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Verfassungsschützer warnt vor rechten Umtrieben unter Betriebsräten

Die rechte Mini-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ sorgt im Daimler-Konzern für Unruhe. Ein Verfassungsschützer betrachtet die Entwicklung mit Sorge.

Thüringens Verfassungsschutzpräsident sieht rechte Betriebsräte mit Sorge. Foto: dpa
Thüringens Verfassungsschutzpräsident sieht rechte Betriebsräte mit Sorge. Foto: dpa

Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, hat sich besorgt über die Aktivitäten rechter Arbeitnehmervertreter wie der Mini-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ geäußert. „Bisher sind die bei Betriebsratswahlen errungenen Mandate zwar überschaubar, aber hier wird eine langfristige Strategie verfolgt, staatliche Institutionen und Räume konsequent zu unterwandern, was wir mit Sorge betrachten und auch darauf hinweisen“, sagte Kramer dem Handelsblatt. „Hier werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angesprochen, um rechtspopulistisches und rechtsradikales Gedankengut auch hier weiter zu verbreiten.“

„Dabei können sich“, so Kramer weiter, „rechte Arbeitnehmervertreter als angebliche Globalisierungsgegner und Klassenkämpfer aufspielen und gegen andersdenkende Gewerkschaftler als „Arbeiterverräter“ agitieren.“ Ziel sei es, den „Widerstand“ von der Straße in die Parlamente und schließlich auch in die Betriebe zu tragen.

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Beim Autokonzern Daimler gehören nach Angaben des Gesamtbetriebsrats elf von insgesamt 755 Betriebsräten der Betriebsratsgruppe „Zentrum Automobil“ an. Laut Kramer handelt sich hierbei nicht nur um ein westdeutsches Problem. „Ähnliche Fälle gibt es auch in Mittel- und Ostdeutschland“, sagte er.

Daimler-Vorstandschef Ola Källenius hatte sich zuletzt deutlich gegen die rechten Betriebsräte im Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim positioniert. „Daimler ist nicht nur ein Innovations- und Jobmotor, sondern auch ein Motor für Integration“, betonte Källenius in einer auf deutsch und englisch veröffentlichten Erklärung am Mittwoch in Stuttgart.

Damit reagierte der Manager erstmals öffentlich auf ein Video von „Zentrum Automobil“. Darin wird die Entlassung von zwei Daimler-Beschäftigten als „völlig absurd“ bezeichnet. Ihnen wurde bereits 2018 gekündigt, weil sie einem türkischstämmigen Kollegen und Funktionär der IG Metall über Monate hinweg über den Messengerdienst WhatsApp Hitler- und Hakenkreuz-Bilder sowie verächtliche Bilder über Moslems zugesandt hatten.

Neben Daimler kämpfen auch andere Konzerne mit rassistischen Vorfällen. Die Unternehmen sind ein Abbild der Gesellschaft. So verwundert es nicht, dass das „Zentrum“ auch bei BMW und Porsche in Leipzig oder Opel in Rüsselsheim aktiv ist und Betriebsratsmandate hat. Das Untertürkheimer Daimler-Werk ist aber so etwas wie der Geburtsort der Mini-Gewerkschaft. Hier wurde sie gegründet.

„Neue Rechte“ wollen die „wahren Volksvertreter“ sein

Kramer sieht Verbindungen der rechten Arbeitnehmervertreter ins rechtsextreme Spektrum. Es bestünden „mindestens personelle Überschneidungen, etwa durch Kennverhältnisse, zu rechtsextremistischen Gruppierungen und Personen“, sagte er. So sei etwa der Vorsitzende von „Zentrum Automobil“, Oliver Hilburger, im März 2018 mit Pegida-Chef Lutz Bachmann bei einer Demonstration der islamfeindlichen Bewegung in Dresden aufgefallen. Im November 2017 habe Hilburger auf einer Konferenz des neurechten „Compact“-Magazins, eine Rede gehalten. An der Veranstaltung hätten seinerzeit neben Bachmann auch AfD-Vertreter sowie der Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen.

In seiner Rede forderte Hilburger damals laut Angaben des Brandenburger Verfassungsschutzes, sich die polnische Gewerkschaft Solidarność zum Vorbild zu nehmen: „Die Leute sind auf die Straße gegangen, die haben sich eingereiht, die haben ein System zu Fall gebracht – und deswegen müssen wir in den Betrieben aktiv werden.“ Nichts Geringeres als der Sturz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werde durch die rechtsextremistischen Gewerkschaften eingefordert. Auch der Verein Ein Prozent“, der eng mit der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ verwoben sei, spiele eine Rolle mit seiner Kampagne „Werde Betriebsrat“.

Hilburger war bis 2008 Gitarrist der Neonazi-Band „Noie Werte“. Von seiner rechtsextremistischen Vergangenheit habe er sich inzwischen „wenig überzeugend distanziert“, so Kramer.

Der Rechtspopulismus-Forscher Matthias Quent stuft das „Zentrum Automobil“ ein als „kleines, aber symbolisch wichtiges Vorzeigeprojekt der radikalen Rechten mit engen Verbindungen zur AfD, der Identitären Bewegungen und anderen rechtsradikalen Gruppen“. „Es ist sowohl hinsichtlich der Ideologie als auch hinsichtlich der dahinterstehenden Netzwerke ganz klar eine rechtsradikale Organisation“, sagte Quent dem Handelsblatt. Mit Blick auf Hilburger fügte er hinzu: „Wie viele andere frühere Neonazis versucht er nun, unter dem Deckmantel auf den ersten Blick unauffälliger Organisationen weiter rechtsradikale Positionen zu verbreiten.“

Der Verfassungsschützer Kramer weist auf eine weitere Entwicklung hin. Insbesondere die sogenannte „Neue Rechte“ versuche seit Jahren als die „wahren Volksvertreter“ und „Kümmerer“ nicht nur im politischen, sondern auch im sozialen Raum wahrgenommen zu werden. „Hierzu gehört die Veranstaltung von Familienfesten mit Hüpfburgen, das Engagement in Kindergärten, Schulen und Elternbeiräten, ebenso wie Spendensammlungen und Verteilungen von Lebensmitteln, Kleidern und Möbeln an Bedürftige“, erläuterte Kramer. Die Gründung von eigenen Gewerkschaften und das Antreten von nationalistischen und rechten Listen bei Betriebsratswahlen passe hier ins Bild.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels war von AfD-nahen Betriebsräten die Rede. Stephan Kramer bezog sich jedoch explizit auf die Gruppierung „Zentrum Automobil“, die sich selbst als „unabhängige Gewerkschaft“ bezeichnet. Wir haben den Artikel entsprechend präzisiert.