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Verschwendung von Gebührengeldern? Spesen für Dinnerabende und dubiose Beraterverträge bringen ARD-Chefin Patricia Schlesinger in Bedrängnis

RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und ihr Ehemann Gerhard Spörl. - Copyright: picture alliance / Eva Oertwig/SCHROEWIG | Eva Oertwig/SCHROEWIG
RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und ihr Ehemann Gerhard Spörl. - Copyright: picture alliance / Eva Oertwig/SCHROEWIG | Eva Oertwig/SCHROEWIG

Nicht selten lädt ARD-Chefin Patricia Schlesinger Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur in ihre Berliner Privatwohnung ein. Ein lokaler Feinkost- und Catering-Service tischt dann "kleine raffinierte Gabel- und Löffelhäppchen" oder ganze Menüs auf. Das kulinarische Vergnügen in den eigenen vier Wänden gehört offenbar zum Job einer Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Denn wie aus Rechnungen des Dienstleisters hervorgeht, übernahm der Beitragszahler die Kosten.

Das exklusive Dinner-Format bietet aber nicht nur Anlass für eine Diskussion über den Umgang mit öffentlichen Geldern. Vorliegende Akten erwecken vielmehr den Eindruck, dass die Abendessen nicht ordentlich abgerechnet wurden. Laut Dokumenten, die Business Insider vorliegen, veränderte der Catering-Service auf Bitten des Senders RBB in mehreren Fällen Rechnungen, bevor sie bei der Intendanz eingingen. Im Vergleich zu den ursprünglichen Angeboten reduzierte der Dienstleister auf den späteren Rechnungen die Anzahl der bewirteten Personen. Die Gesamtsummen, die der RBB bezahlte, blieben dagegen unverändert.

Als Business Insider den Catering Service anrief, um ihn mit den Ergebnissen der Recherche zu konfrontieren, kam es zu einer kuriosen Situation: In einem ersten telefonischen Gespräch wollte die Mitarbeiterin sich nicht äußern. Kurze Zeit später schickte sie eine Mail, in der sie nun behauptete, der Business Insider-Reporter habe sich als RBB-Mitarbeiter ausgegeben und sie angelogen. Obwohl das nicht den Tatsachen entspricht, erhielt Business Insider kurz darauf einen Anruf eines bekannten Medienanwalts, der den RBB presserechtlich vertritt und offenbar ebenfalls die falschen Anschuldigungen der Frau kannte. So merkwürdig wie dieser Vorgang für sich ist, ergeben sich für die Recherche daraus keine neuen Erkenntnisse.

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Sollte mit den veränderten Catering-Rechnungen die Teilnahme des Ehemanns oder anderer Personen und damit der womöglich private Charakter der Abendessen verschleiert werden? Auf Anfrage bestätigt Schlesinger Essen mit "Multiplikatoren", und dass ihr Mann "teilweise" dabei gewesen sei. "Es gab keine Manipulationen", so ein RBB-Sprecher. "Die Zahl der Gäste war ja immer für alle Anwesenden offensichtlich." Für die Anwesenden – aber auch für die Buchhaltung? Eine Prüfung ihrer heimischen Abendessen könnte für Schlesinger noch unangenehm werden, spielt die Medienmanagerin nach Recherchen von Business Insider ohnehin eine der Hauptrollen in einer Compliance-Affäre, die den öffentlich-rechtlichen Sender erfasst hat.

Neben Schlesinger steht der Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, im Blickpunkt. Wolf gehört zu den Top-Netzwerkern dieser Republik, füllt gleich mehrere Funktionen aus, ist unter anderem Immobilienunternehmer. Er veranstaltet exklusive Golf-Turniere, engagiert sich in Sport- und Kulturvereinen, spielt im Hinterzimmer mit Spitzenpolitikern Canasta und lädt Freunde und Geschäftspartner in seine Privatwohnung auf Sylt ein. Auch Schlesinger soll dort mit ihrem Ehemann zu Gast gewesen sein. Die Nähe zwischen der Intendantin und ihrem Chefkontrolleur sei aber ihre Privatsache, "so dass der RBB nicht berechtigt ist, hierauf zu antworten".

Dabei wird die Beziehung der beiden allmählich zur Belastung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Erst kürzlich hat Business Insider enthüllt, wie Wolf, in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe Berlin, dem Ehemann von Schlesinger seit Ende 2020 Aufträge zugespielt hat. Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, kassierte Ex-"Spiegel"-Journalist Gerhard Spörl für Beratungsleistungen und eine Autorentätigkeit insgesamt rund 140.000 Euro an Messe-Geldern. Dabei war Spörl kein Einzelfall: Auch für den Ehemann der Leiterin der RBB-Gremiengeschäftsstelle initiierte Wolf mehrere Aufträge. Während bei der Messe die Vorgänge nach einem Hinweis an den Ombudsmann ein Compliance-Verfahren in Gang gesetzt haben, winkt der RBB in einem Statement ab: Es gebe "keine Veranlassung", sich damit zu beschäftigen.

Die Auftragshilfe von Wolf und die damit verbundenen finanziellen Vorteile für Familienangehörige von Schlesinger und Co. gewinnen angesichts vertraulicher Rundfunk-Akten aber noch an Brisanz. Nach Recherchen von Business Insider hat sich nämlich Schlesinger bei zentralen RBB-Bauprojekten für ein Engagement von gleich drei Beratern engagiert, die in Geschäftsbeziehungen zum RBB-Verwaltungsratschef stehen. Gemeinsam mit Immobilienunternehmer Wolf sind die drei Experten in Schlüsselfunktionen für ein privates Hochhausprojekt am Berliner Alexanderplatz tätig. Hat die RBB-Intendantin bei der Beauftragung der Geschäftspartner von Wolf dessen Interessen vertreten?

Auf Anfrage bestätigt Wolf seine "Steuerungsfunktion" bei dem Hochhausprojekt: "Im Team der Experten arbeiten sachkundige Menschen, darunter auch drei Personen, die für den RBB tätig sind." Diese habe er aber keineswegs an den Sender herangetragen. Mehr sagt Wolf dazu nicht. Ein RBB-Sprecher erklärt weiter, dass der Sender zu den Beratern den Kontakt aufgenommen und sie sich auf Einladung vorgestellt hätten. Die Entscheidung für ein Engagement sei gemeinschaftlich in der Geschäftsleitung getroffen worden. Demnach habe Schlesinger nicht die Interessen von Wolf vertreten. "Wir weisen die Unterstellung, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Projekt von Herrn Spörl und der Beschäftigung (Anm. d. Red., von Beratern) in aller Form zurück", sagt der RBB-Sprecher.

Interne Unterlagen zeigen jedoch, wie sich Schlesinger für die Beauftragung von Beratern aus dem Wolf-Umfeld engagiert hat – und wie eng der Verwaltungsratschef darin eingebunden war. Rückblick: Im November 2018 wurde bekannt, dass der öffentlich-rechtliche Sender auf seinem Grundstück in Berlin-Charlottenburg ein neues Digitales Medienhaus (DMH) bauen will. "Wir reden hier nicht von einer preisverdächtigen Architektur zu Repräsentationszwecken, und wir planen auch keinen Newsroom mit Bällebad und Hipster-Flair", sagte RBB-Intendantin Schlesinger angesichts der klammen Rundfunk-Kassen damals. Geplant sei "ein reiner Funktionsbau". Von dieser Bescheidenheit war zwei Jahre später nicht mehr viel übrig. In internen Präsentationen heißt es, dass der 100-Millionen-Euro-plus-X-Bau eine "hohe Aufenthaltsqualität" und ein "repräsentatives Erscheinungsbild" haben soll. Zuvor, im August 2020, hatte der RBB in einem mehrmonatigen Wettbewerb bereits den Entwurf des Architekturbüros Baumschlager Eberle ausgewählt. Auf einem veröffentlichten Foto der Preisjury steht Schlesinger neben Wolf – dahinter der "RBB-Berater" Stefan L. (Name geändert).

Der Schnappschuss offenbart, dass der externe Fachmann bereits seit 2019 für den RBB an dem geplanten Bauprojekt arbeitet – zunächst ohne Ausschreibung. Mitte 2020 startete der Sender dann ein Vergabeverfahren für eine Beratungsleistung "Immobilienentwicklung". Nach Informationen von Business Insider nahmen mehrere Bieter teil – darunter die Beratungsgesellschaft PwC und L. Nur stellte sich intern schnell heraus, dass der favorisierte Kandidat das teuerste Angebot abgegeben hatte. Dem Vernehmen nach verlangte L. rund 250 Euro pro Stunde. Kurz darauf wurde das Verfahren abgebrochen. Offizieller Grund: Die Leistungsanforderung habe sich geändert. Wie mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen sagen, sei dies aber nur vorgeschoben gewesen. Auf Anfrage bleibt ein RBB-Sprecher dabei: "Die Vergabestelle des RBB hat das komplette Vergabeverfahren rechtmäßig aufgehoben, weil kein Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entsprach. Zudem gab es eine vergaberechtlich zulässige neue Bewertung des Beschaffungsbedarfs."

Business Insider erfuhr: Nach der verunglückten Ausschreibung erörterte die RBB-Spitze im Herbst 2020, wie L. nun weiter beauftragt werden könnte. Als Ansprechpartner des Beraters fungierten nach Aussage mehrerer Beteiligter Wolf und Schlesinger. Wenig später erhielt L. dann einen Beratervertrag von der Tochterfirma RBB Media GmbH, bei der Schlesingers rechte Hand in der Geschäftsführung sitzt und Wolf Aufsichtsratsvorsitzender ist. Dazu sagt der RBB: "Die Geschäftsleitung der RBB Media hat Herrn L. bei einem Termin zur Campusentwicklung getroffen. Daran anschließend gab es auch von Seiten der RBB Media für ein Bauprojekt eine Zusammenarbeit mit ihm." Noch einen weiteren Beraterauftrag zum Tagessatz von rund 2000 Euro erhielt L. dann Ende 2021 über eine Hamburger Firma. Laut RBB hat die Intendanz "den gesamten Verwaltungsrat über alle relevanten Verträge kontinuierlich informiert". Über Verträge mit L. wurde dagegen offenbar nur Wolf informiert. "Ich weiß von diesem Berater gar nichts", sagt ein Mitglied des Verwaltungsrats.

Weit mehr als drei Millionen Euro sieht der RBB für Beratungsleistungen für das neue Digitale Medienhaus vor. Einen großen Teil davon kassieren L. und seine beiden Kollegen, die seit Jahren mit dem RBB-Verwaltungsratschef in einer Geschäftsbeziehung stehen. "Meine geschäftlichen Aktivitäten sind strikt von meinen Ehrenämtern getrennt", sagt Wolf. Dass der Immobilienunternehmer aber manchmal Schwierigkeiten hat, Verquickungen seiner vielen verschiedenen Rollen zu vermeiden, zeigt die Teilnahme an einem Termin im Oktober 2021.

Damals suchte der RBB aufgrund des fortschreitenden Neubauprojekts und des damit verbundenen Platzmangels ein temporäres Ausweichquartier für das Deutsche Symphonieorchester. Nach monatelangen Auswahlverfahren blieben zwei Optionen übrig: Ein Güterbahnhof im Berliner Westen oder das stillgelegte Internationale Congress Centrum (ICC) der Messe Berlin. Nach Informationen von Business Insider trafen sich am 12. Oktober 2021 RBB-Intendantin Schlesinger, Messe-Chef Martin Ecknig und Wolf. Ob Wolf an diesem Tag als Messe-Aufsichtsratschef oder als RBB-Verwaltungsratschef, ist unklar. Auf Anfrage behauptet ein RBB-Sprecher, dass es sich bei dem Termin am 12. Oktober 2021 lediglich um ein einstündiges "Kennenlerngespräch" gehandelt habe. Die Antwort irritiert. Zum einen, weil sich Schlesinger und Ecknig schon viel früher trafen. Zum anderen geht aus internen Akten hervor, dass das Trio an diesem Herbsttag gemeinsam die finanziellen Bedingungen eines millionenschweren Mietvertrags besprachen.

Laut RBB-Sprecher hat sich der Sender für das ICC entschieden, weil es räumlich und logistisch geeignet war und die wirtschaftlichste Variante gewesen sei. Angeblich wäre es "225.000 Euro günstiger als der Gütebahnhof". In internen Akten heißt es dagegen, dass eine Anmietung des ICC unter Berücksichtigung aller Aspekte fast 300.000 Euro teurer sei. Dennoch unterzeichneten die Messe Berlin und die Rundfunk-Orchester und Chöre gGmbH Berlin (ROC) kurz darauf einen langjährigen Mietvertrag. Dabei verhandelte Wolf auf beiden Seiten – augenscheinlich ein Interessenkonflikt. Denn wie kann ein Aufsichtsorgan Entscheidungen der Geschäftsführung beziehungsweise Intendanz objektiv bewerten, wenn er an eben diesen Entscheidungen selbst beteiligt war?

Für Intendantin Schlesinger war der gute Draht zum Verwaltungsratsvorsitzenden bislang jedenfalls kein Nachteil. Vor Kurzem wurde bekannt, dass das Gremium ihr Grundgehalt um 16 Prozent auf 303.000 Euro erhöht hat. Kein anderer Intendant der Republik konnte ein derart starkes Lohnplus verzeichnen. Wie hoch der Bonus von Schlesinger dagegen ausfällt, wissen nur ganz wenige und wird von nur einer Person entschieden: Wolf-Dieter Wolf.