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Völkerverständigung: Tegernseer Braumeister am Fuji

Fujinomiya (dpa) - Japans heiliger Berg Fuji lugt kurz hinter dichten Wolken hervor, während an seinem Fuße zünftige bayerische Volksmusik dudelt.

«Yokoso, irasshaimase» («Herzlich willkommen, treten Sie ein»), begrüßt Stephan Rager (55) seinen Gast auf Japanisch vor einem Foto, das den Bayern vom Tegernsee mit dem damaligen japanischen Kronprinzen und heutigen Kaiser Naruhito zeigt.

Daneben zieren Bierhumpen und Flaschen mit dem Etikett «Bayern Meister Bier» die Theke. So heißt Ragers Brauerei. Er ist der einzige deutsche Brauereibesitzer im Land der aufgehenden Sonne. Sein Bier braut er nach deutschem, genauer gesagt nach bayerischem Reinheitsgebot. Mit dem Wasser vom Fuji. «Das ist das beste Wasser zum Bierbrauen in ganz Japan», schwärmt der Mann aus Bad Wiessee mit bayerischem Akzent.

Wie alles begann

Alles begann Mitte der 90er Jahre. Um die Wirtschaft anzukurbeln, erleichterte Japan damals die Gründung kleiner Brauereien. Viele Anlagen wurden aus der traditionellen Bierhochburg Deutschland in den Inselstaat verkauft. Zugleich waren deutsche Braumeister gefragt, um den Aufbau solcher Gastbrauereien in Japan zu leiten, das Personal zu schulen und natürlich Bier zu brauen. «So bin ich hierhergekommen», erinnert sich Stephan Rager an den Beginn seines Japan-Abenteuers.

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In Fujinomiya, dem Heimatort seiner Frau Yukari am Fuße des Weltkulturerbes Fuji, pachtete das Ehepaar ein paar Jahre später die ehemalige Lagerhalle eines Sake-Herstellers und baute dort komplett in Eigenarbeit eine eigene kleine Bierbrauerei mit angeschlossenem kleinen Restaurant auf. Im Sommer 2004 war der Start.

Seither braut Rager sein «Bayern Meister Bier», streng nach dem bayerischen Reinheitsgebot. «Wir nehmen ausschließlich Wasser, Hopfen, Malz und Hefe, so wie die meisten Brauereien in Deutschland auch», erzählt der Bayer stolz und blickt auf seine drei glänzenden Kupferkessel. Die Zutaten importiert er fast ausschließlich aus Deutschland. Aus diesen wird die Maische, eine Zwischenstufe des Biers aus Hopfen und Malz, in Edelstahltanks gepumpt und mit Hefe versetzt. Nach der Gärung fließt Ragers Bier schließlich in die Flaschen. Vier Hauptsorten hat er dabei im Angebot: ein Pils namens Prinz, sein Weizen namens Edelweiße und zwei wechselnde Saisonbiere.

Nur in Flaschen

Rager ist im Land der aufgehenden Sonne ein Nischenanbieter. Dominiert wird der Biermarkt von den vier Großbrauereien Kirin, Asahi, Suntory und Sapporo, die zusammen einen Marktanteil von über 95 Prozent haben. Während diese rund um die Uhr fast nur Dosenbier produzieren, füllt «Bayern Meister Bier» coronabedingt ein bis zwei Mal im Monat ausschließlich in Flaschen ab. Zwar hätten die meisten Braumeister der großen japanischen Brauereien auch in Deutschland gelernt, dennoch brauten sie nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot, erklärt Rager. Vor wenigen Jahren wurde die Definition von Bier sogar nochmals verwässert. Seither darf man ein Getränk in Japan auch dann noch Bier nennen, wenn der Malzgehalt nur mehr 50 Prozent beträgt.

Zudem sind als Gewürz nicht nur Hopfen erlaubt, sondern auch Zutaten wie Fisch, Krebsextrakt oder Tomatensaft. «Alles, was man sich nicht vorstellen kann, ist drin», sagt Rager und fügt mit Augenzwinkern hinzu: «Teils heftig. Ob es schmeckt, muss jeder selbst entscheiden.»

Von einer wirklichen Bierkultur könne man in Japan ohnehin nicht sprechen. «Allgemein wird geglaubt, Japaner seien große Biertrinker. Doch das muss man ganz klar revidieren», sagt der Bayer. Zwar seien in Japan Oktoberfeste beliebt. So sehr, dass es sie von Frühjahr bis Herbst überall im Inselreich gibt. Doch während in Deutschland jährlich pro Kopf um die 99 Liter Bier getrunken werde, seien es in Japan gerade mal etwa 39 Liter. «Das sind Welten», sagt Rager.

Bierkonsum sinkt

Die rasante Überalterung der japanischen Gesellschaft und der seit Jahren andauernde Bevölkerungsrückgang mangels Immigration trage dazu bei, dass der Bierkonsum in Japan seit Jahren sinke. «Die jungen Leute trinken nicht mehr so viel Bier», sagt Rager. Sie bevorzugten alkoholische Mixgetränke, die billiger als das hoch besteuerte Bier seien. Daneben gibt es schon seit Jahrzehnten eine billige Bieralternative namens Happoshu, «sprudelnder Alkohol». Bier werde in japanischen Kneipen ohnehin oft nur als Einstiegsgetränk getrunken, erzählt Braumeister Rager. Danach würden Japaner dann schnell auf stärkere Alkoholika wie Sake oder Whisky-Mix-Getränke umsteigen.

Doch das kann Rager nicht bekümmern. Sehr gut komme unter seinen Kunden, die das bayerische Reinheitsgebot zu schätzen wissen, sein Weißbier an, erzählt der Mann vom Tegernsee stolz. Auch sein Pils passe «gut zum japanischen Fisch - nicht zu bitter und nicht zu süß». Rager und Frau Yukari, die im Restaurant vor der Brauerei deutsche Hausmannskost wie Spätzle, Schweinebraten und Würstle anbietet, zählen zu ihrer Kundschaft Japaner wie auch Deutsche. So ist «Bayern Meister Bier» bevorzugter Lieferant der Botschaft in Tokio.

Aus Anlass 160 Jahre deutsch-japanischer Freundschaft braute Rager im vergangenen Jahr eigens ein Bier mit Matcha, grünem Tee. «Das einzige Kompromissbier, das nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wird», gesteht der Bayer und lacht herzlich. «Das ist aber ein super Bier.»