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Versicherung für Urlauber: Politik soll für mögliche Pleite von Thomas Cook vorsorgen

Der Brexit wird für den Reisekonzern zur existenziellen Bedrohung. Die Grünen-Fraktion fordert vom Bundestag Vorkehrungen gegen eine mögliche Pleite.

Die Sorge um den schwankenden Reisekonzern Thomas Cook aktiviert den Deutschen Bundestag. Wie das Handelsblatt vorab erfuhr, wird die Fraktion der Grünen noch diese Woche im Parlament dazu vorsorglich einen Antrag einreichen.

Das von Tourismus-Obmann Markus Tressel und Grünen-Verbraucherschützerin Renate Künast formulierte Papier fordert, dass Urlaubsanzahlungen auch im Fall einer Mega-Pleite in der Reisebranche vollständig versichert sein sollten. Bislang haften die Assekuranzen nur bis zu einem Gesamtschaden von 110 Millionen Euro.

Explizit nennt die Fraktion der Grünen den Firmennamen Thomas Cook in ihrem Antrag nicht. Wer mit dem „europaweit aufgestellten Tourismusunternehmen“ gemeint ist, das laut Bundestagsantrag insbesondere durch den Brexit in zusätzliche Schwierigkeiten geraten könnte, steht aber außer Zweifel. Neben dem solide aufgestellten Weltmarktführer Tui trifft diese Beschreibung allein auf einen zweiten Reiseveranstalter zu: Thomas Cook.
Zudem warnte schon vor einem Monat die Ratingagentur Standard & Poor‘s (S & P) fast wortgleich vor einer Gefährdung des Mutterkonzerns von Neckermann, Öger und Condor, „falls es zu einem harten oder schwierigen Brexit kommt“.

Der von einem Londoner Vorort aus gesteuerte Reisekonzern gilt selbst ohne die Volten der britischen Regierung als als finanziell bedroht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr verlor er bei 9,6 Milliarden Pfund (11,2 Milliarden Euro) Umsatz unterm Strich 163 Millionen Pfund.

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Um 208 Millionen Pfund gingen die liquiden Mittel zurück, der Schuldenberg wuchs von 40 auf 389 Millionen Pfund. Nach dem üblicherweise ertragsschwachen Winterquartal häuften sich die Nettoschulden sogar auf 1,6 Milliarden Pfund. Damit bräuchten die Briten fünf Jahre, um mit ihrem letztjährigen Betriebsergebnis (Ebitda) die Außenstände auszugleichen, falls sie es allein für die Schuldentilgung ausgäben.

Kommt es zu einem Zahlungsausfall des nach Tui zweitgrößten Reisekonzerns der Welt, geraten auch viele Urlauber aus Deutschland in eine missliche Lage. Zwar sind Pauschalreisen nach dem Willen der EU vor Insolvenzausfällen versichert. Die Bundesregierung aber beschränkte die Gesamtsumme je Assekuranz auf 110 Millionen Euro, da sie ansonsten übermäßige Prämien fürchtete.

Ein Ausfall von Thomas Cook wäre damit bei weitem nicht abgesichert. Zum jüngsten Bilanzstichtag wies der Konzern Kundenanzahlungen von 1,39 Milliarden Pfund in seinem Geschäftsbericht aus. Gut ein Drittel davon dürfte auf das Konto deutscher Urlauber und Flugkunden gehen.

Geschäftsjahr ist enttäuschend gestartet

In der Londoner Zentrale weist man Spekulationen über drohende Finanzengpässen zurück. „Ein Bankentest zum 31. Dezember hat ergeben, dass wir unsere Kreditbedingungen eingehalten haben“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. „Auch über den ertragsschwachen Winter hinweg besitzt die Gruppe einen finanziellen Spielraum von 150 bis 200 Millionen Pfund.“

Zudem gebe es strategische Überlegungen über den Verkauf des Airline-Geschäfts. Die möglichen Einnahmen könnten künftig in das übrige Geschäft fließen.

Den Optimismus mag die Ratingagentur S & P nicht im vollen Umfang teilen. Zwar handelte Konzernchef Peter Fankhauser im vergangenen Jahr Erleichterungen bei den Kreditbedingungen („Covenants“) aus – üblicherweise versprochene Mindesterträge und Verschuldungsobergrenzen, die eingehalten werden müssen, damit die Bank den Firmenkredit nicht umgehend fällig stellt. Das Entgegenkommen gilt aber nur für das erste Geschäftshalbjahr 2018/19, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, nicht für das zweite.

Für das Management könnte es daher eng werden. Denn das laufende Geschäftsjahr startete Thomas Cook enttäuschend. Das schwache Wintergeschäft, ein Überangebot von Übernachtungen in Spanien und der hohe Wettbewerb auf dem britischen Markt ließen nicht nur die Preise purzeln.

Statt 34 Prozent wie im Vorjahr verkaufte Thomas Cook im ersten Quartal nur 30 Prozent seines Sommerprogramms. Und das, obwohl der Konzern die eingekauften Kontingente zuvor schon drastisch reduziert hatte. Das angegriffene Eigenkapital, das zum Geschäftsjahresende nur noch 4,4 Prozent der Bilanzsumme deckte, erhielt durch den operativen Quartalsverlust von 60 Millionen Pfund einen weiteren Dämpfer.

„Wir glauben, dass der Kreditrahmen nahezu ausgeschöpft ist“, heißt es dazu bei S & P. „Damit dürfte der finanzielle Spielraum im zweiten Quartal sehr eng werden.“ Entsprechend stufte die Ratingagentur die Bonität des Reisekonzerns Ende Februar von „B+“ auf „B“ zurück, woraus sich indirekt die Insolvenzwahrscheinlichkeit ableiten lässt: Zehn Prozent der Unternehmen, die vor zwei Jahren eine solche Bewertung erhielten, erlitten bis heute einen Zahlungsausfall.

Fraglich scheint zudem, ob ein Verkauf des Airline-Geschäfts inklusive der Marke Condor die Situation für Thomas Cook verbessern würde. Zwar sollen dazu laut Agenturberichten bereits Credit Suisse, Morgan Stanley und Merrill Lynch eingeschaltet worden sein, um mögliche Käufer für das Fluggeschäft zu identifizieren. An ein nachhaltiges Gewinnwachstum durch den Verkauf aber glauben etwa die Analysten von UBS nicht.

Dazu müssten die Verkaufserlöse bei einer Milliarde Pfund liegen, rechnen sie vor. Schließlich steuerten die Flieger rund die Hälfte zum Betriebsergebnis bei. Am Ende aber werde sich Thomas Cook wohl mit einem Preis von höchstens 600 Millionen Pfund begnügen müssen, warnen die Analysten.

Auch die Aktionäre verlieren zunehmend den Glauben an den britischen Reisegiganten. Nach einem drastischen Kurssturz bewertet ihn die Börse nur noch mit 564 Millionen Euro. Angesichts des ausgewiesenen Eigenkapitals von 341 Millionen Euro bedeutet das: Würde das komplette Geschäft eingestellt und jede Schraube einzeln verkauft, erhielten die Anteilseigner am Ende kaum weniger als derzeit für ihre Aktien.