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Viel Lob, wenig Erfolg: Die Halbzeitbilanz von Sparkassenpräsident Schleweis

Der DSGV-Chef ist in der ersten Hälfte seiner Amtszeit bei der Konsolidierung des Sektors kaum vorangekommen. Dennoch ruhen große Hoffnungen auf ihm.

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes will ein einziges Spitzeninstitut für die Sparkassen schaffen. Von dem Ziel ist er weit entfernt, trotzdem gibt es wenig Kritik an ihm. Foto: dpa
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes will ein einziges Spitzeninstitut für die Sparkassen schaffen. Von dem Ziel ist er weit entfernt, trotzdem gibt es wenig Kritik an ihm. Foto: dpa

Die Coronakrise hat Helmut Schleweis ausgebremst. Eigentlich wollte der DSGV-Präsident bei seinem wichtigsten Vorhaben, der Schaffung eines Spitzeninstituts für die 376 Sparkassen, in diesem Jahr entscheidend vorankommen. Am 23. März sollte der Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) über das „Zielbild“ einer Super-Landesbank entscheiden. Doch dann musste Schleweis wegen der Pandemie die „Pausetaste“ drücken.

Ob und wann die Pausetaste wieder gelöst wird, dürfte am Ende ausschlaggebend dafür sein, ob Schleweis als erfolgreicher oder gescheiterter DSGV-Präsident in Erinnerung bleibt. Zur Hälfte seiner noch bis Ende 2023 laufenden Amtszeit zeigt sich ein komplexes und widersprüchliches Bild: Noch hat Schleweis beim Thema Konsolidierung wenig erreicht. Aber weil viele die Hoffnung nicht aufgegeben haben, dass dem 66-Jährigen mit List, Geduld und Sturheit der große Umbau des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors doch noch gelingt, bekommt der Sparkassenpräsident für seine ersten drei Jahre im Amt reichlich Lob – von innen wie von außen.

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„Ich finde es ehrenhaft und richtig, mit welcher Klarheit und Konsequenz Schleweis diesen Weg vorgibt“, sagt der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld. Innerhalb der Sparkassenfamilie gibt es jedoch an vielen Ecken Widerstand gegen die Pläne des DSGV-Chefs. Kritiker sind der Ansicht, dass am Ende die Reformgegner die Oberhand behalten werden – und dass sich das Scheitern der Konsolidierungsbemühungen durch die Coronakrise lediglich nach hinten verschiebt. „Bei dem Thema wird es am Ende vermutlich heißen: Schleweis ist mit großer Leidenschaft gescheitert“, sagt ein öffentlich-rechtlicher Bankmanager.

Schleweis möchte die vier großen Landesbanken und den Sparkassen-Fondsanbieter Deka auf lange Sicht zu einem Zentralinstitut verschmelzen. In einem ersten Schritt sollen die Landesbanken Hessen-Thüringen (Helaba) und Deka fusionieren. Perspektivisch sollen dann auch die NordLB aus Hannover, die BayernLB aus München und die LBBW aus Stuttgart in das Zentralinstitut integriert werden.

Als Vorbild gilt der genossenschaftliche Finanzsektor. Die Volks- und Raiffeisenbanken, die härtesten Konkurrenten der Sparkassen, kommen mit einer Zentralbank, der DZ Bank, aus.

Endlich mal kein Politiker

Ob Schleweis einer ähnlichen Aufstellung im Sparkassensektor bis zum Ende seiner Amtszeit als DSGV-Präsident nahekommt, ist jedoch fraglich. Er halte es zurzeit nicht für realistisch, dass es mit dem Spitzeninstitut vorangehe, sagt ein regionaler Sparkassenpräsident. Jedes Unternehmen sei angesichts der Coronakrise ohnehin schon „richtig gefordert“. Ein anderer Regionalfürst schätzt, dass die Sparkassen-Organisation das Thema nicht zeitnah angehen werde.

Schleweis selbst lässt sich den Druck, der auf ihm lastet, nicht anmerken. Wer mit ihm in kleiner Runde spricht, erlebt einen gelösten, humorvollen Sparkassenfunktionär. Der DSGV-Chef weiß, dass sein Umbauplan in der dezentral organisierten Finanzgruppe einer Revolution gleichkommt. Aber er will trotz Gegenwind an seinem Plan festhalten.

Seinen Kampf für die Schaffung eines Zentralinstituts vergleicht Schleweis dabei mit einem Staffellauf. „Solange ich den Stab in der Hand habe, werde ich so schnell wie möglich laufen und so viel Strecke wie möglich machen“, sagte er im Sommer im Handelsblatt-Interview. „Aber niemand sollte sich selbst zu wichtig nehmen.“ Er versuche, seinen Beitrag zu leisten – und werde den Staffelstab dann eines Tages weiterreichen.

Dass der Staffelläufer nicht wirklich vorankommt, nimmt Schleweis im öffentlich-rechtlichen Sektor im Moment kaum jemand übel. Besonders bei den Sparkassen genießt der DSGV-Chef hohes Ansehen, weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Georg Fahrenschon und den meisten Regionalpräsidenten nicht aus der Politik kommt, sondern selbst viele Jahre eine Sparkasse geleitet hat.

„Er ist ein Glücksfall für unsere Organisation, weil er sich mit den Themen auskennt und weiß, über was er spricht“, sagt ein Sparkassenchef. Manch einer wünscht sich allerdings, dass sich der Verbandspräsident stärker auf praktische Fragen konzentrieren würde, statt immer nur auf den umstrittenen großen Konsolidierungswurf zu schielen.

Die Coronakrise sorgt dafür, dass dieser Wunsch zumindest teilweise in Erfüllung geht. Der DSGV habe die öffentlich-rechtlichen Institute in dieser schwierigen Phase gut unterstützt, lobt ein regionaler Sparkassenpräsident. Die Geldhäuser haben zuletzt so viele Kredite vergeben wie noch nie. In den ersten neun Monaten 2020 reichten die Sparkassen gut 79 Milliarden Euro an frischen Darlehen an Unternehmen und Selbstständige aus – fast 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Ein Verbandsvorsteher glaubt, dass es auch jenseits der akuten Bekämpfung der Coronakrise noch jede Menge Arbeit für Schleweis gibt, die nichts mit der Konsolidierung zu tun hat, zum Beispiel müsse man die Finanzgruppe durch die Einführung standardisierter Produkte noch effizienter machen. „Derzeit haben wir bei der Anmeldung von Girokonten keinen einheitlichen Standard unter den Sparkassen.“

Zugute halten Schleweis viele, dass er die Sparkassen-Finanzgruppe 2019 auf die Rettung der NordLB eingeschworen hat. „In diesem Fall hat er sehr gut agiert“, findet ein Insider. „Er hat es geschafft, die Gruppe zusammenzuführen.“

Die NordLB war durch erhebliche Wertberichtigungen auf Schiffskredite in Schieflage geraten. Die Sparkassen-Finanzgruppe beteiligte sich am Ende mit 1,1 Milliarden Euro an einem Rettungspaket – und wendete damit drohende Sanktionen von den Regulierungsbehörden ab.

Zufrieden sind die Aufsichtsbehörden mit dem öffentlich-rechtlichen Sektor jedoch keineswegs. Die Europäische Zentralbank und die Bafin haben einen grundlegenden Umbau des gemeinsamen Sicherungssystems von Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen angemahnt. Dabei geht es um die sensible Frage, wer bei der Schieflage eines Instituts wie viel Geld zu dessen Rettung beisteuern muss.

Streit ist dabei genauso programmiert wie in der Debatte über ein Zentralinstitut. Dass Schleweis mit seinen Umbauplänen bei vielen auf Widerstand stoßen wird, war ihm von Anfang an klar. Doch womöglich hat selbst der DSGV-Chef, der seine gesamte Karriere im Sektor verbrachte und viele Jahre als „Bundesobmann“ der Sparkassenvorstände agierte, die Komplexität und die Beharrungskräfte der Gruppe unterschätzt.

Genauso wie seine Vorgänger kämpft auch Schleweis damit, dass er als DSGV-Präsident Vorschläge machen, aber keine Entscheidungen durchsetzen kann. Das Machtzentrum der Gruppe bilden schließlich die Präsidenten der Sparkassen-Regionalverbände. Diese haben oft ihre eigenen Interessen – und lassen sich vom DSGV nichts vorschreiben.

Die Regionalverbände vertreten nicht nur die Sparkassen in ihrem Gebiet, sondern auch deren Träger, die jeweiligen Kommunen. Die meisten wollen verhindern, dass der DSGV mehr Macht bekommt. Als im Zuge des Projekts „Sparkasse reloaded“ Anfang des Jahres vorgeschlagen wurde, für den DSGV und die Regionalverbände eine „einheitlichen Steuerung“ und eine „gemeinsame Verbändestruktur“ zu entwickeln, regte sich in vielen Regionen sofort Widerstand. Mittlerweile hat man sich Insidern zufolge darauf verständigt, die Strukturfragen im Rahmen des Projekts nicht weiter zu diskutieren.

„Es müssen nicht gleich Fusionen sein“

In der Debatte über eine Fusion der Spitzeninstitute kommt erschwerend hinzu, dass die Besitzverhältnisse bei den beteiligten Häusern sehr unterschiedlich sind. Die Deka gehört allen deutschen Sparkassen, die dort über ihre Regionalverbände beteiligt sind. An der Helaba halten dagegen die Sparkassen aus Hessen und Thüringen mit fast 70 Prozent die Mehrheit. Die übrigen Anteile liegen im Wesentlichen bei Sparkassen aus Nordrhein-Westfalen und den Ländern Hessen und Thüringen.

Bei den anderen drei großen Landesbanken liegen jeweils weniger als 50 Prozent der Anteile bei den Sparkassen in der Region. Manche Verbände halten nur noch sehr wenige oder gar keine Anteile an Landesbanken. Entsprechend unterschiedlich stehen sie auch Fusionen gegenüber.

Am deutlichsten für eine Fusion von Deka und Helaba haben sich die Sparkassen aus Hessen und Thüringen positioniert. Skeptischere Stimmen kommen dagegen von Peter Schneider, dem Präsidenten des baden-württembergischen Sparkassenverbands. Er rechnet nicht damit, dass es vor 2022 Entscheidungen über die Zukunft von Deka und Helaba geben wird. Bis dahin hätten die Beteiligten angesichts der Coronakrise mit sich selbst zu tun, so Schneider. Er sei für Schwerpunktbildung und Aufgabenteilung unter den Landesbanken. „Es müssen nicht gleich Fusionen sein“, sagte er Ende Juli.

Die ostdeutschen Sparkassen wiederum halten ein Zentralinstitut für nötig, das als Abwickler des Zahlungsverkehrs und als Konsortialpartner zur Verfügung steht. Aber nach derzeitiger Beschlusslage des ostdeutschen Verbands dürfte es keine Zustimmung für einen Zusammenschluss von Deka und Helaba geben.

Schleweis selbst will sich derzeit nicht zu den Aussichten für ein Spitzeninstitut äußern. Im August hatte er gefordert, Deka und Helaba sollten ihre Gespräche „so früh wie möglich“ wieder aufnehmen.

Am Ende könnten möglicherweise die Folgen der Corona-Pandemie dafür sorgen, dass die Sparkassenvorstände mehr als bisher auf Zusammenschlüsse unter Landesbanken drängen. Den Sparkassen selbst geht es bislang zwar relativ gut.

Die Negativzinsen in der Euro-Zone dürften die Gewinne aber zusehends drücken. Und wie viele Kredite durch die Coronakrise ausfallen, ist bislang noch nicht absehbar. Eines ist aber bereits klar: „Es wird schwieriger im nächsten Jahr“, warnt ein regionaler Sparkassenpräsident.

Ein Insider meint daher, dass es früher oder später doch auf eine Landesbankenfusion hinausläuft: „Es gibt keine dicken Schrauben mehr, an denen die Sparkassen drehen können, damit sie sparen.“ Auch andere in der Finanzgruppe sind der Meinung, dass der Geist nun aus der Flasche ist – und dass es früher oder später zu einer Konsolidierung unter den Spitzeninstituten kommen wird.

Mehrere Landesbankmanager betonen im kleinen Kreis, dass eine Konsolidierung sinnvoll wäre und dass sie grundsätzlich bereit wären, über Zusammenschlüsse zu sprechen. Entscheiden müssten darüber am Ende aber die Eigentümer, zu denen neben den Sparkassen auch diverse Landesregierungen gehören.

„Das Thema kommt wieder“, prognostiziert eine mit den Diskussionen vertraute Person. „Einen Big Bang wird es vermutlich nicht geben.“ Aber wenn durch eine Fusion von Deka und Helaba ein Nukleus für ein Zentralinstitut entstehe, sei man schon einen großen Schritt weiter.

Viele Sparkassen fürchten allerdings, dass sich die Regionalverbände und Landesregierungen dazu erst durchringen werden, wenn den Instituten das Wasser bis zum Hals steht. „Irgendwann wird uns die Macht des Faktischen dazu zwingen“, sagt ein Vorstandschef. Das könne allerdings noch drei, vier oder fünf Jahre dauern. „Dann werden sich die Ergebnisse im Bankgeschäft derart verschlechtert haben, dass auch die letzte Landesregierung auf den Trichter kommt, dass eine Zusammenlegung von Landesbanken Sinn ergibt.“