. „Nirgendwo auf der Welt gibt es in Europa, vielleicht sogar in Österreich, so viele Fachleute“, sagte Eder zur Begründung. In den USA wäre die schnelle Rekrutierung von 3000 Facharbeitern „ein Ding der Unmöglichkeit“.

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Das neue Edelstahlwerk wird das bisherige Böhler-Edelstahlwerk ablösen, welches das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat. „Ein perfektes Umfeld und ein hoch motiviertes und qualifiziertes Mitarbeiterteam hat den Ausschlag gegeben“, sagte CEO Eder zur Entscheidung. Im benachbarten Leoben gibt es eine angesehene Montanuniversität. „Die europäische Klima- und Energiepolitik hat dazu beigetragen, dass wir so lange überlegt haben“, begründet Eder, warum die Entscheidung sich über mehrere Jahre hingezogen hat. „Österreich ist ein extremes Hochpreisland“, resümierte Eder. Er kritisierte die kaum erträgliche Regelungswut insbesondere in der Alpenrepublik. Der Stahlmanager mahnte die Politik grundsätzlich, die Kosten für den Standort noch weiter nach oben zu treiben. „Wir erwarten uns in Österreich und Europa eine industriefreundlichere Politik. Den Ankündigungen müssen endlich Taten folgen“, sagte Eder.


„Wir sind weltweit führender Drahthersteller“

Erst am Dienstag hatte die Voestalpine im österreichischen Leoben, nur wenige Kilometer vom neuen Stahlwerk Kapfenberg entfernt, das weltweit modernste Drahtwalzwerk eröffnet. Die vollautomatische Anlage mit einem Kostenvolumen von 140 Millionen Euro produziert künftig 550.000 Tonnen hochqualitativen Walzdraht für technisch anspruchsvolle Produkte vor allem in der Auto-, Maschinenbau- oder Energiebranche. „Mit diesem Werk sind wir der weltweit führende Drahthersteller“, sagte CEO Eder in Leoben.

Die europäische Stahlindustrie leidet schon seit Jahren an massiven Überkapazitäten: Zwischen 20 und 30 Millionen Tonnen pro Jahr könnten die Hütten mehr produzieren, gäbe es eine entsprechende Nachfrage oder würden die zuletzt stark gestiegenen Importe sinken. Da dies aber auf Dauer nicht absehbar ist, macht immer wieder das Thema Konsolidierung die Runde: Der Zusammenschluss von Herstellern, um international wettbewerbsfähiger zu sein.

Nach fast zweijährigen Sondierungsgesprächen haben Thyssen-Krupp und Tata Steel Europe nun vor einer Woche verkündet, den zweitgrößten Stahlhersteller in Europa nach Weltmarktführer Arcelor Mittal zu schmieden. Beide versprechen sich davon erhebliche Kostenvorteile und nehmen damit auch rund zwei Millionen Tonnen vom Markt.

Voestalpine hat sich aus dieser Debatte stets ausgeklinkt – aus gutem Grund. Die Österreicher sind schon seit Jahren der Beweis dafür, dass sich auch in Europa mit der Produktion von Stahl und dessen Verwendung in High-Tech-Produkten gutes Geld verdienen lässt. Konzernchef Eder hat schon vor 20 Jahren eingesehen, dass die Herstellung von Massenstählen auf Dauer nicht profitabel sein kann. Das können Chinesen, Inder oder auch Russen günstiger, wie sich in der Krise 2015/16 gezeigt hat, als sie den europäischen Markt mit Billigangeboten überschwemmten und die meisten europäischen Konzern damit in die roten Zahlen trieben.

Voestalpine schrieb auch da noch ordentliche Gewinne. Hier zahlte sich aus, dass Eder über Jahre den Konzern konsequent zu einem Technologielieferanten umgebaut hatte, der sich auf die Herstellung und Weiterverarbeitung hochspezialisierter Stähle konzentriert. Die finden ihre Abnehmer in der weitgehend konjunkturstabilen Autoindustrie, im Flugzeugbau und im Bereich von Bahninfrastruktur-Projekten. So ist Voestalpine Weltmarktführer für Hochgeschwindigkeitsweichen und Spezialschienen. Mit solchen Qualitätsprodukten verdient der Konzern sein Geld und kann sich damit auch dem allgemeinen Druck entziehen.

Der operative Gewinn (Ebit) des Linzer Konzerns legte um 96,2 Prozent auf 328,8 Millionen Euro zu. Die Erwartungen der Analysten wurden damit deutlich übertroffen, sie hatten im Schnitt mit 291 Millionen Euro gerechnet. Der Umsatz stieg um 17,3 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Zum dritten Quartal wollte Eder am Mittwoch auf Nachfrage noch keine Stellungnahme abgeben.


Auch Thyssen-Krupp will sich besser aufstellen

Wie lange es dauert, sich konsequent auf hochwertige Stahlsorten auszurichten, zeigt das Beispiel von Thyssen-Krupp. Auch der deutsche Branchenprimus baut seinen Anteil an hochwertigen Stahlsorten insbesondere für die Autoindustrie immer weiter aus. Dennoch wandert ein erheblicher Teil des von Hochöfen in Duisburg produzierten Stahls von rund zwölf Millionen Tonnen jährlich noch für den Massenmarkt – und unterliegt damit viel stärkeren Preisschwankungen.

Mit der nun angestrebten Fusion der Stahlsparte von Thyssen-Krupp und Tata in Europa will sich der Essener Traditionskonzern konsequenter als bisher auf den lukrativeren Flachstahlbereich konzentrieren. Rund 21 Millionen Tonnen will das Joint Venture künftig liefern – und dürfte damit den Wettbewerb auch mit Voestalpine in dem Marktsegment verschärfen.

„Wir müssen noch einen größeren Schritt bei der Entwicklung hochwertiger Produkte machen“, kündigte Hans Fischer, CEO von Tata Steel Europe, vor einer Woche an. Die Richtung für den neuen Stahlriesen ist klar: „Wir wollen die gesamte Wertschöpfung erhöhen“, sagte Fischer weiter. Thyssen-Krupp und Tata versprechen sich von der Fusion erhebliche Kostenvorteile: Zwischen 400 und 600 Millionen Euro will Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger an Synergien erzielen, indem er die Anlagen besser auslastet und jeder Standort künftig nur das produziert, was er am besten kann.

Diese Konzentration, die auch den Einkauf, den Vertrieb und die Forschung umfassen soll, wird nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und vielleicht auch Standorte bleiben: Hiesinger selbst hat schon angekündigt, dass in dem Joint Venture mit rund 48.000 Mitarbeitern rund 4000 Stellen gestrichen werden sollen. Die IG Metall fürchtet, dass dies erst der Anfang ist – auch deshalb protestieren die Beschäftigten der Ruhrkonzerns wie vergangenen Freitag, als 7000 Hüttenwerker umfangreiche Beschäftigungs- und Standortabsicherung verlangten.

Auch vor dem Hintergrund ist der Bau eines neuen Stahlwerks mitten in Europa ein spannender Gegenentwurf zur allgemeinen Situation der Branche.