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Viele Immobilieneigentümer geben dem Warenhaus keine Chance mehr

Städte versuchen mit aller Macht, Filialen von Kaufhof oder Karstadt zu erhalten. Dabei sind für die Vermieter Abriss und Neustart oft die bessere Lösung.

Signa-Chef ist mit seinem Unternehmen selbst von Kaufhof-Schließungen betroffen. Foto: dpa
Signa-Chef ist mit seinem Unternehmen selbst von Kaufhof-Schließungen betroffen. Foto: dpa

Große rot-gelbe Plakate verkünden in den Schaufenstern: „Wir schließen diese Filiale. Alles muss raus.“ Als ob die Passanten, die an diesem kühlen und regnerischen Morgen Ende September über den Marktplatz von Mönchengladbach-Rheydt hasten, nicht längst wüssten, dass die Karstadt-Filiale in wenigen Tagen endgültig ihre Türen schließt.

Drinnen hat der britische Dienstleister Gordon Brothers das Regiment übernommen. Wie in 41 weiteren Filialen von Kaufhof und Karstadt hat das auf Warenverwertung spezialisierte Unternehmen die Aufgabe, das Inventar mit maximalem Ertrag zu versilbern. Die Karstadt-Mitarbeiter haben längst ihre Kündigung bekommen und sind zu Statisten degradiert. Am 17. Oktober wird Gordon Brothers die Flächen besenrein an den Vermieter übergeben.

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Die Stadt, der die Immobilie gehört, hatte zwar noch versucht, Galeria Karstadt Kaufhof mit einer temporären Mietsenkung zum Weitermachen zu bewegen. Doch Ulrich Schückhaus, der Geschäftsführer der städtischen Entwicklungsgesellschaft, nimmt die Entscheidung des Unternehmens gelassen. „Es ist sehr schade für Rheydt, dass Karstadt schließt, aber der Zeitpunkt dieser Entscheidung hätte für uns nicht günstiger sein können“, sagt er.

Denn die Stadt Mönchengladbach hat große Pläne für die Immobilie. Das Gebäude, in dem heute schon Teile der Verwaltung untergebracht sind, soll teilweise abgerissen werden. Es entsteht dort ein neues Rathaus – kombiniert mit Einzelhandelsflächen. „Wir werden die gesamte Stadtverwaltung von Mönchengladbach, die heute auf 28 Standorte verteilt ist, in dem Neubau in Rheydt konzentrieren“, sagt Wirtschaftsförderer Schückhaus. 1900 Mitarbeiter werden dort ihren Arbeitsplatz finden. Das soll den Stadtteil Rheydt wiederbeleben und mehr Besucherfrequenz bringen.

Voraussetzung für die Ausschreibung war, dass das Karstadt-Haus während des gesamten Umbaus geöffnet bleiben muss. Dieser wird nun durch die Schließung erheblich einfacher“, erklärt Schückhaus. Die Planung wurde bereits angepasst: In die erste Etage kommen statt Herren- und Damenmode weitere Verwaltungsbüros.

Das Erdgeschoss soll künftig eine Art kleines innerstädtisches Shoppingcenter mit mehreren Ladenlokalen werden. Genau so hat die Stadt schon vor Jahren das Untergeschoss umgebaut. Dort haben unter anderem Aldi und Rossmann ehemals von Karstadt genutzte Flächen eingenommen.

In vielen deutschen Innenstädten fällt durch die Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof ein wichtiger Anziehungspunkt für die Shopping-Kundschaft weg. Auch die finanzielle Unterstützung des Galeria-Eigentümers, der Signa-Holding des österreichischen Investors René Benko, konnte nicht verhindern, dass nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ein großer Teil der Häuser geschlossen wird, die meisten noch im Laufe dieses Monats.

An 42 Standorten werden jetzt neue Ideen für die Warenhaus-Immobilien gebraucht. Doch in den wenigsten Fällen haben Vermieter und Stadt schon so klare Vorstellungen wie in Mönchengladbach. Denn eine neue Nutzung für die in die Jahre gekommenen Warenhäuser zu finden ist nicht leicht.

Misere der Warenhäuser hat sich lange angebahnt

Meist versuchten die Eigentümer um jeden Preis, Galeria zum Bleiben zu überreden. Wie etwa am Münchener Stachus. Dort verzichtet der Hauptvermieter, die Unternehmerfamilie Zechbauer, nach eigenen Angaben auf 92,5 Prozent der Miete. Im Gegenzug bleibt der Kaufhof noch zwei Jahre lang geöffnet. Die Galgenfrist gibt dem Eigentümer immerhin die Chance, in Ruhe nach einer neuen Nutzung für die Immobilie zu suchen.

Die Insolvenz hatte Galeria Karstadt Kaufhof die Möglichkeit gegeben, Mietverträge kurzfristig zu kündigen. Das Unternehmen hatte seine Schieflage mit den Folgen der Pandemie und den damit verbundenen Umsatzausfällen für die Kaufhäuser begründet.

Experten sehen tiefer liegende Ursachen. „Auch ohne die Pandemie hätten wir zwangsläufig weitere Schließungen gesehen – aber rund zwei bis drei pro Jahr und nicht 42 auf einen Schlag“, sagt Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE, die für Investoren Konzepte für die Nachnutzung von großen Handelsimmobilien erstellt. „Wir erleben einen Strukturwandel im Einzelhandel, die Betriebsform Warenhaus ist unter großem Wettbewerbsdruck“, betont Stumpf.

In der Tat hat sich die Misere lange angebahnt. So büßten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes in den 20 Jahren von 1999 bis 2019 die Warenhäuser in Deutschland 42 Prozent ihres Umsatzes ein. Der Onlinehandel dagegen legte im selben Zeitraum beim Umsatz um 120 Prozent zu.

Anfang der 1990er-Jahre betrieben die vier großen Warenhausunternehmen Hertie, Horten, Kaufhof und Karstadt noch 375 Standorte. Heute sind Hertie und Horten Geschichte, Karstadt und Kaufhof sind fusioniert und werden nach den aktuellen Schließungen noch 130 Häuser haben.



Dass sich das klassische Warenhaus im Grunde überlebt hat, zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens PwC. Sie untersucht, was aus 52 seit 2009 geschlossenen Warenhausstandorten geworden ist. Das Ergebnis: Fast alle Immobilien mussten umgebaut werden, manche sogar abgerissen, um neu genutzt werden zu können. Und der größte Teil wurde nicht mehr als reiner Einzelhandelsstandort genutzt, sondern in einer Mischnutzung mit Wohnen, Büros oder Gastronomie.

Und genau diese Mischnutzung stellte sich als das überlegene Konzept heraus: So musste ein Drittel der reinen Handelslösungen schon wieder schließen. Die Mix-Use-Konzepte dagegen sind heute alle noch in Betrieb.

Viel Kapital im Markt

Der Immobilienunternehmer Eckhard Brockhoff beispielsweise hat gezeigt, was sich aus einem alten Karstadt-Standort machen lässt. Gemeinsam mit zwei Partnern hat er vor einigen Jahren ein Kaufhaus in Essen-Rüttenscheid gekauft, abgerissen und an derselben Stelle ein Geschäftsgebäude errichtet. „Dort arbeiten heute fünf Mal so viele Leute wie früher“, sagt Brockhoff, der sich als größter regionaler Gewerbemakler Deutschlands sieht. Im Souterrain findet sich jetzt eine moderne Edeka-Filiale, darüber gehören Aldi, Deichmann, DM und der Sternekoch Nelson Müller zu den Mietern. In den oberen Geschossen befinden sich Büros.

„Das lässt sich übertragen auf ganz viele Städte und Standorte“, ist Brockhoff überzeugt. Denn die meisten Warenhäuser befänden sich in guten Lagen. Nur müsste eben investiert werden. Trotz Corona sei jetzt ein guter Zeitpunkt, die geschlossenen Warenhäuser zu verkaufen, ist Brockhoff überzeugt. Momentan seien wenig Projekte im Markt, dafür umso mehr Kapital, das Investitionsmöglichkeiten suche.

Um die Warenhäuser zu kämpfen, hält Brockhoff für falsch: „Da wird ein totes Pferd geritten.“ Vielmehr müssten sich die Städte grundlegend Gedanken machen um ihre Zentren. „Da ist momentan zu viel Einzelhandel“, kritisiert der Immobilienspezialist.

„Die Kommunen haben ein vitales Interesse daran, was mit den aufgegebenen Warenhäusern passiert“, mahnt Handelsexperte Stumpf. „Für viele Städte ergibt sich jetzt auch eine historische Chance, die Innenstadt neu zu beleben.“ Dazu müssten sie aber eine klare Strategie entwickeln und rasch in den Dialog mit den Eigentümern gehen. „Aber genau daran mangelt es bei vielen Kommunen“, beobachtet Stumpf in der Praxis.

„Im Moment ist der schlechtestmögliche Zeitpunkt für eine Nachvermietung an Händler“, sagt Lars Jähnichen, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters IPH Handelsimmobilien. Die wenigsten Händler hätten im Moment die Bereitschaft zu expandieren. Deshalb biete sich auch jetzt meist ein Mix aus Handel, Büros, Wohnen und Kultur an. „Auch Flächen für die City-Logistik dürften ein großes Thema sein“, betont er.

Das größte Problem für die Eigentümer ist, dass sie häufig noch einen langlaufenden Mietvertrag hatten, nun aber fast von einem Tag auf den anderen die Kündigung bekommen haben. „Die Vermieter brauchen etwas Zeit, um die Nachnutzung vorzubereiten“, erklärt Jähnichen.

Das zeigt sich beispielhaft in Frankfurt. Das Ende des traditionsreichen Karstadt-Hauses auf der Shoppingmeile Zeil schien schon besiegelt: Ende Oktober sollte Schluss sein, die Kündigungsschreiben an die rund 240 Mitarbeiter waren längst raus, der Abverkauf der Waren hatte begonnen. Doch die Belegschaft gab sich nicht geschlagen: Wochenlang kämpfte sie um ihre Jobs und ihr Kaufhaus – und schaltete auch den Vermieter der Immobilie ein, Albert Sahle. Das erwies sich als kluger Schachzug, zumindest kurzfristig: Denn der Betrieb geht in der Frankfurter Filiale weiter.

Mietverlängerungen, um Zeit zu gewinnen

Der Eigentümer Sahle Wohnen aus dem nordrhein-westfälischen Greven ist eigentlich auf Wohnungen spezialisiert, doch auch einige Gewerbeimmobilien gehören zur Firma – und seit rund acht Jahren eben auch die Frankfurter Karstadt-Filiale. Dass Karstadt damals als Mieter mit zum Deal gehörte, sei für ihn nicht der entscheidende Faktor gewesen, sagt Albert Sahle: „Wir haben das Gebäude unter dem Aspekt erworben, dass wir nach dem Auslaufen des Mietvertrags eine Projektentwicklung machen, das ist lukrativer.“

Dieses Projekt ist nun in greifbare Nähe gerückt. Zwar hat er den Mietvertrag mit Karstadt bis Januar 2025 verlängert und die Miete um gut die Hälfte gekürzt – doch dann soll das Haus dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Pläne dafür sind noch nicht fertig. Aber seine Vorstellungen kann der 65-Jährige auf Anhieb schildern: Er will ein dreistöckiges Gebäude neu bauen mit einem Supermarkt im Untergeschoss, Drogerie oder Textilhändler im Erdgeschoss und erstem Stock, darüber soll ein Hotel entstehen.

Schon bald wolle er Gespräche mit der Stadt führen, mit potenziellen Mietern sprechen und Baugenehmigungen einholen, sagt er. Doch all das dauert: „Bis ich die Bagger anrollen lassen kann, brauche ich Vorlauf“, sagt er. Hätte Karstadt nun dichtgemacht, hätte er zwei Jahre Leerstand gehabt. „Diese zwei Jahre habe ich den Karstadt-Leuten nun als Mietreduktion angeboten“, rechnet er vor.

Selbst der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Eigentümer Signa setzt für die Zukunft eher auf gemischte Quartiere als auf große Warenhäuser. Die Immobilientochter Signa Prime Selection hat 36 bisherige Karstadt- und Kaufhof-Häuser im Portfolio, von denen Unternehmenskreisen zufolge sechs im Zuge der Insolvenz des Warenhausbetreibers jetzt die Kündigung erhalten haben.

„Der Sachwalter von Galeria Karstadt Kaufhof hat bei den Entscheidungen über Schließungen keine Rücksicht darauf genommen, wer Eigentümer der Immobilie ist“, sagt Timo Herzberg, Deutschlandchef der Signa-Immobilientochter, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dass dann doch nur relativ wenige Standorte die Kündigung vom Schwesterunternehmen bekommen haben, läge daran, dass sich die Immobilien „primär in den Top-Lagen“ befänden, beteuert Herzberg.

Bei den Neuentwicklungen setzt Signa nicht mehr auf reinen Handel, sondern auf diversifizierte Nutzung. Bestes Beispiel ist Düsseldorf, wo Signa der nun schließende Kaufhof am Werhahn gehört. Dort hat das Unternehmen der Stadt schon Ideen für eine veränderte Nutzung präsentiert. „Wir stellen uns eine gemischt genutzte Immobilie vor mit Gastronomie, kleinteiligem Einzelhandel, Büros, Wohnungen und einem Park – das alles mit einer Nachverdichtung durch ein Hochhaus“, erläutert Herzberg.

„Die Warenhäuser, die jetzt geschlossen werden, sind fast ausschließlich an guten Standorten“, betont Immobilienexperte Jähnichen. „Es gibt keine Patentlösung für die Immobilien, aber für jeden der Standorte gibt es gute Chancen, ein neues Zukunftskonzept zu entwickeln.“ Eines aber ist dabei klar: Klassische Warenhäuser werden es nicht mehr sein.

Mehr: Galeria Karstadt Kaufhof verlässt das Insolvenzverfahren.

Nur die Karstadt-Filiale bleibt vorerst. Foto: dpa
Nur die Karstadt-Filiale bleibt vorerst. Foto: dpa