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US-Ökonom Shiller: „Die Rezession wird kommen“

Der Ökonomie-Nobelpreisträger über die zunehmenden Risiken für die Weltwirtschaft, die fatalen Folgen der Handelskonflikte und Trumps Wiederwahl.

Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller sieht die Perspektiven der amerikanischen Wirtschaft skeptisch. „Die Rezession wird kommen, da bin ich mir ziemlich sicher“, sagte Shiller dem Handelsblatt. Ursache seien vor allem die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. „Die Angst vor einer Eskalation dieser Konflikte zerstört schon jetzt ganze Businesspläne von Unternehmen weltweit. Das kann schnell in einer Rezession münden — nicht nur in den USA.“

Die anstehende Abschwächung der US-Konjunktur sei an den Finanzmärkten „nicht eingepreist“, so Shiller: „Alle drei wichtigen Anlageklassen, Aktien, Anleihen und Immobilien befinden sich auf einem Hoch oder in der Nähe des Hochs. Überbewertet sind vor allem vor allem die amerikanischen Aktienmärkte“.

Der Yale-Ökonom hatte bereits das Platzen der „New Economy“ Internetblase kurz nach der Jahrtausendwende vorhergesehen. Auch den Absturz der Immobilienpreise im Jahr 2007, der die Weltfinanzkrise auslöste, hatte er prophezeit.

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Scharfe Kritik übte Shiller generell an der Außenpolitik Trumps. „Der Präsident ist dabei, die Reputation der USA zu zerstören. Und es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, diese Reputation aufzubauen“. Es gebe eine „Form der Willkür und der Unberechenbarkeit in der Regierung, die angesichts der Verflechtungen der USA und der Weltwirtschaft die ganze Welt betreffen“, warnte Shiller.

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Herr Shiller, die halbe Welt klagt über die katastrophalen Folgen der Politik Donald Trumps – auch Sie. Nur der US-Wirtschaft kann all das nichts anhaben – sie ist robust. Zumindest wirtschaftspolitisch scheint der US-Präsident nicht alles falsch zu machen, oder?
Das sehe ich anders. Schauen Sie sich das Wirtschaftswachstum an. Den starken Trend gibt es schon seit Langem. Er begann mit der Präsidentschaft Barack Obamas – und dauert an. Präsident Trump vollbringt keine Wunder. Im Gegenteil: Seine Wirtschaftspolitik ist gefährlich. Die Wirtschaft ist trotz Trump stark, nicht wegen Trump.

Weder an den jüngsten Wachstums- noch an Arbeitslosenzahlen lässt sich diese Gefahr ablesen. Das sind doch harte, aussagekräftige Daten.
Ja, aber wie gesagt: Der Trend hält schon lange an. Die Expansion ist die längste, die wir seit den 1850er-Jahren erlebt haben. Auch die Arbeitslosigkeit sinkt seit zehn Jahren und befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 50 Jahren. Das ist schon beeindruckend, aber die Trendwende ist absehbar.

Wann erwarten Sie diese? Wenn Sie sich die großen Volkswirtschaften anschauen, Europa, Japan, ja sogar China, dann wirken die USA doch immer noch ziemlich robust.
Ja, das sind sie noch. Aber das hat weniger mit der konkreten Wirtschaftspolitik des Präsidenten zu tun, sondern mehr mit der Zuversicht, die er verbreitet. Das steckt an: Die Amerikaner sind optimistisch.

Sie meinen, er weckt die Animal Spirits, wie Sie es in Anlehnung an John Maynard Keynes einmal sagten?
So ist es. Trump macht selbst Menschen Mut, die in den zum Untergang bedrohten Industrien arbeiten, etwa die in den Kohleminen. Sie glauben an Trump und seine Storys, dass es jeder schaffen kann. Sie lieben die gezielten Tabu- und Regelbrüche. Diesen Effekt darf man neben den vielen Risiken, die Trumps Politik mit sich bringt – seien es nun die Handelskriege, die er anzettelt, oder auch seine geopolitische Waghalsigkeit –, nicht unterschätzen.

Also nicht die massiven Steuersenkungen treiben die Wirtschaft, sondern der „spirit“, den Trump verbreitet?
Auch die Steuersenkungen fördern Trumps Narrativ, jeder könne Milliardär werden. All jene, die von Steuererhöhungen reden, verbreiten diesen Geist jedenfalls nicht. Trump gibt mit seinem protzigen Lebensstil für viele Konsumenten einen maßgebenden Impuls. Die Amerikaner wollen an dieses Narrativ glauben. Das gilt übrigens auch für den technologischen Bereich: Die Amerikaner sehen in der Künstlichen Intelligenz keine Bedrohung für bestehende Arbeitsplätze – was sie tatsächlich ist. Sie gilt als Segen – so denken die Amerikaner. Und Trump trifft diesen Nerv.

Er trifft offenbar auch den Nerv der Börsen, die US-Aktienmärkte befinden sich in der Nähe des Allzeithochs. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Es ist eine bedenkliche Entwicklung. Alle drei wichtigen Anlageklassen, Aktien, Anleihen und Immobilien, befinden sich auf einem Hoch oder in der Nähe des Hochs. Nehmen wir die Häuserpreise, die so wichtig für die Konjunkturentwicklung sind. Sie sind nicht so hoch bewertet wie im Jahr 2006, aber wir bewegen uns in diese Richtung.

Sie meinen also, die Immobilien sind überbewertet?
Sie sind zumindest sehr hoch bewertet. Überbewertet sind vor allem die amerikanischen Aktienmärkte.

Sie glauben, wir stehen vor einem Crash?
Jedenfalls ist es bedenklich, dass die drei wichtigsten Assetklassen sich parallel auf so einem hohen Niveau befinden.

Wo steht die Korrektur zuerst an, und wann sehen Sie den Zeitpunkt gekommen?
Wenn ich das wüsste! Ökonomen haben nicht den besten Ruf, was ihre Prognosefähigkeit angeht.

Sie hatten also nur Glück, als Sie den Crash 2008/09 vorhersagten?
(Lacht) Ja, das kann man so sehen. Es gibt nichts Ungewisseres als die Zukunft. Das gilt erst recht in Zeiten Donald Trumps. Seit er Präsident ist, gibt es so viele Unwägbarkeiten, dass sich überzeugende Vorhersagen kaum noch treffen lassen.

Also, was sagt Ihnen Ihr Gefühl?
Ich denke, am anfälligsten sind die Aktienmärkte. Die anstehende Abschwächung der US-Konjunktur ist nicht eingepreist. Und die Rezession wird kommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Sie sprachen eben von den Risiken der Wirtschaftspolitik Trumps. Wie gefährlich ist seine Handelspolitik?
Die Angst vor einer Eskalation dieses Konflikts zerstört schon jetzt ganze Businesspläne von Unternehmen weltweit. Das kann schnell in eine Rezession münden – nicht nur in den USA. Vielleicht trifft es die USA sogar weniger als andere Staaten in Europa oder Asien, weil die Investitionen der Unternehmen hier nicht so wichtig für die konjunkturelle Entwicklung sind. In Amerika ist der Konsument entscheidend.

Kann man also doch Handelskriege gewinnen, wie Trump sagt?
Der Präsident betreibt Politik aus dem Bauch heraus. Er spürt, dass er mit seinem aggressiven Protektionismus anderen Staaten mehr Schaden zufügen kann als der eigenen Volkswirtschaft. Wie Trump denkt, zeigt das Buch seines ökonomischen Beraters, Peter Navarro. „Death by China“ hat er sein Buch genannt – auch so ein Narrativ, das große Wirkung entfaltet.

Aber Trump attackiert ja nicht nur China, sondern auch Verbündete wie Europa, es drohen Zölle auf Autoimporte in Höhe von 25 Prozent. Wie sollte Europa sich verhalten gegenüber diesem aggressiven Kurs?
Das ist schwierig. Europa bleibt wohl kaum etwas übrig, als zu verhandeln. Der US-Markt ist zu wichtig. Die Verhandlungen über die nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) könnten möglicherweise ein Vorbild für Europa sein. Der neue Nafta-Vertrag hat jetzt einen neuen Namen, in der Substanz hat sich aber wenig geändert. Wichtig für Trump war allein, dass er am Ende in der Öffentlichkeit als Sieger dasteht.

Wie sehen Sie die Entwicklung in Europa? Ein ganzer Kontinent scheint gelähmt, nicht nur wegen des Brexits und des Aufstiegs der Rechtspopulisten, sondern auch das Phänomen Trump überfordert ihn. Es ist wie ein Kulturschock für Europa.
Nicht nur für Europa, für mich war es auch einer. Der Präsident ist dabei, die Reputation der USA zu zerstören. Und es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, diese Reputation aufzubauen. Trump entließ hochrangige Regierungsvertreter in beispielloser Geschwindigkeit. Er wollte sicherstellen, dass nur absolut loyale Mitarbeiter und keine unabhängigen Geister in seinem Regierungsapparat sitzen. Die Folge ist eine neue Form der Willkür und der Unberechenbarkeit in der Regierung, die angesichts der Verflechtungen der USA und der Weltwirtschaft die ganze Welt betreffen.

In der Anfangsphase Trumps hieß es noch, Europa solle das Vakuum füllen, das die USA hinterlassen. Waren das nicht Wunschträume?
Ich fürchte, ja. Im Vergleich zu Amerika wirkt Europa schwach – ökonomisch wie politisch. Vor allem der Brexit ist ein schwerer Rückschlag für den Kontinent. Nein, ich glaube nicht, dass ein europäischer Traum eines Tages den amerikanischen ersetzen kann. Es steht eher zu befürchten, dass es in weiter Zukunft so etwas wie den chinesischen Traum geben wird. Es sieht so aus, als stünden wir vor einem chinesischen Jahrhundert.

Was die Dominanz angeht, vielleicht. Aber kann China ein zuverlässiger Partner sein? Trotz Hongkong-Krise und der Unterdrückung der Uiguren glaubt mancher Europäer tatsächlich immer noch, dass die Chinesen womöglich der zuverlässigere Partner sein könnten als ein Amerika unter Trump. Wie sehen Sie das?
Vielleicht nicht zuverlässiger, aber sicher immer wichtiger. Allein die Zahl der Chinesen und die Tatsache, dass sie unwahrscheinlich smart vorgehen, spricht dafür. Der Präsident weiß schon, warum er China derart bekämpft.

Seine aggressive China-Politik findet in den USA große Unterstützung – nicht nur im Kongress, sondern auch in der Bevölkerung. Glauben Sie, Trump wird wiedergewählt?
Es könnte sein, ich persönlich glaube aber nicht daran. Die Ermittlungen zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) könnten dem Präsidenten am Ende doch schaden – auch wenn die Republikaner ihren Präsidenten mit ihrer Mehrheit im Senat freisprechen werden.

Können Sie erklären, warum die Demokraten dieses Verfahren angehen, wo sie doch sicher sein können, dass die republikanische Mehrheit im Senat ihren Präsidenten freisprechen wird? Ist das die richtige Strategie?
Jede Strategie hat ihre Risiken. Aber es liegen sicher auch Chancen in diesem Verfahren. Es ist eine politische Show, in der die Demokraten der amerikanischen Bevölkerung klarmachen wollen, was für ein Mensch im Weißen Haus regiert. Die Zeugen, die im Geheimdienstausschuss aussagen, wirken sehr vernünftig und haben wenig Schmeichelhaftes zu berichten. All das erinnert mich an den republikanischen Senator Joe McCarthy in den frühen 50er-Jahren. Der war sehr populär, aber auch in seinem antikommunistischen Wahn ein bisschen verrückt – wie Trump. Am Ende richtete sich die öffentliche Meinung gegen ihn. Die Bürger hörten ihn fast täglich reden – und entschieden sich am Ende, ihn für verrückt zu halten.

Das Gleiche soll Trump passieren? Er wird wohl kaum aussagen im Kongress, bei einem Verfahren, das er als „Hexenjagd“ bezeichnet ...
... und selbst wenn er dort aufträte, müsste das nichts Gutes aus Sicht der Demokraten bedeuten. Er wird eine Show daraus machen. Und da hat er Talent, ohne Zweifel. Am Ende aber werden die Wahlen im November 2020 entscheiden.

Wer wäre aus Ihrer Sicht der aussichtsreichste Kandidat der Demokraten?
Ich halte Michael Bloomberg für den aussichtsreichsten Kandidaten. Er ist ein ehemaliger Republikaner und als Mann der politischen Mitte längst nicht so kontrovers wie die anderen Bewerber.

Sie kennen ihn persönlich?
Ich traf ihn einmal im Aufzug in New York – und sagte ihm, er solle für die Präsidentschaft kandidieren.

Offenbar hat er auf Sie gehört.
Das glaube ich kaum. Er wird sich nicht erinnern. Das ist schon einige Jahre her.

Glauben Sie ernsthaft, dass ein Milliardär Chancen hätte, den Rückhalt in seiner Partei zu gewinnen?
Das ist schwierig, er ist spät gestartet. Aber Sie haben mich ja gefragt, wer der aussichtsreichste demokratische Kandidat sei, der eine Chance gegen Trump hätte. Und nicht, wer die besten Chancen hat, demokratischer Kandidat zu werden.

Können Sie sich die Senatorin Elizabeth Warren als Präsidentin vorstellen? In Umfragen hat sie gegenüber Joe Biden zuletzt stark aufgeholt.
Ja, das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich kenne sie persönlich, sie ist sehr smart. Und eine Frau für die USA – das wäre ein Meilenstein.

Glauben Sie wirklich, dass eine Politikerin, die eine staatliche Einheits-Krankenversicherung und hohe Steuern für die Reichen fordert, im traditionell Big-Government- skeptischen Amerika eine Chance auf das Präsidentenamt hätte?
Prinzipiell würde ich das nicht ausschließen. Wie gesagt, die Rezession wird kommen, und die Menschen werden Schuldige suchen und die Frage der sozialen Gerechtigkeit stellen. Die wachsende Ungleichheit ist in der Tat ein Problem. Die Kluft zwischen Arbeiterklasse und College-Klasse wird größer. Hier in Amerika sind die Universitäten kaum zugänglich für jüngere Menschen aus ärmeren Haushalten.
Herr Shiller, vielen Dank für das Interview.