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Vestager: „Die Europäer verlieren das Vertrauen in die Technologie“

Die designierte EU-Digital- und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will nach ihrem Amtsantritt rasch neue Regeln zur Entwicklung Künstlicher Intelligenz vorlegen.

Margrethe Vestager trägt ein Kleid, das in seinen Braun- und Grüntönen ein wenig an den Flecktarn einer Armee-Uniform erinnert. Dabei zieht die amtierende und wohl auch künftige EU-Wettbewerbskommissarin gar nicht in den Kampf, als sie für ihre Anhörung im Europaparlament Platz nimmt. Die Abgeordneten haben vielen ihrer Kollegen in der neuen Kommission von Ursula von der Leyen bereits harte Stunden bereitet; Vestager aber fassen die meisten von ihnen mit Samthandschuhen an.

Die Dänin hat sich durch ihr resolutes Vorgehen gegen die großen US-Techkonzerne und Steuerdeals mancher EU-Länder für multinationale Konzerne einen guten Ruf erarbeitet im Parlament. Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab etwa leitet die Fragerunde mit den Worten ein, Vestager sei der „heimliche Star“ der jetzigen Juncker-Kommission. Da zeichnet sich schon ab: Allzu anstrengend wird dieser Nachmittag für die 51-Jährige nicht werden.

Ungemütlich wird es für Vestager nur bei einem Thema: Als sie etwa vom CSU-Abgeordneten Markus Ferber auf den „inhärenten Interessenkonflikt“ angesprochen wird, der in ihrer künftigen Doppelrolle als Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin für das digitale Zeitalter angelegt sei. Schließlich müsse sie in dem einen Amt unparteiisch den Wettbewerb hüten, im anderen aber aktiv Industriepolitik für Europa betreiben.

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Es ist ein Einwand, den auch einige Rechtsexperten formuliert haben. Vestager versucht es mit entwaffnender Offenheit: Das sei „die erste Frage, die ich mir selbst gestellt habe“, sagt sie. Schließlich sei ihre Unabhängigkeit als Gesetzeshüterin „nicht verhandelbar“.

Ihre Unabhängigkeit aber werde dadurch gesichert, dass die Entscheidungen in den einzelnen Kartell- oder Fusionsfällen vom gesamten Kommissarskollegium getroffen und vom juristischen Dienst der Behörde geprüft würden. Im Übrigen schreibe sie als Vizepräsidentin nicht die Gesetzesentwürfe der Kommission, sondern die jeweiligen Fachkommissare.

Zugleich macht Vestager deutlich, dass sie nicht lockerlassen will: Ja, sie werde weiter gegen eine steuerliche Vorzugsbehandlung einzelner Unternehmen vorgehen, sagt sie. Dafür habe sie die Mitgliedstaaten erneut um umfassende Auskunft gebeten, nach welchen Kriterien sie Steuervorbescheide ausstellten. 2014 hatte die schon einmal solche Informationen angefordert und anschließend in einzelnen Fällen etwa bei Apple oder Amazon saftige Nachzahlungen angeordnet.

Neu ist, dass sich Vestager gerade die Digitalunternehmen künftig von zwei Seiten aus vornehmen wird: Nicht nur in einzelnen Wettbewerbsfällen, sondern zugleich auch auf der regulatorischen Ebene.

So will sie im Auftrag von der Leyens binnen 100 Tagen nach ihrem Amtsantritt am 1. November neue Gesetzesvorschläge für Künstliche Intelligenz vorlegen. „Wir brauchen Regeln, um sicherzustellen, dass Künstliche Intelligenz ethisch genutzt wird, um menschliche Entscheidungen zu unterstützen und nicht, um sie zu untergraben“, sagt sie. Sonst verlören die Europäer das Vertrauen in die Technologie.

So müsse gewährleistet sein, dass die Algorithmen menschlicher Kontrolle unterlägen. Sonst bestehe die Gefahr, dass bereits benachteiligte Gruppen durch die selbstlernenden Programme noch stärker diskriminiert würden. „Wir müssen Vertrauen aufbauen, dass uns die Technologie wirklich nützt“, mahnt sie.

Auch für andere digitale Anwendungen will Vestager einen neuen Rechtsrahmen vorlegen, der die Sicherheits- und Haftungsvorschriften auf die neuen Bedingungen anpassen soll. Und sich überdies die Bedingungen für den Zugang zu Daten genauer anschauen.

So müsse überlegt werden, so die Kommissarin, ob der kostenlose Zugriff auf öffentlich finanzierte Informationen etwa der EU-Satellitenprogramme Galileo und Kopernikus nicht kleineren Anbietern vorbehalten werden sollte, um die Übermacht der Digitalriesen zu kontern. „Sind wir wirklich zufrieden damit, die Daten zugänglich zu machen für jene, die die Mittel haben, dafür zu bezahlen?“, fragt sie.

Verloren jedenfalls sei noch nichts, trotz der Stärke US-amerikanischer oder chinesischer Anbieter bei Angeboten für private Nutzer. Bei Firmenkunden hingegen stelle sich die Lage anders dar. Bei Anwendungen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt oder Mobilität sei Europa gut aufgestellt. „Daran gilt es anzuknüpfen“, sagt sie. „Denn manchmal unterschätzen wir die Stärke Europas.“