Urteil zu EZB-Staatsanleihen eingehalten? Verfassungsgericht reagiert
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Das Bundesverfassungsgericht hat vor einem Jahr Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) beanstandet und sich zum ersten Mal über eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinweggesetzt. Doch es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob die deutsche Politik die Vorgaben aus Karlsruhe ordnungsgemäß umgesetzt hat. Während Bundesregierung und Bundestag davon überzeugt sind, sehen der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler und eine Klägergruppe um den früheren AfD-Chef Bernd Lucke das anders. Sie haben zwei Anträge auf Erlass einer sogenannten Vollstreckungsanordnung eingereicht. Hierzu will das Gericht am Dienstag (9.30 Uhr) Stellung nehmen. (Az. 2 BvR 1651/15 u.a.)
Der Zweite Senat hatte im Mai vergangenen Jahres mehreren Klagen gegen das 2015 gestartete Kaufprogramm PSPP zur Ankurbelung von Inflation und Konjunktur überwiegend stattgegeben. Die Notenbank überspanne damit ihr Mandat für die Geldpolitik. Die Richterinnen und Richter verpflichteten damals Bundesregierung und Bundestag, für eine weitere Beteiligung der Bundesbank darauf hinzuwirken, dass die EZB nachträglich prüft, ob die milliardenschweren Käufe verhältnismäßig sind. Dafür bekamen sie drei Monate Zeit.
Weil sich Karlsruhe mit seinem Urteil offen gegen den EuGH gestellt hatte, prüft die EU-Kommission noch, ob sie ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet. Der EuGH hatte dem Kaufprogramm im Dezember 2018 gegen massive Bedenken aus Karlsruhe seinen Segen erteilt. Diese Vorabentscheidung aus Luxemburg sei "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar", hieß es in der Entscheidung der deutschen Verfassungsrichter.