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„Völlig wirklichkeitsfremd“ – Griechenlands Hoteliers kritisieren Corona-Auflagen der Regierung

In der griechischen Reisebranche wachsen die Sorgen wegen drohender skurriler Corona-Auflagen. Dabei soll der Tourismus schon bald wieder hochfahren.

Am Strand von Alimos in der Nähe von Athen werden die Liegestühle desinfiziert. Foto: dpa
Am Strand von Alimos in der Nähe von Athen werden die Liegestühle desinfiziert. Foto: dpa

Alexandros Anemogiannis ist ungeduldig. „Wir tappen im Dunkeln“, sagt der Direktor des Fünf-Sterne-Hotels Corfu Palace auf der griechischen Insel Korfu. Am 1. Juli soll der Tourismus wieder anlaufen in Griechenland, so hat es Premierminister Kyriakos Mitsotakis persönlich verkündet.

Aber unter welchen Bedingungen? „Wie viele Gäste darf ich einbuchen, wie viele Tische im Restaurant aufstellen, wie viele Liegen am Pool?“, fragt der Hotelmanager. „Wir werden uns an alle Vorschriften halten“, sagt Anemogiannis, „aber dazu müssen wir sie erst einmal kennen.“

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So geht es derzeit allen Hoteliers in Hellas. Sie möchten wieder Reservierungen annehmen, um die Saison wenigstens teilweise zu retten. Die Griechen sehen sich gut aufgestellt, denn sie haben die Corona-Pandemie bisher besser gemeistert als konkurrierende Urlaubsländer.

Die Reproduktionszahl „R0“ liegt bei weniger als 0,5. 162 Menschen sind bis Sonntag in Griechenland an Covid-19 gestorben. Das sind 15 Tote pro Million Einwohner. In Deutschland ist die Zahl mehr als sechsmal so hoch, in Spanien und Italien fast 40-mal und in der Türkei mehr als dreimal so hoch.

Eigentlich ein Startvorteil für die Griechen. Bundesaußenminister Heiko Maas will an diesem Montag in einer Videokonferenz mit seinen Kollegen aus beliebten Urlaubsländern darüber beraten, wie die Reisebeschränkungen nach und nach gelockert werden können. Zugeschaltet ist auch der griechische Außenminister Nikos Dendias.

Gesundheitsbehörde legt mehr als 150 Vorschläge vor

Aber noch ist unklar, wann die seit Mitte März geschlossenen Hotels in Griechenland wieder öffnen dürfen. Und vor allem: unter welchen Auflagen. Bis zum Ende dieser Woche will die Regierung Termine nennen und ein Regelwerk für die Hotels vorlegen.

Dazu hat sie in Zusammenarbeit mit der staatlichen Gesundheitsbehörde EODY bereits einen Katalog mit mehr als 150 Vorschlägen ausgearbeitet, der seit vergangener Woche den Verbänden der Tourismuswirtschaft zur Stellungnahme vorliegt. Einige Ideen, wie Hygienevorschriften für das Hotelpersonal, sind unstrittig. Andere geplante Auflagen des Katalogs seien aber „völlig wirklichkeitsfremd“, klagen Branchenexperten.

Wie die geplante Vorschrift, wonach die Hotels Krankenstationen einrichten, mit dem entsprechenden Personal ausstatten und einen „Hygienebeauftragten“ beschäftigen müssen. „Wo soll ich dieses Personal in so kurzer Zeit finden und ausbilden?“, fragt Theo Banas.

Im Norden der Insel Paros betreibt der 52-Jährige mit Frau und Tochter ein Familienhotel. „Wahrscheinlich werde ich wegen der Abstandsregeln ohnehin nur jedes zweite Zimmer belegen können“, sagt Banas. Selbst mit der halben Zahl von Gästen bekäme der Hotelier aber logistische Probleme. Er holt seine Urlauber mit einem Minibus vom Fährhafen oder Flugplatz ab.

Jetzt darf er mit dem neunsitzigen Fahrzeug höchstens drei Personen pro Fahrt mitnehmen. „Wenn fünf Gäste ankommen, soll ich dann zwei von ihnen warten lassen?“, fragt Banas. Der Hotelbesitzer ist noch unentschlossen, ob er unter diesen Umständen überhaupt öffnen wird.

Eigene Badezonen für Senioren?

Auch die geplante Auflage, wonach jedes Hotel mit einem Vertrauensarzt zusammenarbeiten soll, der von der Gesundheitsbehörde EODY speziell im Umgang mit Covid-19 geschult ist und entsprechende Tests vornehmen kann, stößt in der Branche auf Unverständnis. Auf vielen kleineren Ferieninseln gibt es gerade mal einen Landarzt – wo sollen da die Covid-Experten für die Hotels herkommen?

Ebenfalls umstritten ist der Vorschlag der Gesundheitsbehörden, Hochrisikogruppen wie Senioren besondere Zonen oder eigene Badezeiten am Pool zuzuweisen. Die Senioren sollen von speziellem Personal bedient werden, das keinen Kontakt zu den anderen Gästen haben darf. Viele Hotelmanager sehen darin eine Diskriminierung. Die Vorstellung, an der Hotelrezeption über Vorerkrankungen Auskunft geben zu müssen und dann in eine bestimmte Sektion am Pool abgeschoben zu werden, dürfte auch auf die betroffenen Urlauber abschreckend wirken.

Genauso umstritten ist der Vorschlag der Regierung, der „Hygienebeauftragte“ des Hotels und das Personal sollten die Gäste „diskret beobachten, um frühzeitig Symptome einer Infektion festzustellen“. Vor allem Kinder sollen überwacht werden, heißt es in dem Papier. Ein Athener Hotelmanager: „Wir werden ganz sicher unseren Gästen nicht nachspionieren!“

An diesem Montag wollen die Branchenverbände der Regierung ihre Stellungnahmen zu dem umstrittenen Maßnahmenkatalog vorlegen – in der Hoffnung, dass dann rasch Klarheit darüber besteht, welche Abstandsregeln gelten, wie viele ihrer Zimmer die Hotels belegen dürfen und ob sie tatsächlich, auch das eine Forderung der Gesundheitsbehörden, ihre Rezeptionen mit Plexiglasscheiben abschirmen müssen. Die Zeit drängt, wenn der Tourismus, wie von Premier Mitsotakis angekündigt, zum 1. Juli anlaufen soll.

Davon hängt für Griechenland viel ab. Kein Land der EU, ausgenommen Zypern, ist in so hohem Maß vom Fremdenverkehr abhängig. Er steuert nach Angaben des World Travel & Tourism Council (WTTC) direkt 21 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Am Tourismus hängen 989.000 Arbeitsplätze, was einem Viertel aller Jobs entspricht. Er ist damit die wichtigste Säule der griechischen Wirtschaft.

Viele Unternehmen fürchten trotz Staatshilfen die Pleite

Aber wie die griechischen Unternehmen insgesamt, ist auch die Tourismusbranche eher kleinteilig aufgestellt. Die meisten der 10.221 Hotels sind Familienbetriebe. Das macht den Charme des Reiseziels Griechenland aus. Aber diese Kleinunternehmen sind überwiegend schwach kapitalisiert und haben keine großen Liquiditätsreserven.

Der Staat will den Unternehmen mit Steuerstundungen, Kurzarbeitergeld und Kreditbürgschaften beistehen. Auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für die Gaststätten und Hotels ist im Gespräch. Aber zwei von drei griechischen Hoteliers fürchten, dass die Coronakrise sie in die Pleite treiben wird, so eine Umfrage der Hotelkammer.

„Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass die Flugverbindungen wieder aufgenommen und realistische, praxistaugliche Protokolle für den Betrieb der Tourismusunternehmen definiert werden“, sagte Yiannis Retsos, Präsident des Branchenverbandes Sete, der Zeitung „Kathimerini“. „Dann wird sich entscheiden, wie viele Unternehmen dieses Jahr wieder öffnen.“

„Alles hängt jetzt davon ab, wann wieder geflogen wird“, meint Hotelmanager Anemogiannis auf Korfu. „Aber viele Hotels auf der Insel werden in diesem Sommer nicht öffnen“, sagt er. Und manche, so glaubt der Branchenexperte, werden in die Insolvenz gehen: „Erst im vergangenen Jahr hatten wir die Pleite von Thomas Cook zu verkraften“, ruft Anemogiannis in Erinnerung, „und nun die Coronakrise.“

Sein Haus wird in jedem Fall öffnen. Aber eine ertragreiche Saison erwartet der Hotelchef nicht: „Geld werden wir dieses Jahr nicht verdienen“, sagt Anemogiannis, „aber wir hoffen, wenigstens unsere Angestellten ordentlich bezahlen zu können.“