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Verbraucherschützer über Facebook-Entscheidung: „Der Datenmacht von Konzernen müssen Grenzen gesetzt werden“

Deutschlands oberster Verbraucherschützer sagt im Interview, die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts sei ein wichtiger Schritt. Dem müssten weitere folgen.

Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller hat sich nach der Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts für eine Reform der Fusionskontrolle im Wettbewerbsrecht ausgesprochen. „Die Fusionskontrolle muss definitiv auf den Prüfstand“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem Handelsblatt.

„Klassische Marktmacht, die an der Umsatzgröße gemessen wird, muss in der digitalen Welt neu definiert werden.“ So sei die einst genehmigte Übernahme von WhatsApp durch Facebook „zweifellos ein Fehler“ gewesen. Das digitale Kartellrecht sei jedoch für alle Neuland. Insofern habe er durchaus Respekt vor der aktuellen Kartellamtsentscheidung gegen Facebook. „Heute sind wir alle schlauer als früher“, sagte der VZBV-Chef.

Bei der Frage der Marktbeherrschung gehe es nun auch darum, welche Daten wie miteinander verbunden und genutzt werden. „Das steht und fällt mindestens mit der Einwilligung der Verbraucher“, sagte Müller weiter. „Wir werden aber sorgfältig überlegen müssen, ob alleine die Einwilligung in die Nutzung von Daten ausreicht.“ Denn es könne auch Marktmachtsituationen geben, in denen Nutzer keine Alternative hätten und damit ihre Wahlfreiheit „massiv eingeschränkt“ sei. Da helfe dann das bloße Einwilligungsgebot wenig. „Hier brauchen wir stärkere wettbewerbsrechtliche Eingriffsrechte.“

Eine Zerschlagung Facebooks hält Müller aber für „nicht praktikabel“, wie er sagte. Die verfassungsrechtlichen Hürden für die Zerschlagung eines Unternehmens seien sehr hoch. „Und da ich eher ins Gelingen verliebt bin, ist der Schritt, den das Bundeskartellamt jetzt geht, sowohl im Sinne der Verbraucher als auch im Sinne des Wettbewerbs.“

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Allerdings sieht der VZBV-Chef den Gesetzgeber in der Pflicht zu „prüfen, ob das Bundeskartellamt ausreichend ausgestattet ist, um seine Aufgaben bei den Herausforderungen der Digitalisierung angemessen zu erfüllen“. Dies sei vor allem im Hinblick auf einen funktionierenden Wettbewerb im Sinne der Verbraucher notwendig.

Lesen Sie hier das ganze Interview.

Herr Müller, das Bundeskartellamt hat Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um Nutzern mehr Freiheit und mehr Wahlfreiheit zu ermöglichen. Vor allem, dass Facebooks Marktmacht in die Schranken gewiesen wird, ist außerordentlich wichtig.

Die Behörde wirft Facebook vor, gegen europäische Datenschutzvorschriften zu verstoßen. Wenn Verarbeitung von Nutzerdaten nicht den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO entsprechen – wäre da nicht auch ein Bußgeld fällig gewesen?
Wir waren ja an dem Verfahren gegen Facebook beteiligt. Insofern kann ich sagen: Das ist eine Diskussion, die sich das Kartellamt nicht leicht gemacht hat. Ich denke, dass ein Bußgeld für Facebook nicht der entscheidende Anreiz gewesen wäre, etwas an seiner Geschäftspraxis zu ändern. Dazu geht es Facebook zu gut. Die Einschränkung seiner ausufernden Geschäftstätigkeit und seiner Wildwestmanier im Umgang mit Daten trifft Facebook härter als ein Bußgeld.

Glauben Sie, dass die Vorgaben des Bundeskartellamts das Geschäftsmodell von Facebook entscheidend verändern können?
Ich glaube, das ist möglich. Momentan glaubt Facebook, mit Nutzerdaten alles machen zu können, was es will. In dem Moment, wo Daten aus den verschiedenen Facebook-Diensten nicht mehr miteinander kombiniert und auch keine Daten mehr aus Drittquellen verarbeitet werden dürfen, wird sich auch das Geschäftsmodell ändern. Dazu hat das Kartellamt den ersten wichtigen Aufschlag gemacht. Am Ende wird das wohl vor Gericht entschieden.

Sollten auch andere Wettbewerbsbehörden jetzt gegen Facebook tätig werden?
Absolut. Die Kartellamtsentscheidung hat eine Signalwirkung über Deutschland hinaus – zumindest für die EU. Ich bin mir aber sicher, dass auch in anderen wichtigen digitalen Zentren der Welt, in den USA, in China, genau hingehört wurde, was da in Deutschland verkündet wurde. Es ist gut, dass nun eine starke Behörde wie das Bundeskartellamt vorangeht.

Das Verfahren würde sicherlich andere Behörden in kleineren EU-Mitgliedstaaten schnell an ihre Grenzen bringen. Wenn das Bundeskartellamt sich am Ende durchsetzen wird, dürften andere Länder in ähnlicher Weise gegen Facebook vorgehen. Einen Anfang hat Frankreich bereits gemacht. Dort wurde schon ein empfindliches Bußgeld gegen Facebook verhängt.

Was erwarten Sie von der EU-Kommission?
Von Brüssel erwarte ich argumentative Unterstützung. Die Wettbewerbskommissarin Vestager geht ja in vergleichbaren Verfahren gegen Google vor. Hier besteht eine gewisse Arbeitsteilung. Dass sich die europäische und die deutsche Ebene die großen Internetkonzerne vorknöpfen und sie dazu bringen, sich an Recht und Gesetz zu halten, ist zu begrüßen.

Das Geschäftsmodell von Facebook funktioniert ja nur, weil viele Nutzer die Dienste des Konzerns nutzen. Zum Beispiel organisieren viele ihren Alltag über WhatsApp. Würden Sie sagen, dass hier schon eine gewisse Abhängigkeit entstanden ist?
Es gibt leider schon eine gewisse Abhängigkeit. Da können Sie alle Eltern fragen, die das Schul- oder Sportleben ihrer Kinder organisieren möchten. Da gibt es oft keine Wahl. Wenn sie nicht kommunikativ abgehängt werden wollen, müssen sie WhatsApp nutzen. Wer will hier schon Eremit sein? Wichtiger als die Abhängigkeit der Nutzer ist die marktbeherrschende Stellung von Facebook, weil es keine praktikable Alternative gibt. Deswegen ist es wichtig, dass das Kartellamt eingeschritten ist.

Die Nutzer könnten ja auch etwas tun.
Eine solche Aufforderung würde leider nicht viel bringen. Dazu sind die Netzwerkeffekte zu wichtig. In dem Moment, wo eine kritische Anzahl ihrer Familienangehörigen, ihrer Freunde, Berufs- oder Sportvereinskollegen sich auf die Nutzung einer bestimmten Nachrichtenplattform geeinigt haben, haben sie nicht mehr die Wahl. Sie können zwar eine andere Plattform nutzen, wären dort aber recht einsam. Und: Einsamkeit und Kommunikation verträgt sich schlecht.

War es auch vor dem Hintergrund der jetzigen Kartellamtsentscheidung ein Fehler, die Übernahme von WhatsApp durch Facebook zu genehmigen?
Das war zweifellos ein Fehler. Jedoch: Das digitale Kartellrecht, in dem wir uns gerade bewegen, ist für alle Neuland. Insofern habe ich durchaus Respekt vor der Kartellamtsentscheidung gegen Facebook. Heute sind wir alle schlauer als früher.

Muss die Fusionskontrolle auf den Prüfstand mit dem Ziel, die Schlagkraft des Wettbewerbsrechts zu erhöhen?
Die Fusionskontrolle muss definitiv auf den Prüfstand. Klassische Marktmacht, die an der Umsatzgröße gemessen wird, muss in der digitalen Welt neu definiert werden. Bei der Frage der Marktbeherrschung geht es auch darum, welche Daten wie miteinander verbunden und genutzt werden.

Das steht und fällt mindestens mit der Einwilligung der Verbraucher. Wir werden aber sorgfältig überlegen müssen, ob alleine die Einwilligung in die Nutzung von Daten ausreicht. Denn es kann auch Marktmachtsituationen geben, in denen ich als Nutzer keine Alternative habe und damit meine Wahlfreiheit massiv eingeschränkt ist. Da hilft dann das bloße Einwilligungsgebot wenig. Hier brauchen wir stärkere wettbewerbsrechtliche Eingriffsrechte.

Was bedeutet das für den Gesetzgeber?

Der Gesetzgeber muss prüfen, ob das Bundeskartellamt ausreichend ausgestattet ist, um seine Aufgaben bei den Herausforderungen der Digitalisierung angemessen zu erfüllen. Vor allem im Hinblick auf einen funktionierenden Wettbewerb im Sinne der Verbraucher. Eine Industriepolitik, die nur große Player unterstützt, ist der falsche Weg.

Was halten Sie davon, Facebook zu zerschlagen?
Das ist nicht praktikabel. Die verfassungsrechtlichen Hürden für die Zerschlagung eines Unternehmens sind sehr hoch. Und da ich eher ins Gelingen verliebt bin, ist der Schritt, den das Bundeskartellamt jetzt geht, sowohl im Sinne der Verbraucher als auch im Sinne des Wettbewerbs.

Facebook ist nicht der einzige Internetkonzern, dessen Geschäftsmodell auf der Nutzung von Daten basiert. Brauchen wir eine Debatte darüber, wie viel Datenmacht akzeptabel ist?
Die Debatte läuft schon. Es muss dann aber auch politisch gehandelt werden. Die Bundesregierung sollte sich noch in dieser Legislaturperiode darüber Gedanken machen, wo hier aus Verbraucher- und aus Datenschutzsicht der Datenmacht von Konzernen Grenzen gesetzt werden müssen. Leider findet derzeit unter dem Stichwort Industriepolitik eine Diskussion unter merkwürdigen anderen Vorzeichen statt.

Herr Müller, vielen Dank für das Interview.