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Nach Verwirrung um Treffen zwischen Astra-Zeneca und EU: Gespräch bringt keine Lösung

Der Pharmakonzern streitet mit der EU-Kommission über den Grund für die Lieferprobleme beim Impfstoff. Astra-Zeneca-CEO Soriot weist die Schuld von sich.

Um ein Treffen zwischen dem Konzern und der EU war Verwirrung entstanden. Foto: dpa
Um ein Treffen zwischen dem Konzern und der EU war Verwirrung entstanden. Foto: dpa

Das Treffen zwischen der EU-Kommission und Astra-Zeneca wegen den Lieferschwierigkeiten beim Impfstoff ist am Mittwochabend ohne konkretes Ergebnis zu Ende gegangen. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides lobte aber den „konstruktiven Ton“ im Meinungsaustausch mit Astra-Zeneca-CEO Pascal Soriot.

„Die EU bleibt vereint und stark. Die vertraglichen Verpflichtungen müssen erfüllt werden, die Impfstoffe müssen an die EU-Bürger geliefert werden“, teilte Kyriakides mit. „Wir bedauern, dass es weiterhin keine Klarheit über die Lieferplan gibt und bitten von Astra-Zeneca einen klaren Plan für die schnelle Lieferung der Impfstoff-Mengen, die für das erste Quartal reserviert sind.“

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Ähnlich wie die EU-Kommission sprach auch der britisch-schwedische Pharmakonzern von einem „konstruktiven und offenen Gespräch“. Es wurde seitens Astra-Zeneca eine engere Kooperation versprochen.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, setzt weiterhin auf eine Einigung. „Ich hoffe, auch unter dem Druck möglicher Strafzahlungen, dass sich Astra-Zeneca bemühen wird, andere Produktionskapazitäten zu finden“, sagt sie im Deutschlandfunk. Dazu solle der Konzern etwa Konkurrenten einspannen. Eine mögliche Entschädigung helfe nicht, „sondern wir wollen Impfdosen.“

Der Streit zwischen dem Pharmakonzern und der EU war zuvor weiter eskaliert. Am Mittwoch herrschte Verwirrung, ob der britisch-schwedische Impfstoffhersteller ein Treffen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten am selben Tag platzen lässt. „Astra-Zeneca hat uns informiert, dass sie nicht an dem Treffen teilnehmen“, sagte eine Kommissionssprecherin.

Ein Sprecher von Astra-Zeneca sagte indes, das Unternehmen plane die Teilnahme. Dieses Signal gab dann auch die EU: Laut späteren Angaben aus Brüssel habe Astra-Zeneca die Absage zurückgezogen. Die EU-Spitze hatte an dem britisch-schwedischen Konzern wegen seiner Lieferschwierigkeiten beim Impfstoff gegen Covid-19 ungewöhnlich scharfe Kritik geübt.

Statt der vorgesehenen 80 Millionen Impfdosen wird Astra-Zeneca im ersten Quartal möglicherweise nur 31 Millionen Einheiten liefern – also 60 Prozent weniger als vorgesehen.

Astra-Zeneca-CEO Soriot wies in einem Interview mit europäischen Zeitungen die scharfe Kritik der EU zurück: Sein Unternehmen habe eine Best-Effort-Lösung vereinbart, so der Vorstandschef. Sprich: Somit sei keine feste Menge vertraglich vereinbart, aber „wir haben unseren Best Effort zugesagt, dass wir uns im besten Sinne bemühen“.

EU hat bisher 2,7 Milliarden Euro in Entwicklung und Produktion investiert

Der Grund laut Soriot: Brüssel habe etwa zum selben Zeitpunkt beliefert werden wollen wie die Briten, die aber „drei Monate früher unterzeichnet hatten. Darum haben wir zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet“, sagte Soriot. „Wir mögen ehrgeizige Ziele, aber wir haben keine Garantie dafür abgegeben.“

Insgesamt hat die EU in Entwicklung und Produktion von Impfstoffen gegen das Coronavirus bislang 2,7 Milliarden Euro investiert. Bereits Ende August des vergangenen Jahres hatte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides mit Astra-Zeneca einen Vertrag über 300 Millionen Impfdosen und eine Option auf weitere 100 Millionen unterzeichnet.

Die EU-Kommission hatte den Druck auf den Impfstoffhersteller zuletzt zudem erhöht. Auch Ursula von der Leyen äußerte scharfe Kritik: „Die EU und andere halfen mit Geld, um Forschungskapazitäten und Produktionsanlagen aufzubauen. Europa investierte Milliarden, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen. Um ein wirklich globales Gemeinschaftsgut zu schaffen. Und jetzt müssen die Unternehmen liefern“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin auf dem virtuellen Weltwirtschaftsforum in Davos am Dienstag.

„Sie müssen ihren Verpflichtungen nachkommen. Deshalb werden wir einen Mechanismus zur Transparenz von Impfstoffexporten einrichten. Europa ist entschlossen, seinen Beitrag zu leisten. Aber es geht auch ums Geschäft“, kritisierte von der Leyen. Brüssel arbeitet nun unter Hochdruck daran, eine Exportkontrolle von Impfstoffen einzuführen. Als Reaktion auf die Schwierigkeiten mit Astra-Zeneca schlägt die Kommission ein Transparenzregister für Impfstoffe gegen das Coronavirus vor.

Bereits zum Ende der Woche will die Kommission den Mitgliedsländern einen detaillierten Vorschlag machen. „Wir wollen Klarheit und Transparenz schaffen“, sagte die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Dubravka Suica, an diesem Mittwoch.

„Künftig müssen alle Unternehmen, die in der EU Impfstoffe gegen Covid-19 herstellen, frühzeitig informieren, wenn sie Impfstoffe in Drittländer exportieren wollen“, sagte zuvor auch Gesundheitskommissarin Kyriakides. Pharmakonzerne sollen also alle ihre Exporte von Impfstoffen anmelden.

EU-Kommissarin widerspricht Astra-Zeneca-Chef

Die EU will sich mit einem Register einen besseren Überblick über die Produktion von Vakzinen in den 27 Mitgliedstaaten verschaffen. „Es geht darum, zu erfahren, was die Unternehmen außerhalb der EU exportieren“, sagte ein Kommissionssprecher. Das sei man der europäischen Öffentlichkeit angesichts der gewaltigen Investitionen in den Aufbau der Impfstoffproduktion schuldig.

Gesundheitskommissarin Kyriakides hatte Anfang der erneut auf die strikte Einhaltung des Liefervertrages gepocht. Die 27 Mitgliedsstaaten seien sich einig darüber, dass Astra-Zeneca seine Lieferverpflichtungen nachkommen müsse.

Die Aussage des Astra-Zeneca-CEOs Soriot eines Best-Effort-Abkommens sei nicht richtig. „Wir lehnen das Prinzip ,Wer zuerst kommt, mahlt zuerst' ab“, sagte Kyriakides. „In unserem Vertrag ist nicht festgehalten, dass Großbritannien vor uns Impfstoffe erhalten soll.“ Die gebürtige Zypriotin appellierte an Astra-Zeneca vor dem Treffen des Lenkungsausschusses am Abend, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen.

In Kommissionskreisen hieß es, dass die EU Astra-Zeneca insgesamt 336 Millionen Euro zugesagt habe. Doch das ganze Geld sei noch nicht geflossen.

Die EU sei im internationalen Vergleich ein Gigant bei der Impfstoff-Herstellung, hieß es in Brüssel. Deshalb will die Kommission ausschließlich Vakzine in der EU kaufen. Mit dieser Einkaufspolitik will sie beispielsweise Ausfuhrbeschränkungen wie in den USA umgehen. Der Impfstoff von Astra-Zeneca wird sowohl in Belgien als auch Großbritannien produziert.

Ema könnte Vakzin von Astra-Zeneca am Freitag zulassen

Den Vorwurf, die EU greife zu protektionistischen Maßnahmen, lässt die Kommission nicht gelten. EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis sagte, dass das geplante Register die Exporte der in der EU produzierten Impfstoffe nicht einschränken wird. „Wir haben nicht vor, ein Exportverbot oder Exportbeschränkungen zu verhängen“, sagte Dombrovskis.

Mit Spannung wird erwartet, ob die Europäische Arzneimittelagentur (Ema) den Impfstoff von Astra-Zeneca am Freitag eine bedingte Marktzulassung erteilen wird. Astra-Zeneca macht indirekt Druck auf die Amsterdamer EU-Behörde.

„Sobald wir in den nächsten Tagen die Zulassung erhalten, liefern wir drei Millionen Dosen. Dann jede Woche mehr, bis wir bei 17 Millionen sind. Die werden nach Bevölkerungszahl verteilt, für Deutschland mithin ungefähr drei Millionen in einem Monat“, sagte der Astra-Zeneca-CEO der „Welt“. Die EU hängt bei der Impfung der Bevölkerung im Vergleich zu den USA und Großbritannien stark zurück.

Der Ema-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur prüft seit Montag den von Astra-Zeneca und der Universität Oxford entwickelten Impfstoff. Ob es eine Zulassung des Vakzins geben wird, ist offen. „Wir kommentieren keine laufenden Bewertungen“, sagte eine Sprecherin der Amsterdamer Behörde auf Anfrage.

Marktzulassung für Freitag erwartet

„Eine Stellungnahme zur Zulassung könnte bis zum 29. Januar im Rahmen der am Montag begonnenen Sitzung des CHMP abgegeben werden, sofern die eingereichten Daten zur Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs hinreichend belastbar und vollständig sind und alle zusätzlichen Informationen, die zur Vervollständigung der Beurteilung erforderlich sind, umgehend eingereicht werden“, sagte eine Ema-Sprecherin auf Anfrage.

Die Empfehlung der Ema muss von der EU-Kommission bestätigt werden.

Der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion und Europaabgeordnete, Peter Liese (CDU), erwartet dass die Ema am Freitag die Marktzulassung erteilt. „Ich glaube, dass es auch eine Marktzulassung für über 65-Jährige geben wird“, sagte der Mediziner dem Handelsblatt in Brüssel.

Er schlägt vor, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland noch einmal prüft, ob der Impfstoff tatsächlich für über 65-Jährige eingesetzt wird oder ob man nicht stattdessen jüngere Risikopersonen und das medizinische Personal mit diesem Impfstoff impfen kann.

Liese kritisierte ebenfalls die Kommunikation von Astra-Zeneca: Der Konzern habe in einer Pressemitteilung im November den Eindruck erweckt, als habe der Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent. Diese 90 Prozent galten aber offenbar nur für einen kleinen Teil der Studienteilnehmer, die aus Versehen nur eine halbe Dosis bekommen haben.

„Das war ein schwerer Fehler in der Durchführung der Studie und in der Kommunikation, aber deswegen ist der Impfstoff nicht schlecht“, sagte Liese dem Handelsblatt. Der Fehler sei aber mittlerweile korrigiert. Die Daten seien genauer analysiert worden. Seit November sind viele neue Patienten in klinischen Prüfungen und darüber hinaus geimpft worden.

In Großbritannien gibt es die Notfallzulassung schon seit Ende Dezember. „Ich sehe keinen Grund zu warten. Die Experten müssen sich aber dazu äußern, ob der Impfstoff für über 65-Jährige benutzt werden soll oder nur für unter 65-Jährige“, sagte Liese.

„Politischer Skandal“

Im Europaparlament ist die Erwartung an das heutige Treffen zwischen Astra-Zeneca und der Kommission hoch. „Der Austausch mit Astra-Zeneca muss Klarheit bringen. Wir haben jetzt keine Zeit für Spielchen. Wenn der Hersteller 60 Prozent weniger Impfdosen für die EU liefert als vereinbart, braucht es volle Transparenz über Ursachen und Problemlösung“, sagte Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten.

Europapolitiker verlangten von der EU-Kommission zudem Einsicht in die Verträge mit allen Pharmakonzernen. „Wir kennen den Astra-Zeneca-Vertrag nicht. Das ist der politische Skandal bei diesem Thema, das selbstverständlich von äußerst hohem öffentlichen Interesse ist“, kritisierte Wölken.

Abgeordnete des EU-Parlaments haben einen Brief an die Kommission geschrieben. In dem Schreiben verlangen sie Zugang zu den Verträgen mit den Pharmakonzernen. „Leider verweigern sowohl die EU-Kommission als auch die meisten Impfstoffhersteller einen vollen Zugang zu den Verträgen über den Ankauf von Covid-19-Vakzinen. Wir fordern sie auf, sämtliche Verträge ungeschwärzt zu veröffentlichen“, sagte Rasmus Andresen, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

„Zusätzlich brauchen wir Zugang zu allen anderen relevanten Dokumenten, die im Zusammenhang mit der Impfstoffbeschaffung stehen. Dies gilt beispielsweise auch für Sitzungsprotokolle aus den Vertragsverhandlungen und internen Vorbereitungsrunden. Nur dann können wir bewerten, wer die Verantwortung für Lieferengpässe trägt, welche Rolle die deutsche Bundesregierung einnimmt und welche Möglichkeiten die EU-Kommission hat, das inakzeptable Verhalten von Astra-Zeneca zu sanktionieren.“

Bislang wurde nur der Vertrag mit dem deutschen Pharmaunternehmen Curevac offengelegt. Andresen fordert, alle Rechtsmittel, selbst einen Exportstopp, vorzubereiten, um den Druck auf Astra-Zeneca zu erhöhen.