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Vertagte Aufholjagd: Konzernbilanzen machen wenig Hoffnung für 2021

Am Aktienmarkt steigen die Kurse, doch Analysten erwarten schlechte Quartalszahlen und kappen Gewinnerwartungen – die Erholung kommt nur langsam.

Das Geschäft der deutschen Wirtschaft zieht an. Aber die Aussichten sind gemischt. Foto: dpa
Das Geschäft der deutschen Wirtschaft zieht an. Aber die Aussichten sind gemischt. Foto: dpa

Die Unternehmen starten nach dem Wiederhochfahren der Wirtschaft durch. Das zumindest signalisieren die rasant gestiegenen Aktienkurse. Mit knapp 13.000 Punkten ist der Dax nur noch sieben Prozent von seinem Rekordniveau aus Vor-Corona-Zeiten entfernt.

Die ersten Berichte von Dax-Konzernen zum zweiten Quartal passen wenig zu dieser Euphorie: Der Spezialchemiekonzern Covestro bilanzierte einen Nettoverlust von 32 Millionen Euro, der weltgrößte Chemiehersteller BASF von 878 Millionen und der Autobauer Daimler sogar von 1,9 Milliarden Euro. Nachdem in den ersten drei Monaten die Gewinne der 30 Dax-Konzerne um ein Viertel eingebrochen sind, dürften sie nach Prognosen von Analysten im zweiten Quartal um über 50 Prozent einbrechen.

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Besserung ist nicht in Sicht. „Wir rechnen mit einem sehr schwierigen dritten Quartal“, warnte Continental-Chef Elmar Degenhart und fügte mit Blick auf die gesamte Autoindustrie hinzu: „Wir erreichen frühestens nach 2025 wieder das Niveau von 2017.“ Damals war die globale Autoproduktion auf einen Höchststand gestiegen.

Ökonomen teilen die Sorgen. Nach einer Befragung des arbeitgebernahen IW-Instituts unter 31 Wirtschaftsverbänden gehen viele Firmen davon aus, dass sie den gerade erlittenen Einbruch im ersten Halbjahr nicht im nächsten Jahr, sondern erst 2022 wieder aufholen. Analysten reagieren bereits: Für 25 der 30 Dax-Konzerne senkten sie in den vergangenen drei Monaten ihre Gewinnschätzungen für das kommende Jahr.

Der Tenor der Analysten lautet: An eine Rückkehr zur Normalität ist zumindest im nächsten Jahr nicht zu denken. Im Wochenrhythmus korrigieren sie derzeit ihre Gewinnschätzungen für 2021 nach unten. So konnten Aktionäre von BASF noch vor einem Jahr davon ausgehen, dass der Ludwigshafener Dax-Konzern 5,43 Euro pro Aktie netto verdienen wird. Jetzt liegen die Schätzungen bei 3,48 Euro.

Für das gesamte Unternehmen wären das 3,2 anstatt ursprünglich erwarteter fünf Milliarden Euro. Covestro hatten die Analysten vor einem Jahr mit einem Nettogewinn von über 800 Millionen Euro veranschlagt, aktuell sind es noch 275 Millionen Euro.

Auffällig ist, dass die Analysten die Gewinnerwartungen immer weiter senken und sich die erwarteten Abschläge durch alle Branchen ziehen. Für den Sportartikelhersteller Adidas reduzierten sie ihre Schätzungen um 31 Prozent, für Daimler um 53, für den Konsumgüter- und Klebstoffkonzern Henkel um 20 und für den Technologiekonzern Siemens um 29 Prozent.

Ebenso wie die Analysten gehen auch Ökonomen und Branchenverbände davon aus, dass die Unternehmen nach dem Wiederhochfahren der Produktion noch lange nicht über den Berg sind. An eine Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten ist zumindest im nächsten Jahr nicht zu denken. „Als es Deutschland gut ging, hatte man immer das Gefühl, die Stimmung ist schlechter als die Lage“, meint der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, „doch derzeit hat man das Gefühl, die Stimmung ist besser als die Lage.“

Nach der IW-Erhebung unter 31 Wirtschaftsverbänden befürchtet die Industrie, darunter Auto-, Luft- und Raumfahrtunternehmen, aber auch Dienstleister wie etwa das Hotel- und Gaststättengewerbe, besonders drastische mittelfristige Corona-Folgen. „Das Produktionspotenzial dürfte“, so schreiben die Autoren, „auch im Jahr 2021 vielfach deutlich unterausgelastet bleiben.“

Für die Unternehmen stelle die Pandemie eine doppelte Belastung dar: Zum einen werden die Produktionsprozesse infolge fehlender Zulieferungen und fehlender Mitarbeiter blockiert. Zum anderen fallen sowohl im Inland wie auch im Ausland die Kunden aus. Anders als in früheren Krisen können starke Absatzmärkte die Schwächen in anderen Regionen nicht ausgleichen.

Hinzu kommen Gefahren aus der weltweit größten Volkswirtschaft, dem wichtigsten Absatzmarkt für die deutschen Unternehmen. Mit den steigenden Neuinfektionszahlen in den USA, die vor allem die drei bevölkerungsreichsten Bundesstaaten Kalifornien, Texas und Florida betreffen, nimmt das Risiko zu, dass die gerade begonnene wirtschaftliche Erholung wieder an Tempo verliert.

Für weite Teile der Industrie dürfte der Weg aus der Coronakrise beschwerlich werden. Darauf deuten auch zwei Umfragen der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie in den Bundesländern Bayern und Hessen hin. Demnach ist die Produktion in jeweils der Hälfte der Betriebe nach wie vor stark eingeschränkt – und ebenfalls etwa die Hälfte der Beschäftigten dieses wichtigen Industriezweigs, zu dem Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie und der Maschinenbau gehören, befindet sich in Kurzarbeit.

„Wer denkt, die Coronakrise sei mit den Lockerungen in unserem Alltag vorbei, irrt sich gewaltig“, sagte Wolf Matthias Mang, Vorstandsvorsitzender des Arbeitgeberverbands Hessenmetall. Seine Branche befinde sich weiter in der Rezession und in einem Strukturwandel der Digitalisierung und Dekarbonisierung. Eine Rückkehr zur Normalität sei für viele Unternehmen „noch lange nicht absehbar“, so Mang. Zumal im zweiten Quartal tiefe Einschläge zu erwarten sind.

Die aktuelle Lage: Quartalszahlen

„Das Geschäft ist zurück auf dem Weg in die Normalität“, frohlockte Deutsche-Post-Chef Frank Appel nach Vorlage der Bilanz zum zweiten Quartal. Im Frühjahr hatte der Konzern seinen Ausblick wegen der Marktunsicherheit kassiert. Jetzt rechnet er mit einem operativen Jahresgewinn zwischen 3,5 und 3,8 Milliarden Euro.

Solche Meldungen feiert die Börse gerne mit Kursgewinnen. Geht es nach den Aktienmärkten, die Entwicklungen der Realwirtschaft üblicherweise um zwei bis drei Quartale vorwegnehmen, steht einer Erholung von Konjunktur und Unternehmen nichts im Weg. An der Wall Street eilt die Technologiebörse Nasdaq von Rekord zu Rekord, und in Deutschland rückt der Dax dem Allzeithoch immer näher. Mit Spannung warten Aktionäre deshalb auf die Ergebnisse zum zweiten Quartal und zum ersten Halbjahr.

Doch der Blick in die reale Welt macht wenig Hoffnung, dass Meldungen wie die der Post zur Regel werden. Bis Anfang März lief die Weltwirtschaft normal, erst dann wirkten sich die Produktionsbeschränkungen und das Herunterfahren weiter Teile der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens auf Konjunktur und Unternehmen aus. Der Tiefpunkt war im April, doch auch im Mai ging es kaum aufwärts.

Besonders stark betroffen sind die vielen exportstarken deutschen Industriefirmen mit ihren weitverzweigten Lieferketten. Damit ist der Dax reich gesegnet: Konzerne wie BASF, Heidelberg Cement, Siemens und vor allem die die drei Autobauer BMW, Daimler und Volkswagen sind auf Nachfrage und starke Auslandsmärkte angewiesen – all das gibt es seit Ausbruch der Coronakrise nicht mehr. Doch was kommt danach, also nach dem zweiten Quartal, mutmaßlich der schlechtesten Drei-Monats-Periode in diesem Jahr?

Die Perspektiven: Prognosen für 2020

„Noch wichtiger werden die Ausblicke der Unternehmen sein“, sagt Chefvolkswirt Carsten Klude von der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Aufgrund der Coronakrise haben so viele Unternehmen wie noch nie ihre Jahresprognose gestrichen. Aktionäre tappen deshalb im Dunkeln, wie viel Gewinne künftig erwirtschaftet werden.

Allein die 30 Dax-Unternehmen veröffentlichten im zweiten Quartal 46 Ad-hoc-Mitteilungen – nach 24 in den ersten drei Monaten. Jedes dritte Unternehmen korrigierte nach Berechnungen der EQS Group, eines auf Unternehmenskommunikation für die Finanzmärkte spezialisierten Dienstleisters, seine Gewinnerwartungen nach unten oder zog sie ganz zurück. Im ersten Quartal waren es bereits sieben Unternehmen. Damit hat mehr als die Hälfte der Konzerne eine Warnung herausgegeben.

So, wie der BASF-Konzern seine Prognose einkassierte und keine neue fürs Gesamtjahr herausgab, haben es viele Unternehmen gemacht. BMW in der Autobranche oder die Lufthansa in der Transport- und Logistikbranche strichen ihre Ertragsvorhersage zusammen – und trauten sich an keine neue. Der weltgrößte Autobauer Volkswagen hält es für nicht absehbar, wann eine neue Prognose möglich ist. Die durch die Pandemie hervorgerufenen Auswirkungen auf die Kundennachfrage, Lieferketten und die Produktion seien aktuell nicht verlässlich einschätzbar.

Zu den frühzeitigen Mahnern zählt Daimler. Die Stuttgarter schockierten Anleger gleich mit drei Gewinnwarnungen. Vor allem deshalb hat der Autobauer im zweiten Quartal trotz des Milliardenverlusts nicht ganz so schlecht abgeschnitten wie von vielen Anteilseignern befürchtet.

Dies und eine von Daimler unter viele Vorbehalte gestellte Prognose, wonach das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) in diesem Jahr positiv sein könnte, ließen den Kurs kräftig steigen. Die Aktie legte auf mehr als 41 Euro zu. So viel wurde für Daimler zuletzt im Februar bezahlt – einer Zeit, in der Corona außerhalb Asiens noch keinen Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft und Finanzmärkte hatte.

Doch schon kurz nach dieser von den Börsen gefeierten Mitteilung wandte sich Vorstandschef Ola Källenius an seine Belegschaft, um die Zahlen einzuordnen. „Vor allem sind es harte Kostenmaßnahmen und unser effektives Cashflow-Management, die Wirkung zeigen“, schrieb er und warnte davor, in den Normalmodus zurückzukehren. Er mahnte weitere Anstrengungen wie Kostensenkungen und Kapazitätsanpassungen an. Nur so lassen sich Produktions- und vor allem Absatzrückgänge zumindest zu einem Teil auffangen. Eine nachfragegetriebene Erholung sieht anders aus.

Der Zulieferer Continental sieht weiterhin ein bedrohliches Umfeld für die Industrie. Zwar deuteten steigende Bauzahlen für Autos auf einen höheren Umsatz als im zweiten Quartal hin, so Vorstandschef Degenhart. „Aber er wird deutlich unter dem im dritten Quartal 2019 liegen.“

Zwischen April und Juni sanken bei Continental die Umsätze um knapp 40 Prozent. Der Verlust dürfte auf mehr als eine halbe Milliarde Euro gestiegen sein. Genaue Zahlen legt der Dax-Konzern am 5. August vor. Binnen drei Monaten flossen knapp 1,8 Milliarden Euro an Finanzmitteln (Free Cashflow) ab. Der Konzern hat seine Kreditlinien um drei Milliarden Euro erweitert und drei Anleihen über zusammen 2,1 Milliarden platziert. Dadurch sieht sich Continental ausreichend finanziert.

Das ist auch nötig, denn aufgrund der schwachen Nachfrage erwägt der Zulieferer, in einigen Standorten den gerade wieder aufgenommenen Betrieb vorübergehend wieder einzustellen. Der Standort im spanischen Rubí soll dauerhaft geschlossen werden. Betroffen sind rund 740 Beschäftigte, die dort unter anderem Anzeige- und Bediensysteme hergestellt haben. In Nogales in Mexiko soll die Fertigung von Technik für die Vernetzung und Kommunikation von Autos bis Mitte 2024 auslaufen.

Im zweiten Quartal sind die Geschäfte in der gesamten Branche nach Angaben von Degenhart so stark eingebrochen wie noch nie seit dem Kriegsende vor 75 Jahren. Seit Mai gehe es zwar wieder leicht aufwärts, doch liege der Umsatz weiter deutlich unter dem Vorjahresniveau. Nach einer Rückkehr zur Normalität schon im Jahr 2021 sieht das wie bei vielen anderen nicht aus.

Innerhalb von drei Monaten flossen bei dem Konzern knapp 1,8 Milliarden Euro an Finanzmitteln (Free Cashflow) ab. Continental hat seine Kreditlinien um drei Milliarden Euro erweitert und insgesamt drei Anleihen über zusammen 2,1 Milliarden Euro platziert. Dadurch sieht sich der Dax-Konzern ausreichend finanziert. Foto: dpa
Innerhalb von drei Monaten flossen bei dem Konzern knapp 1,8 Milliarden Euro an Finanzmitteln (Free Cashflow) ab. Continental hat seine Kreditlinien um drei Milliarden Euro erweitert und insgesamt drei Anleihen über zusammen 2,1 Milliarden Euro platziert. Dadurch sieht sich der Dax-Konzern ausreichend finanziert. Foto: dpa
Der Kunststoffspezialist leidet unter niedrigen Weltmarktpreisen. Grund dafür ist die geringe Nachfrage vor allem aus der Auto-, aber auch der Holz verarbeitenden und Möbelindustrie. Unter dem Strich stand im zweiten Quartal bei dem Dax-Konzern ein Verlust von 32 Millionen Euro. Foto: dpa
Der Kunststoffspezialist leidet unter niedrigen Weltmarktpreisen. Grund dafür ist die geringe Nachfrage vor allem aus der Auto-, aber auch der Holz verarbeitenden und Möbelindustrie. Unter dem Strich stand im zweiten Quartal bei dem Dax-Konzern ein Verlust von 32 Millionen Euro. Foto: dpa