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Vertrag verlängert: Das sind die vier Großbaustellen von Bahn-Chef Richard Lutz

Der CEO des Staatskonzerns soll nach dem Willen der Politik das Kerngeschäft in Deutschland stärken. Doch ausgerechnet das schwächelt gewaltig – nicht erst seit der Pandemie.

Bahn-Chef Richard Lutz: Von ihm erwartet die Politik einen grundlegenden Umbau der Bahn. Foto: dpa
Bahn-Chef Richard Lutz: Von ihm erwartet die Politik einen grundlegenden Umbau der Bahn. Foto: dpa

Ob Richard Lutz in der vergangenen Woche wirklich Grund zur Freude hatte, weil die Regierung sich auf eine Vertragsverlängerung geeinigt hatte? Der 56-Jährige soll weitere fünf Jahre an der Spitze der Deutschen Bahn stehen. Und das mit einer heiklen Aufgabe.

Lutz soll den Fern-, Regional- und Güterverkehr in Deutschland massiv ausbauen. Containerterminals in China, europaweit operierende Lkw-Flotten von Schenker oder Überlandbusse der Marke Arriva in England halten viele für überflüssig. Doch ausgerechnet das Kerngeschäft in Deutschland steckt tief in der Krise.

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Im März tagt der Aufsichtsrat der Bahn. Dabei stehen gleich mehrere Vertragsverlängerungen an. Die von Lutz, von Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla und vom Personenverkehrschef Berthold Huber. Das Votum der Kontrolleure gilt als sicher, sitzen in dem Gremium neben den Arbeitnehmern doch vor allem Vertreter des Bundes, des alleinigen Eigentümers des Unternehmens. Sieht alles nach Normalität aus, ist es aber nicht. Die Deutsche Bahn steht vor einem tiefgreifenden Umbau.

Denn die Pandemie hat die bestehenden Schwächen der Deutschen Bahn schonungslos offengelegt. Das Unternehmen wird in seinem Kerngeschäft vorerst kaum Geld verdienen. Der Gewinn in den Sparten Fernverkehr, Regio und Cargo hatte sich in den vergangenen Jahren schon halbiert – trotz steigender Fahrgastzahlen. Mit Corona geht es nun in die roten Zahlen.

Keine guten Aussichten für Lutz und sein Team. Sollte es zu einer Beteiligung der Grünenpartei an einer künftigen Bundesregierung kommen, stünde eine Zerschlagung der Bahn auf der Agenda: Trennung von profitabler, weil staatsfinanzierter Infrastruktur und vom Eisenbahnbetrieb, Abschied von der Auslandstochter Arriva und dem Logistikkonzern Schenker. Das Unternehmen würde zu einer ertragsschwachen Deutschlandeisenbahn geschrumpft, die vorerst auch noch subventioniert werden müsste.

Die Fakten sind erdrückend. Allein im ersten Halbjahr 2020 fuhr die Bahn mit ihren ICEs, Regional- und Güterzügen 1,7 Milliarden Euro Verlust ein. Im Gesamtjahr sind es laut Unternehmenskreisen 3,3 Milliarden Euro. Die Bilanz der Bahn wird am 25. März vorgelegt. Vor 2023 sieht der Vorstand nach der internen Mittelfristplanung keine Rückkehr in die Gewinnzone.

Zudem wachsen Zweifel, dass die Bahn nach der Pandemie zur Tagesordnung zurückkehren wird. Homeoffice und Internetkonferenzen werden viele Reisen ersetzen und stellen die ehrgeizigen Ziele infrage. Bis 2030 sollte die Zahl der Reisenden im Fernverkehr auf 260 Millionen verdoppelt und der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene von 18 auf 25 Prozent gesteigert werden.

Christian Böttger, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, ist skeptisch. „Die wirtschaftliche Lage der DB AG war schon vor Corona sehr angespannt“, sagt er: „Auch wenn der Bund die Corona-Schäden ausgleicht, wird die DB in den kommenden Jahren Staatshilfe benötigen.“

Würde man den Bahn-Konzern um alle Aktivitäten entkleiden, die nicht unmittelbar zum Eisenbahnbetrieb in Deutschland zählen, würde das Unternehmen gemessen an den Zahlen des Jahres 2019 von 44 Milliarden Euro Umsatz auf 18 Milliarden Euro mehr als halbiert. Das unbereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) läge bei 573 Millionen Euro, die Ebit-Marge bei bescheidenen knapp 3,2 Prozent.

Geld verdiente die Bahn schon in normalen Zeiten hauptsächlich mit der Verwaltung des Eisenbahnnetzes, der von Pofalla gemanagten Infrastruktur, und mit ihren Tochtergesellschaften Arriva und Schenker. Doch selbst das ist vorbei, Arriva gilt inzwischen als Sanierungsfall.

Personenverkehr: Rote Zahlen statt Cash

Der Fernverkehr war bislang Zugpferd der Bahn. Die Pandemie ist eine Vollbremsung mit Langfristschaden. Die Bahn schickt selbst im Lockdown 80 Prozent ihrer ICEs und ICs auf die Strecke. Wenige Verbindungen werden ganz eingestellt, manche Züge nur gekürzt.

Der Umsatz ist weg, nicht aber die Kosten. Das schlägt auf das Ergebnis durch. Schon im ersten Halbjahr machte der Fernverkehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum statt 224 Millionen Euro Gewinn 720 Millionen Euro Verlust. Nach den internen Planungen wird er bis 2022 mehr als zwei Milliarden Euro verbrennen.

Der Plan beruht aber noch auf der optimistischen Annahme, dass es 2022 eine Rückkehr zur Normalität geben wird. Der Glaube daran schwindet selbst im Bahn-Vorstand.

Parallel wird in diesem Bereich so viel investiert wie nie. Das Investitionsprogramm verschlingt fast zehn Milliarden Euro. Umgerechnet muss die Tochter DB Fernverkehr aus eigener Kraft jedes Jahr rund 1,3 Milliarden Euro stemmen. Vorerst wird sie das nur über höhere Schulden können.

Der Regionalverkehr ist dagegen hochsubventioniert durch Bund und Länder. Auch wurde ein erstes Corona-Hilfspaket geschnürt. Bedenklich ist aber, dass der Staatskonzern gegen die Konkurrenz verliert. Wettbewerber fahren 30 Prozent aller Nahverkehrsleistungen. DB Regio konnte bisher zwar den Umsatz bei 8,8 Milliarden Euro halten, der Gewinn (Ebit) hat sich allerdings in nur fünf Jahren halbiert.

Güterverkehr: Kostgänger Cargo

Das ewige Sorgenkind der Deutschen Bahn ist der Güterverkehr. Der Einzelwagenverkehr verschlingt viel Geld, traditionelle Transporte wie Kohle und Erz brechen weg. DB Cargo hat an die 30.000 alte Güterwaggons ausrangiert, die nicht mehr gebraucht werden. Das Neubauprogramm kostet Millionen, allein 100 neue Elektroloks sind bestellt.

Mehrere Anläufe, die Güterbahn zu sanieren, sind fehlgeschlagen. Laut den internen Plänen ist der Vorstand schon froh, wenn 700 Millionen Euro Verlust pro Jahr derzeit nicht überschritten werden. Schwarze Zahlen werden erst gegen Mitte der 2020er-Jahre erwartet. Vorerst bleibt es dabei: DB Cargo muss von anderen Bahn-Sparten quersubventioniert werden.

Sanierungsfall Arriva

Die größte Last ist wohl die Auslandstochter Arriva. Die Bahn hatte das britische Unternehmen 2009 für drei Milliarden Euro gekauft und seitdem mit viel Geld zu einem der führenden Betreiber von Bus- und Eisenbahnlinien in ganz Europa ausgebaut. Das Investment hat sich nach Berechnungen des Wissenschaftlers Böttger nie ausgezahlt. Die Kapitalrendite dümpelte zuletzt um ein Prozent herum.

Bahn-Chef Lutz bezeichnete Arriva früher als „schöne Tochter“. Doch Arriva ist eher eine hässliche Ente. Die operative Rendite liegt bei fünf Prozent, ständig werden Abschreibungen und Wertberichtigungen fällig. Vor einem Jahr platzte der größte Auftrag in der Firmengeschichte, ein Geschäft über anfangs zehn Milliarden Euro zum Betrieb des Northern-Rail-Bahnnetzes in England. 1,4 Milliarden Euro Sonderabschreibungen wurden fällig.

Dabei sollte Arriva schon längst verkauft sein. Es fanden sich aber keine Interessenten, die bereit waren, den erhofften Kaufpreis von bis zu 3,5 Milliarden Euro zu zahlen. In den Arriva-Bilanzen tauchten überraschend Altlasten auf.

Verkaufskandidat Schenker?

Ausgerechnet der Außenseiter im Bahn-Konzern, die Logistiktochter Schenker, präsentiert sich im Corona-Jahr 2020 als ein Hoffnungsträger. Die Geschäfte laufen gut. Schenker habe ein Rekordjahr hingelegt, heißt es im Umfeld des Unternehmens, vor allem weil die profitable Luftfracht boomte.

Die Logistikfirma, mit 17 Milliarden Euro Umsatz einer der Branchenführer in Europa, hat sogar ordentlich abgeliefert: allein 2018 und 2019 gut 300 Millionen Euro Dividende. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage an die Regierung hervor. Böttger hat die Kapitalrenditen analysiert. Sie liegen seit einem Jahrzehnt fast immer im zweistelligen Bereich, erreichten 2018 sogar knapp 20 Prozent.

„Eine Möglichkeit, Geld für die Sanierung zu beschaffen, wäre der Verkauf von Schenker“, sagt der Experte: „Diese Sparte erzielt derzeit einen ordentlichen Gewinn, hat wenig Synergien mit anderen Geschäften des Konzerns und wäre in der aktuellen Marktlage gut verkaufbar.“ Die Synergien betragen tatsächlich nur zwei Prozent des Umsatzes.

Verglichen mit anderen Logistikunternehmen wie der börsennotierten Kühne + Nagel könnte der Verkaufserlös derzeit bei gut 15 Milliarden Euro liegen. Doch selbst das würde die prekäre Kassenlage des Staatskonzerns nur bedingt entlasten.

Denn die Bahn steuert auf eine Nettoverschuldung von 35 Milliarden Euro zu. Vor allem dann, wenn die versprochene Eigenkapitalhilfe des Bundes über fünf Milliarden Euro nicht kommen sollte, weil sich die Bahn nicht auf die Bedingungen der EU einlassen will.

Der Zeitpunkt für eine Trennung von Schenker wäre ideal. Logistikfirmen sind weltweit im Fokus der Investoren. Sowohl Kühne + Nagel, etwa gleich groß wie Schenker, als auch die kleinere dänische DSV Panalpina werden aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von stolzen 26 bewertet.

Doch eine Trennung von Schenker haben Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bahn bislang immer strikt abgelehnt. Ziehen allerdings die Grünen demnächst ins Verkehrsministerium ein, könnte der Logistikkonzern auf die Verkaufsliste kommen.