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„Vergiss den Tanker, kauf Dir eine Ölbohrinsel!“

Dies ist der Bericht von einem, der auszog, auf dem völlig durchgedrehten Erdölmarkt Millionen zu verdienen. Nach langer Suche bringt ein Interviewpartner unseren Autor auf eine geniale Geschäftsidee.

Was bisher geschah: Vor genau drei Monaten war der Ölmarkt völlig aus dem Lot. Wer US-Öl kaufte, bekam zeitweise sogar noch 20 Dollar je Barrel (159-Liter-Fass) obendrauf. Raffinerien und Lager liefen über. Eine Lizenz zum Gelddrucken, die zu einem Gedankenexperiment und einer ersten Recherche führte.

Der Artikel stieß auf viel Resonanz, ich bekam viele Tipps und Hinweise, Interessierte wollten sich beteiligen, auch Leute vom Fach meldeten sich. Ein Leser schrieb mir, er habe sich vor zwei Wochen mit derselben Idee beschäftigt „und bin seitdem dran, einen Tanker zu organisieren. Leider bisher auch nur mit mäßigem Erfolg. Jedoch habe ich noch drei offene Anfragen.“ Sollte ich tatsächlich eine AG gründen, „so möchte ich mich gerne an der Recherche und dem gesamten Projekt beteiligen. Kapitalgeber und generelle Kontakte in die Branche sind vorhanden“, schrieb Philipp D.. Am Ende wurde mir sogar ein Tanker angeboten, in China, für 35 Millionen Dollar.

„Stefan, hast Du einen Kapitän für mich?“

Mir wird klar: Ich brauche einfach mehr Expertise. Und jemanden, der meinen Tanker steuert.

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Ich rufe Stefan Müller von der Frankfurter Investmentboutique DGWA an, ein Ex-Banker mit einem megamäßig dicken Adressbuch, der zu jedem professionellen Thema jemanden kennt, der einen kennt und vielleicht mit einem Dritten zu einem Deal vernetzt werden könnte. Stefan Müller erzählt von den Tankern, die er vor Corona beim Anflug auf Singapur immer vor dem Stadtstaat auf Reede gesehen hat. Barkasse mieten, rausfahren, Tanker kaufen, schlägt er mir vor. Wenn es so einfach wäre. Aber er hat das Thema auch nicht recherchiert.

„Stefan, hast Du nicht einen Kapitän für mich?“ Er enttäuscht mich auch diesmal nicht: „klar“ – und schickt mir eine Handynummer. Ich rufe ihn an. Er redet ausführlich mit mir, macht dann aber per SMS einen Rückzieher. „Das Oel offshore Geschaeft ist sehr verschwiegen und diskret, gerade bei der Entsorgung moechte niemand Aufsehen erregen ... vielleicht erinnern Sie sich noch an den Fall Brent Spar“ schreibt er.

Klar. Brent Spar war die Plattform, die Shell, als sie nicht mehr gebraucht wurde, einfach so in die Nordsee kippen wollte – das mit verhindert zu haben, war eine der Großtaten von Greenpeace.

Seinen Namen will er nicht veröffentlicht sehen, „da wir uns gerade um die Entsorgung einer kontaminierten Plattform beworben haben und ich auf keinen Fall auffallen moechte oder irgendwo im Rampenlicht stehen moechte“. Verstehe ich. So oder so – er ist mein Mann, ich habe meinen Experten gefunden. Also nennen wir ihn Mr X.

Mister X, was haben Sie mit der Seefahrt zu tun?
Ich bin als nautischer Offizier zur See gefahren und habe auch das Kapitänspatent.

Und was machen Sie jetzt?
Ich bin im Ölservicegeschäft, arbeite mit meiner eigenen Firma im Offshore-Bereich. Wir unterstützen Ölförderer dabei, ihre Bohrinseln zu installieren.

Was halten Sie von der Idee, bei einem sehr niedrigen oder sogar negativen Ölpreis einen Tanker zu kaufen, darin ein paar Millionen Liter Öl zu lagern, es jetzt schon zum Fixpreis zu verkaufen und dann später auszuliefern?
Die Tankeridee ist gar nicht so schlecht. Der Tankerindex Baltic Dry VLCC hat sich im Frühjahr verachtfacht, die Frachtraten sind zeitweise explodiert auf 300.000 Dollar pro Tag.

Also kann ich meinen chinesischen Tanker für 35 Millionen Dollar kaufen?
Irgendein Klepper wird Ihnen nichts nutzen. Alte Tanker haben nur eine einfache Bordwand, mit einem solchen Einhüllentanker darf ich zum Beispiel nicht in die Nordsee. Und Sie brauchen eine gute Heizung.

Wozu?
Wenn die Route durch kaltes Wasser führt, wird das Öl ganz dick, dann können Sie das Zeug irgendwann schaufeln.

Wie muss mein Tanker motorisiert sein?
Ich würde einen großen nehmen, einen VLCC. Wenn Sie ihn als Lagerschiff nutzen, haben Sie Zeit. Das heißt, er muss nicht durch den Panamakanal und den Suezkanal passen, dann geht auch ein ganz Großer. 30.000 bis 40.000 PS sollten die Diesel haben, gute Verbrauchswerte. Er muss lange leben und fahren.

Spritverbrauch ist ein Thema?
Das kommt auf Ihre Ansprüche und Ihr Umweltbewusstsein an. Tanker verbrennen auch den letzten Dreck, Öl von schlechtester Qualität.

Was muss ich noch beachten?
Die Geografie. Rotterdam oder Texas als Lieferort, das ist ein Unterschied. Und Sie müssen das Öl erst mal an die Küste bekommen. Lieferort vieler Ölkontrakte ist Cushing in Oklahoma ...

... das ist über 800 Kilometer von der Küste weg ...
Genau. Und in den USA ist das Pipelinenetz nicht überall überragend. Am Ende müssen sie Ihr Öl mit dem Zug zum Hafen karren.

Klingt aufwendig.
Ja. Im anderen Fall haben sie aber Durchleitungsgebühren. Wenn Sie das Öl an der Küste bekommen, ist es einfacher. Terminals sind kein Problem.

Nehmen wir an, das Problem habe ich gelöst. Wie komme ich an meinen Tanker?
Ich würde einen Vermittlungskontrakt mit einem Shipbroker machen, der wird dann Gesellschaften fragen, die Schiffe verchartern.

Die gibt es hier?
Klar. Deutschland ist Schifffahrtsnation, auch wenn die Tanker auf den Antillen oder Barbados gelistet sind.

Und wenn ich nicht chartern, sondern kaufen will?
Die waren zuletzt knapp. Natürlich bekommen Sie einen, aber nicht morgen früh. Der Rest ist Sache des Preises. Der wird erst mal zu hoch sein, aber zu dann müssen Sie eben weiterverhandeln.

Wie finde ich den richtigen Preis?
Indikationen liefert etwa Clarkson Research in London. Vor Vertragsabschluss sollten Sie sich einen Inspekteur einer anerkannten Zertifizierungsgesellschaft suchen.

Warum?
Die Seefahrt ist ein raues Geschäft. Ganz viele kommen auf dumme Ideen. Hier wird beschissen, was das Zeug hält.

Wo finde ich einen Inspekteur?
Führend hierzulande ist der Germanische Lloyd. Dessen Inspekteure kriechen dann mehrere Tage im Schiff rum und machen ein Protokoll über alles: Schäden, Laufzeiten, wann wurden Inspektionen gemacht, wie ist der Außenanstrich. Und Sie müssen festlegen, wann, wo und in welchem Zustand das Schiff übergeben wird – und ob Sie die Mannschaft übernehmen.

Wie viele Leute brauche ich?
Zehn bis zwanzig Mann.

Wären Sie mit dabei?
...

Bei Mister X klopft jemand auf dem Handy an. Wir machen später weiter.


„Absolute Milchmädchenrechnungen“

Ich bekomme eine neue Mail. Von, das kann ich kaum glauben: Dieter Bohlen. Nein, verguckt: Dieter Bohlens. Aber er geht ähnlich hart zur Sache wie der andere Dieter, wenn der bei DSDS einen miesen Sänger auseinandernimmt. Herr Bohlens ist einigermaßen erschüttert ob meines laienhaften Herangehens an den Tankerkauf. Er hat 15 Jahre als „Schiffsmakler und in der Tankerbefrachtung“ gearbeitet, danach als Investmentbanker in Hamburg. Ein Fachmann.

Klar sei auch jetzt eine „Vielzahl gebrauchter Tanker verfügbar“, schreibt er. Die Preise richten sich nach Angebot und Nachfrage. Steigen die Charterraten, so steigen selbstverständlich auch die Schiffspreise. Zu Zeiten der Ölkrise in den 70er Jahren kostete ein riesiger Supertanker 85 Millionen Dollar, „nur 3 Jahre später notierte selbiges Schiff gerade einmal noch mit schier unvorstellbaren 3,5 Millionen Dollar (damaliger Schrottwert in Taiwan)“, schreibt Bohlens.

Dann legt er richtig los: „Ihre Berechnungen sind leider absolute Milchmädchenrechnungen“, so Bohlens. „Ein Tanker steht nicht, wie ein Gebrauchtwagen auf Halde. Vielmehr dauert es meist Monate, bis es irgendwo zur Anlieferung kommt. Damit wäre es so gut wie ausgeschlossen, auf relativ prompte Kontrakte zu spekulieren.“

Das habe ich auch schon gemerkt – mal eben in Singapur abholen und volllaufen lassen, dürfte schwierig werden. Vor drei Monaten hätte ich Öl noch geschenkt oder gar mit Prämie bekommen. Wenn ich meinen Tanker jetzt in Texas im Hafen am Start hätte – was echt eine starke Leistung gewesen wäre – müsste ich schon wieder 40 Dollar für das Barrel zahlen.

Börsengang: „There is no free lunch“

Okay, von Öl und Seefahrt verstehe ich nicht so viel, aber jetzt attackiert mich Bohlens noch auf einem Gebiet, auf dem ich mich nun wirklich auskenne: Börsengänge. Ich hatte angedeutet, man könne das Geld für den Tanker (auch ich habe keine 35 Millionen irgendwo rumliegen) doch bei der Crowd oder an der Börse zusammenbekommen. Mehrere Leser hatten mir geschrieben, sie fänden die Idee klasse. Bohlens nicht: „Einen Börsengang für nur einen Tanker kann man nun mal wirklich ausschliessen! Wenn man glaubt, dass der Ölmarkt im September noch immer darniederliegt, kann man sich ja bereits heute ein Schiff chartern oder aber auch kaufen. Das Risiko ist jedoch immens und pure Spekulation!“ Er lässt aber nicht locker: „Als ehemaliger Investmentbanker sage ich auch, dass die Vorbereitung eines Börsengangs lange dauert. Bis ein solcher durch ist, ist die aktuelle Situation bereits wieder eine ganz andere. Bei einem Börsengang muss man zudem auch einen langfristigen Cashflow nachweisen, der in diesem Falle in keiner Weise gegeben wäre ...There is no free lunch!“

Und dann noch ein relativ simples Totschlagargument: Wenn es so einfach wäre, hätten es andere schon gemacht: „Arbitrageure, Reeder wie auch Investmentbanker wären – wenn machbar – bereits lange vor Ihnen darauf eingestiegen. Das übrigens dann auch mit nachhaltig geringeren Margen, als den von Ihnen genannten Spannen. So einfach ist das Geschäftsleben nun wirklich nicht!“

Ich schreibe ihm zurück, und dann wünscht er mir tatsächlich „viel Glück auf Ihrem Weg ins dirty business“. Das sei jetzt nicht etwa sarkastisch gemeint, sondern soll ein Hinweis darauf sein, dass es im Tankergeschäft die „schmutzige Fahrt“ und die „saubere Fahrt“ gibt. Rohöl und Schweröle sind dem „dirty biz“ zuzuordnen, weil die betreffenden Tanker Heizschlangen in den Tanks benötigen. Das Öl muss während des Transports ständig auf einer bestimmten Temperatur gehalten werden. „Sonst können Sie es nicht mehr rauspumpen und es bleibt eine Tankerskulptur!“

Er bestätigt also das, was mir auch Mr. X mitgeteilt hat: Mein Tanker muss eine Heizung haben. Ich lese weiter, was Herr Bohlens zu sagen hat: „Wenn Sie denn mit Öl spekulieren, sollten Sie auch wissen, dass es da gewaltige Unterschiede gibt. Libyan Light beispielsweise ist der pure Champagner für die chemische Industrie, Mexican Heavy hingegen können Sie aufgrund seines hohen Schwefelgehaltes und niedriger Viskosität nur zur Energiegewinnung verbrennen.“

Champagner also. Interessant.

Tanker mit doppeltem Boden

Auf meinem Rechner poppt eine neue Mail auf, ein Angebot von einem Paul aus China. Paul macht nicht viele Worte. Er schreibt (auf Englisch):
834 Tonnen Öltanker
Doppelte Hülle, doppelter Boden
Gebaut 2010
Länge über alles: 50,98 m
Breite: 9,60 m
Tiefe: 4.25m
Wasserverdrängung, beladen: 1262,200 t
Maschine: 6190ZLC, 450 kw, Jinan Diesel Engine
Und jetzt kommt es: „Has Boiler! USD 550,000“

Das scheint mir ein Spottpreis: 550.000 Dollar, eine Doppelhülle hat er, zehn Jahre alt, mit Heizung: Was brauche ich mehr? Mehr Laderaum. 6000 Barrel fasst er umgerechnet – nicht gerade ein Supertanker, der ab 250.000 Tonnen losgeht. Und motormäßig schwach auf der Brust: 450 kw, die bringt auch Daimlers Luxus-SUV Mercedes-AMG GLS 63.

Nein, Paul, wir beide kommen nicht zusammen.


Der glückliche Tanker-Käufer: 60 Millionen auf einen Schlag

Leser Roman R. hat einen einfacheren Weg: Warum nicht einfach Tanker-Aktien kaufen? „Da bekommen Sie die Firmen noch unter ihrem Stahlwert. So hat Euronav vor kurzem einen 19 Jahre alten Tanker für mehr als den doppelten Buchwert verkauft.“

Also schaue ich mir Euronav an. Die Firma sitzt in Antwerpen, ist an der Euronext notiert und in New York an der Börse, Weltmarktführer im Tankergeschäft – und macht tatsächlich einen guten Eindruck. Mitte April meldete Euronav, sie habe ihr ältestes Schiff verkauft, die Suezmax Cap Diamant für 20,8 Millionen Dollar.

Suezmax, lerne ich, ist die Größenklasse von Tankern, die so gerade noch durch den Suezkanal passen: 20 Meter Tiefgang, maximal 77 Meter breit, die Tanker fassen alle um die 160.000 Tonnen. 8,5 Barrel sind eine Tonne, damit fasst der Tanker 1,36 Millionen Barrel.

Auf den Terminmärkten herrschte im April der Super-Contango. Contango nennt man die Situation, in der ein Rohstoff, der in Zukunft geliefert werden soll, teurer ist als aktuell. Ein Barrel Öl, das im Juli geliefert werden soll, kostete 20 Dollar. Ein Fass zur Lieferung im Mai zeitweise minus 40 Dollar. Wer Öl physisch abnehmen konnte, bekam also 40 Dollar obendrauf und konnte es gleichzeitig am Terminmarkt zur Lieferung im Juli zu 20 Dollar verkaufen. Macht 60 Dollar pro Barrel. Wenn der Käufer die Suezmax Cap Diamant gleich mit den maximal 1,36 Millionen Barrel Öl vollpumpte, nahm er 81,6 Millionen Dollar ein, minus 20,8 Millionen Dollar für das Schiff: bleiben 60,8 Millionen Dollar. Und Stand Mitte April war das Schiff schon an seine glücklichen neuen Besitzer ausgeliefert.

Drei Wochen später meldet Euronav sogar den Verkauf eines Supertankers, der Hellas, eines VLCC (very large crude carrier), doppelt so groß wie die Cap Diamant, für 38 Millionen Dollar. Mein chinesischer Tanker für 35 Millionen Dollar scheint mir daran gemessen nicht so günstig, zumal ich auf der Angebotsseite der Werft kein Schiff mit mehr als 50.000 Barrel entdecken kann. Warum ging die Hellas so günstig weg? Am Ende der Mitteilung steht es: Das Schiff wird seinen neuen Besitzern Ende Mai übergeben – nach Abschluss der laufenden Reise. Und Ende Mai kostete das Barrel nicht mehr minus 40, sondern 30 Dollar.

Alternative Aktienkauf

Die Euronav-Aktie sieht aber tatsächlich nicht schlecht aus. Von Anfang März bis Ende April hat sie mehr als 50 Prozent gewonnen, ist dann aber wieder, vermutlich parallel zum steigenden Ölpreis, der das Lagern von Öl wieder ein Stück unattraktiver machte, vom Hoch bei 11,50 auf zuletzt gut acht Euro gefallen. Zwei Milliarden Börsenwert, um die 75 große Tanker in der Flotte, 300 Millionen Cash auf der Bank, entnehme ich der Präsentation, die ausgiebig darauf eingeht, wie dringend Lagerkapazität nachgefragt wird. 130 Supertanker weltweit werden aktuell als Öllager genutzt.

Euronav behaupten aber nicht, dass es ewig so bleibt, sondern rechnet langfristig auch wieder mit Überkapazitäten im Frachtgeschäft. Aktuell aber ist die Lage für sie traumhaft: Im ersten Quartal haben sie 225 Millionen verdient, ein Jahr zuvor nur 19 Millionen. Schreibt man den Trend auf dieses Jahr fort, liegt das KGV um die zwei, billiger geht es nicht. Jeder Tanker der Flotte wäre, gemessen am Börsenwert, unter 25 Millionen Dollar wert.

Diese Anleger haben schon einen Tanker

Es gibt offensichtlich auch Anbieter von geschlossenen Fonds, die genau das machen, was ich mir so vorgestellt habe. In Dortmund an der Ruhrallee – nicht gerade der klassische Übersee-Standort –, sitzt die Salamon Fondsverwaltung. Vorstand Christian Salamon schreibt uns, dass es in Deutschland auch noch einige Tanker von Anleger-Kommanditgesellschaften gibt, die am Tanker-Boom teilhaben.

„Wir haben noch 6 Tanker – darunter auch zwei Großtanker der Suezmaxklasse. Und wie es denen geht, können Sie exemplarisch an diesem Rundschreiben, das heute versandt wurde, erkennen. Dieses Schiff, der MT Fedor, ist z.B. 17 Jahre alt, die Anleger haben es durch die schwere Krise nach Lehman gebracht und jetzt fahren wir die Ernte ein.“

Ich halte nichts von geschlossenen Fonds: Intransparent, man kann nicht schnell verkaufen und die Nebenkosten für Anleger sind meist unverschämt hoch. Aber der hier scheint Anleger zumindest zeitweise glücklich zu machen.


„Ihrem Schiff geht es ausgezeichnet“

Geschäftsführer Benedikt Gerhardt schreibt an die Anleger der MT Fedor GmbH & Co. Tankschiff KG, er freue sich, „über die gute Charterratenentwicklung im Bereich der Tanker informieren zu können. Ihrem Schiff, der Fedor, geht es ausgezeichnet.“ Allein in einem Monat habe die Fedor 40.671 Dollar Chartergebühren eingefahren. „Ein neuer Rekordwert“. Der Tankermarkt sei trotz Corona weiter in guter Verfassung, die Nachfrage nach Tankraum sei gut, weil „Tanker als schwimmende Öllager“ genutzt werden.

Wusste ich es doch. Gerhardt: „Eine Ölquelle mit ihrer Fließdynamik zu schließen, ist eine schwerwiegende Entscheidung. Das macht man nicht gerne. Die Kosten des Wiederanfahrens einer Quelle können beträchtlich sein.“ Deshalb pumpen sie weiter: „Das Öl kommt an den Terminals an und dort ist die Lagerkapazität vielfach schon ausgeschöpft, weil der Abverkauf fehlt. Folge: Die gesamte Logistikkette von der Quelle zur Tankstelle ist gestört.“ Und deshalb bekamen Käufer im April Geld dazu. Derzeit werden sechs Prozent aller Tanker und 12 Prozent aller Supertanker als Lagerschiffe eingesetzt, schätzt Burkhardt.

Aber auch ein Lagerschiff braucht einen Kapitän. Ich bin zwar ganz gut im Kajak und habe auch mal einen Katamaran-Segelkurs gemacht. Bei dem Tanker wüsste ich aber nicht mal, wie ich den Anker runterbekomme. Also noch mal Mister X:

Mister X, dürften Sie meinen Öltanker steuern?
Ich denke schon, aber das ist nicht mehr mein Ding. Das Offshore-Geschäft läuft gut und man ist häufiger zu Hause. Aber ich könnte Ihnen helfen, ein Schiff zu finden. 1,5 Prozent Brokergebühr, wenn Sie mir die zahlen, das ist nicht so schlecht.

Bei einem Tanker für 65 Millionen sind das mal eben eine Million Euro ...
Schon reizvoll. Aber ich warne Sie. Die Frachtraten und Tankerpreise signalisieren: Der Drops ist gelutscht, das Geschäft ist gemacht.

Stimmt, der Ölpreis ist ja auch schon wieder kräftig gestiegen. Es geht mir aber auch darum, beim nächsten Ölpreiscrash und Super-Contango vorbereitet zu sein, wenn es Öl wieder umsonst gibt.
Da weiß ich noch was Besseres für Sie, da sind noch nicht viele darauf gekommen.

Jetzt bin ich gespannt.
Kaufen Sie sich eine Ölbohrinsel. In der Nordsee oder im Golf von Mexiko werden viele Bohrinseln rückgebaut, weil sich die Förderung nicht mehr lohnt.

Und was soll ich damit?
Unter den Plattformen gibt es riesige Tanks, als Gegengewicht. Diese Schwerkraft-Fundamente werden mit Wasser oder mit Öl gefüllt. Wenn die Plattform in Betrieb ist, wird dort Öl zwischengelagert. Sie haben also verfügbare Lager in erster technischer Qualität und einen guten Pipeline-Anschluss.

Verstehe. Es läuft also andersrum: Statt Öl an Land zu pumpen, pumpe ich es wieder ins Meer, in die Tanks.
Genau. Fragen Sie mal BP oder die norwegische Statoil. Die sind froh, wenn sie die alten Plattformen loswerden.

Stimmt. Statoil wollte sogar mal eine für eine Krone, damals 13 Cent, abgeben. Daraus wurde dann aber nichts.
Das Problem ist: Sie müssen später die Entsorgung übernehmen.

Die kann hunderte Millionen kosten.
Leider. Damit können Sie sich aber Zeit lassen. Und wenn die Plattform außerhalb der Zwölfmeilenzone liegt, können Sie dafür steuerfrei ein Spielcasino auf Ihrer Insel einrichten.

Mister X, danke für das Gespräch.

Hier stehe ich nun. Wie der vierte Teil der Tanker-Chroniken aussehen müsste, ist damit vorgezeichnet: „Ich kaufe mir eine alte Ölbohrinsel.“ Das aber kann dauern. Die Recherche ist erst ganz am Anfang.

Mehr zum Thema
Wie ich einen Öltanker kaufen und wahnsinnig abkassieren wollte. Öl kaufen, dafür Geld kassieren und dann teuer wieder verkaufen – das Geschäftsmodell scheint extrem einfach. Das einzige, was der smarte Krisenprofiteur dazu braucht, ist ein Tanker. Den ersten Teil dieser Geschichte lesen Sie hier.

Nach der Öltanker-Suche macht sich unser Autor Gedanken um die Finanzierung. Woher Kapital kommen könnte, woran ein Deal noch scheitern könnte, lesen Sie hier in Teil 2 dieser Geschichte.