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Unsichtbare Revolution: Die Vernetzung des Autos

Im Bereich der Konnektivität konkurrieren die deutschen Autobauer mit Firmen, die kompetenter und größer sind als sie. Sie sind auf Kooperationen angewiesen.

In der Automobilwelt findet gerade neben der Elektromobilität und dem autonomen Fahren eine dritte fast unsichtbare Revolution statt: die Vernetzung. Schon jetzt kommunizieren moderne Fahrzeuge mit dem Smartphone, spielen Musik aus dem Internet und finden selbstständig Parkplätze. Es ist der Anfang einer Entwicklung, die das Auto zu einem ganzheitlichen mit der Umwelt und dem Menschen vernetzten Mobilitätsprodukt verwandelt wird.

Autoexperten, Digitalisierungsvorstände der Autohersteller und Start-ups haben auf dem Handelsblatt Auto-Gipfel darüber diskutiert, welche Auswirkungen die zunehmende Konnektivität der Fahrzeuge auf die Branche haben wird und warum die deutschen Autohersteller dabei auf Kooperationen angewiesen sind.

Autoexperte Stefan Bratzel vergleicht die Entwicklung mit Albert Einsteins Formel zur Relativitätstheorie E=MC², nur mit anderen Variablen. Die Formel für die Zukunft der Autobranche laute: M=SD², sprich Mobilität ist gleich Software mal Dienstleistung im Quadrat. „Das sind die in Zukunft zentralen Wertschöpfungselemente für die Autoindustrie.“

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Damit formuliert Bratzel eine Herausforderung, in der die tradierten Geschäftsmodelle der Autohersteller gesprengt werden und nur diejenigen überleben werden, die sich völlig neuorganisiert der neuen Formel für den Erfolg anpassen.

Der Gründer des Center of Automotive Management präsentiert Zahlen einer neuen Studie zum Thema Konnektivität, die zeigen, dass die deutschen Autohersteller mit ihren Innovationen zwar mit der Konkurrenz mithalten können. Doch es sind vor allem die neuen Wettbewerber, die mit ungeheurer Geschwindigkeit in den Markt drängen und etablierten Herstellern wie VW, Daimler und BMW Marktanteile streitig machen.

„Ich glaube, dass wir kurz vor einem leisen Urknall stehen, der dazu führen wird, dass die Mobilität neu definiert wird, mit neuen Spielregeln und Geschäftsmodellen“, sagt Bratzel auf der Bühne des Auto-Gipfels. So mache der Connected-Car-Bereich mittlerweile die Hälfte aller Innovationen im Automobilsektor aus.

Die neuen Konkurrenten stellen dabei nicht den Besitz eines Fahrzeugs in den Mittelpunkt, sondern seine Nutzung und Vernetzung. Sie dringen mit einem ganzen Ökosystem von Dienstleistungen in das Mobilitätsfeld ein. Und: Erstmals habe es Bratzel zufolge die Autoindustrie mit Konkurrenten zu tun, die um ein Vielfaches größer sind als sie.

Große Konkurrenten

Einer von ihnen ist Alphabet. Der Softwarekonzern aus dem Silicon Valley hat die Autohersteller mit einem eigenen Betriebssystem für das Auto herausgefordert. Volvos Elektroautomarke Polestar beispielsweise nutzt Android Automotive bereits für seine Fahrzeuge.

Die deutschen Autohersteller hingegen sind gerade erst dabei, Softwarekompetenzen aufzubauen, die nötig sind, um ein solches Betriebssystem auf die Beine zu stellen. Und das ist nicht das einzige Problem: VW, Daimler und BMW müssen eine Software für das Auto entwickeln, die besser ist als die von Google.

Das gelingt nur, wenn die Konzerne bereit sind, sich zu transformieren. Bei Volkswagen ist dafür Falk Bothe zuständig. Der Director Digital Transformation fragt die knapp 150 anwesenden Gäste im Saal, wer mit den Transformationsfortschritten seines Unternehmens zufrieden ist. Das Ergebnis: zwei Meldungen. Bothe kennt den Grund der Unzufriedenheit: Viele Unternehmen investieren zu wenig Zeit in die Transformation.

„Wer acht Stunden in der Woche für die Transformation verwendet, der kann es auch direkt lassen“, sagt der 48-Jährige. „Unternehmen, die sich erfolgreich transformieren, investieren dafür im Schnitt 17,5 Stunden in der Woche.“

In dieser Zeit müssen die Unternehmen ihren Fokus vor allem auf die beteiligten Mitarbeiter legen. Sie gilt es, durch die Transformation mitzunehmen. Denn wer nicht versteht, wohin die Entwicklung führen soll, wird nicht mitziehen. „Wir haben bei VW einen Workshop, in dem unsere Mitarbeiter in 3,5 Stunden erleben können, wie sich die Automobilindustrie in den vergangenen 130 Jahren verändert hat. Danach weiß jeder Teilnehmer, worauf es in der Transformation ankommt“, sagt Bothe.

Marion Weissenberger-Eibl vom Fraunhofer Institut kennt das Spannungsfeld, in dem sich die Autobauer derzeit bewegen. Die Professorin hat untersucht, wie Zukunftsoffenheit und Innovationsmanagement zusammengehen können. „Unternehmen müssen sich im laufenden Geschäftsbetrieb neu erfinden und manchmal gleich mehrere Entwicklungsstufen überspringen“ sagt Weissenberger-Eibl.

Zusammenarbeit ist gefragt

Kooperationen mit Start-ups können dabei hilfreich sein. Allerdings reiche es nicht aus nur in junge Unternehmen zu investieren. „Die Unternehmen müssen sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzen, mit ihnen zusammenarbeiten. Andernfalls mache eine Kooperation keinen Sinn.“

Ein Start-up, das bereits intensiv mit den Autobauern zusammenarbeitet, ist Otonomo. Das Unternehmen aus Israel betreibt eine Datenplattform, die sich auf Auto- und Telematikdaten fokussiert. Otonomo sammelt Fahrzeug- und Mobilitätsdaten und strickt daraus mögliche Servicedienstleistungen, die Autohersteller, die ihre Datensätze zur Verfügung stellen, anbieten können, erklärt Asaf Weisbrot von Otonomo während einer Diskussionsrunde zum Thema Konnektivität.

Solche Kooperationen werden in Zukunft entscheidend für die Autobauer aus Deutschland sein, da auch im fernen Osten die Zahl neuer Wettbewerber rasant wächst. „In den Top Ten im Bereich der Autokonnektivität haben es bereits drei Autobauer aus China geschafft“, sagt Bratzel mit dem Verweis auf seine neue Studie, die im November präsentiert wird. „Die deutsche Autobranche merkt derzeit, dass sie nicht mehr allein ist.“

Den größten Nachholbedarf sieht der Autoexperte im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen. „Mit diesem Thema haben sich zahlreiche Automobilhersteller bislang noch gar nicht beschäftigt“, kritisiert Bratzel. BMW oder Daimler zum Beispiel könnten nicht einmal ansatzweise mit den Angeboten von des US-Fahrtdienstes Uber oder dem chinesischen Didi mithalten.

Verglichen damit, sei die Elektromobilität für die Autobauer noch das kleinste Problem, weil das Geschäftsmodell im Wesentlichen erhalten bleibe. „Beim Thema Konnektivität verbunden mit Mobilitätsdienstleistungen müssen die Autobauer völlig neue Kompetenzen und Kooperationen und eine andere Kultur der Zusammenarbeit aufbauen.“

Für Walter Haas, CTO von Huawei Deutschland, ist es daher logisch, dass Autohersteller und Kommunikationsunternehmen enger zusammenwachsen werden, wenn die Konnektivität in der künftigen Mobilitätswelt eine immer größere Rolle spielen wird.

Dem neue 5G-Mobilfunkstandard wird dabei eine zentrale Rolle zuteil, da mit ultraschnellen Mobilfunkanbindungen autonome Fahrzeuge untereinander aber beispielsweise auch mit intelligenten Ampeln kommunizieren können. Zwei Eigenschaften seien dafür zentral: Eine kurze Latenzzeit und eine breite Mobilfunkabdeckung.

Bratzels Schlussfolgerung lautet daher: „Die Hersteller müssen spezielle Organisationsformen außerhalb ihrer tradierten Strukturen schaffen, damit sie in dieser neuen Welt der Konnektivität gegen die Konkurrenten aus China und den USA bestehen können.“