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Vergabe-Affäre: Größter staatlicher Klinikkonzern Vivantes bestellte Millionen Corona-Tests für Schulen bei der Mini-Firma eines Rüstungslobbyisten

Bundesweit testen sich Schüler regelmäßig vor dem Unterricht, um eine rasche Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Auch in der Hauptstadt hat der Senat Schulen und Kitas kostenlose Schnelltests bereit gestellt. Allerdings löste der Bestellungsvorgang nach Informationen von Business Insider eine weitreichende Affäre aus, in der es um dubiose Geschäftspraktiken, fragwürdige Millionen-Zahlungen und einen möglichen Vertuschungsversuch geht.

Im vergangenen April beauftragte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie aufgrund der Erfahrung und des Netzwerks im Gesundheitswesen den staatlichen Klinikkonzern Vivantes mit der Beschaffung von 2,25 Millionen Covid-19-Schnelltests zum Stückpreis von 2,60 Euro plus Mehrwertsteuer – insgesamt fast sieben Millionen Euro. Da es sich um eine dringende Angelegenheit handele, solle Vivantes die Bestellung ohne Ausschreibung zügig vergeben, hieß es in der damaligen Anweisung. Und zwar an die InPro Consultancy UG. Eine kleine, finanzschwache Berliner Firma, hinter der sich Robert K. verbirgt, ein ehemaliger Rüstungslobbyist mit guten SPD-Kontakten. Wie aus Vergabeakten hervorgeht, erteilte Vivantes bereits am 16. April InPro den Zuschlag. Doch kurz nach der Vergabe modifizierte Vivantes die Entscheidung noch einmal, führte nun plötzlich auch die KCSM Distribution GmbH als Auftragnehmer, die erst wenige Monate zuvor gegründet wurde. Bei den beiden Unternehmen handele es sich um eine Bietergemeinschaft, wird später notiert.

Noch erstaunlicher: Vivantes vergab den Auftrag an Firmen, die gar nicht lieferfähig waren. Dabei wurde die freihändige Vergabe des Millionen-Auftrags ausdrücklich mit der Dringlichkeit begründet. Vielmehr agierten InPro und KCSM wie Makler, suchten erst nach der Zuschlagserteilung den eigentlichen Lieferanten. Nach Recherchen von Business Insider schloss die Bietergemeinschaft Wochen später mit der Zebra Handelshaus GmbH einen Abtretungsvertrag für den Vivantes-Auftrag, sicherte sich dabei eine Kaufpreis-Beteiligung von bis zu 225.000 Euro. Zudem zahlte Zebra für die Vermittlung des Auftrags eine Provision von weiteren 225.000 Euro. Geld und Zeit, die Vivantes bei der Vergabe an ein lieferfähiges Unternehmen ganz offensichtlich hätte sparen können. Danach gefragt, sagt eine Vivantes-Sprecherin: nichts.

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Das fragwürdige Geschäft mit den Corona-Tests, es hätte still und leise über die Bühne gehen können, wenn nicht plötzlich das Chaos ausgebrochen wäre. Nachdem Zebra die ersten 200.000 Tests aus China an Vivantes geliefert und dafür rund 600.000 Euro kassiert hatte, erklärte KCSM den Abtretungsvertrag für nichtig, versuchte Zebra aus dem Auftrag zu drängen. Mit einer Strafanzeige versuchte die Firma den Unterauftragnehmer sogar zu diskreditieren. Warum? Dem Vernehmen nach hatte die Bietergemeinschaft kurzfristig einen günstigeren Unterauftragnehmer gefunden, wollte das Geschäft nun mit der TE.AM Pharmahandel GmbH durchziehen. Da Zebra aber auf die Vereinbarung bestand, lieferten fortan zwei Unternehmen Laientests. Wie aus Lieferscheinen hervorgeht, erhielt der von Vivantes beauftragte Logistiker dadurch fast die doppelte Menge der ursprünglich bestellten Ware.

In einer Stellungnahme gibt sich der größte deutsche Klinikkonzern mit Blick auf die Laientest-Bestellung orientierungslos. Laut der Sprecherin sei die bestellte Ware geliefert worden, aber es sei nicht klar erkennbar gewesen, wer rechtmäßiger Zahlungsempfänger sei. Pikant: Nach Informationen von Business Insider zahlte Vivantes aber für eine Teillieferung von TE.AM fast zwei Millionen Euro direkt an KCSM. Anschließende Lieferungen blieben dagegen unbezahlt. Stattdessen überwies der Klinikkonzern 4,5 Millionen Euro auf ein Konto beim Amtsgericht Tiergarten. "Die KCSM und Zebra können jetzt ohne Beteiligung von Vivantes im Rahmen eines sogenannten Prätendentenstreits klären, wem das Geld zusteht", sagt die Vivantes-Sprecherin. "Insgesamt ist die Situation so, dass Vivantes hier in einen zwischen ihrer eigentlichen Vertragspartnerin, der Fa. KCSM, und deren Nachunternehmern bestehenden Konflikt geraten ist."

Die Firma Zebra will den Klinikkonzern aber offenbar nicht aus der Affäre entlassen. Wie Business Insider erfuhr, wandte sich das Unternehmen in mehreren Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden von Vivantes, den Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Darin erhebt Zebra-Chef Ralf Todtenhöfer schwere Vorwürfe gegen Vivantes. So habe der Klinikkonzern trotz gegenteiliger Meinung der eigenen Rechtsabteilung den Abtretungsvertrag zwischen KCSM und Zebra missachtet und die Bezahlung verweigert. Kurz nach dem ersten Beschwerdebrief an Kollatz bat Vivantes Zebra, ein Angebot über eine neue Lieferung von 4,9 Millionen Schnelltests abzugeben. In dem Schreiben heißt es, dass sich möglicherweise mit diesem Auftrag der "bestehende Streit um die bereits erfolgte Lieferung von LEPU Schnelltests und die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung" beilegen ließe.

Ein brisanter Versuch, die erhitzten Gemüter zu beruhigen und den Vorgang nachträglich zu heilen? Eine Sprecherin bestätigt, dass Vivantes Zebra eine Möglichkeit geben wollte, die bereits vorhandenen, aber noch nicht bezahlten Laientests in einem neuen Vergabeverfahen anzubieten. Eine entsprechende Formulierung in einem Schreiben an Zebra würde Vivantes nun zu unrecht negativ ausgelegt werden. Tatsächlich wäre Vivantes bei einem zweiten Vergabedeal mit Zebra wohl einige Probleme losgeworden. Zum einen hätte die doppelt gelieferte Ware eine nachvollziehbare Verwendung gefunden. Zum anderen ist da noch die umstrittene Vivantes-Überweisung über zwei Millionen Euro an KCSM. Denn sollte Zebra seine Forderung über den gesamten Kaufpreis irgendwann durchsetzen können, hätte Vivantes die Millionen doppelt bezahlt. Ein Fiasko für den öffentlich-rechtlichen Auftraggeber.

Zwar gab Zebra ein eigenes Angebot für die zweite Bestellung ab, erhielt aber nach einigen Tagen eine Absage – und Post vom Vivantes-Anwalt mit einer neuen Strategie: Vivantes wolle sich nun aus dem angeblichen Streit zwischen den Auftragnehmern zurückziehen. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse und Informationslage kann kaum mehr von einem Unfall oder der Verkettung missverständlicher gar unglücklicher Umstände gesprochen werden", schreibt Todtenhöfer an Vivantes-Aufsichtsratschef Kollatz. "Unweigerlich erweckt der Vorgang den Eindruck, die Vivantes versuche mit allen Mitteln, die KCSM Distribution wirtschaftlich zu begünstigen."

Weder Vertreter von InPro noch von KCSM wollten sich zu den Vorgängen äußern.