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Unternehmer-Nachwuchs fordert neuen Anlauf für Digitalministerium

In der Wirtschaft sorgt die Digitalpolitik im Bund zunehmend für Unmut. Abhilfe könnte eine Bündelung der Zuständigkeiten schaffen, doch die SPD spielt nicht mit.

Für die CDU ist die Sache klar: „Um die wegweisenden Entscheidungen treffen zu können, braucht es ein Digitalministerium als ranggleiche Einheit innerhalb der Bundesregierung“, heißt in der Digitalcharta der Christdemokraten, die auf dem Bundesparteitag in Leipzig 2019 beschlossen wurde.

Seitdem hat sich in der Sache wenig bewegt. Doch mit der personellen Neuaufstellung der CDU-Führung und der damit verbundenen Frage der Kanzlerkandidatur könnte sich das nun ändern. „Für uns ist klar: Der nächste Kanzler der Union muss das Digitalministerium umsetzen. Das ist Grundbedingung für unsere Unterstützung“, schreibt der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.

Damit setzt Kuban die Bewerber um den CDU-Vorsitz unweigerlich unter Zugzwang. Von Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen erwartet er ein eindeutiges Bekenntnis zu einem eigenständigen Digitalressort im Bund. Am leichtesten dürfte dies Laschet fallen. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat er mit dem FDP-Politiker Andreas Pinkwart bereits einen Digitalminister im Kabinett.

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Jedoch: Auf Bundesebene dürfte das aber schwer umzusetzen sein. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte kürzlich mit Blick auf ein Bundes-Digitalressort von einer Idee aus den 80er-Jahren gesprochen und stattdessen eine bessere Steuerung und Koordinierung der Digitalpolitik im Digitalkabinett durch das Kanzleramt gefordert. Solche Widerstände sind für JU-Chef Kuban, aber auch für Vertreter der Wirtschaft nicht nachvollziehbar.

„Natürlich ist und bleibt die Gestaltung der Digitalisierung eine Querschnittsaufgabe“, erklärt Kuban. Aber am Ende aber könne nur ein Kabinettsmitglied Digitalminister sein. „Er oder sie wird jetzt dringend gebraucht, um die zentralen Initiativen zu bündeln und zu beschleunigen.“ Der Wirtschaft spricht der JU-Chef damit aus der Seele.

Digitalreport: Bundesregierung ohne Durchblick

„Der momentane digitalpolitische Flickenteppich, die Aufteilung zwischen Innen-, Justiz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie zusätzlich dem Bundeskanzleramt tut der deutschen digitalen Wirtschaft, allen voran den deutschen Start-ups, nicht gut“, sagte der Präsident des Bundesverbands Deutsche Start-ups, Christian Miele, dem Handelsblatt.

„Wir brauchen diese zentrale Stelle, die einen Gestaltungsanspruch an die Digitalisierung unserer Gesellschaft und der Wirtschaft hat.“ Dieses Ministerium müsse die dafür nötigen Entscheidungskompetenzen auf legislativer und exekutiver Ebene sowie die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen zugesprochen bekommen.

Der Ruf nach einer Bündelung der Digitalpolitik in einem Bundesinnenministerium kommt nicht von ungefähr. Deutschland zählt unter den Industrienationen zu den Nachzüglern in puncto Digitalisierung. Glaubt man dem Digitalreport 2020 des Allensbach-Instituts, der vor kurzem veröffentlicht wurde, dürfte einer der Gründe im Zuständigkeitswirrwarr der Bundesregierung liegen. Jedenfalls sind die meisten der für den Report befragten Bürger überzeugt: Für die erfolgreiche Gestaltung des digitalen Wandels fehlt der Bundesregierung schlicht der Durchblick.

Union und SPD haben jedoch, als sie ihren Koalitionsvertrag vor zwei Jahren ausgehandelt haben, auf eine Bündelung digitaler Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung verzichtet. Stattdessen gibt es seit März 2018 eine Digitalstaatsministerin – Dorothee Bär (CSU) –, außerdem eine Abteilung für Digitalpolitik im Kanzleramt, ein Digitalkabinett und einen Digitalrat, der die Regierung berät. Dass sich diese Aufteilung bewährt hat, glaubt inzwischen aber kaum noch jemand. Die Hoffnung ist, die alten Strukturen schon bald in einem eigenen Ressort aufgehen lassen zu können.

„Wir wissen nicht, ob ein Digitalministerium hier Abhilfe schaffen kann, aber wir sagen: Lasst uns diesen Schritt nach vorne einmal ausprobieren“, betont Start-up-Verbandspräsident Miele. „Besser als das, was wir jetzt haben, ist es allemal“, fügte der Chef der wichtigsten Lobby des deutschen Unternehmer-Nachwuchses hinzu.

Schleswig-Holstein als Vorbild?

Auch der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, ist der festen Überzeugung, dass an einem eigenständigen Digitalministerium kein Weg vorbeiführt. „Wir sollten nicht über das Ob diskutieren, sondern über das Wie und Wann“, sagte Berg dem Handelsblatt. „Das Ressort sollte so schnell wie möglich eingerichtet werden, wenn möglich noch in dieser Legislaturperiode.“ Deutschland müsse „bei der Digitalisierung vom Getriebenen zum Antreiber werden“, betonte Berg.

Wie JU-Chef Kuban sieht auch der Bitkom-Chef die Digitalisierung als ein Querschnittsthema. „Umso wichtiger ist die Konzertierung und Koordinierung, also die Federführung durch ein Digitalministerium“, sagte Berg. Nach seiner Vorstellung muss das Amt des Digitalministers mit allen Rechten und Ressourcen ausgestattet werden, um die Digitalpolitik der Bundesregierung zu gestalten und zu beschleunigen. „Analog zum Finanzierungsvorbehalt des Finanzministeriums sollte ein Digitalvorbehalt für alle Gesetze, die Digitalfragen berühren, eingeführt werden.“

Dass es eines solchen Vorbehalts nicht zwingend bedarf, um erfolgreich zu sein, davon ist Schleswig-Holsteins Digitalminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) überzeugt. „In der Digitalpolitik geht es vorrangig um kreatives Gestalten, um das Aufsetzen von Rahmenbedingungen. Ein Vetorecht, wie es zum Beispiel der Finanzminister hat, macht in diesem Bereich deshalb keinen Sinn“, sagte Albrecht dem Handelsblatt.

Albrecht verweist auf die positiven Rückmeldungen aus der Wirtschaft. Er registriere eine „große Zufriedenheit“, weil es einen „eindeutigen Ansprechpartner“ gebe, sagte der Grünen-Politiker. „Wenn man über das Querschnittsthema Digitalisierung reden möchte, gibt es ein Ressort, das in der Lage ist, die Fragen zu bündeln und einen Überblick darüber zu geben, was in Sachen Digitalisierung los ist im Land.“

Sein Bundesland sieht Albrecht denn auch als Vorbild für den Bund. „So wie wir es geregelt haben, kann ich es guten Gewissens auch anderen Bundesländern und dem Bund empfehlen“, sagte er. „Wir haben einen eigenen Digitalhaushalt, der die Digitalisierungsmaßnahmen aller anderen Ressorts bündelt.“

Es gebe zudem ein Digitalkabinett, das vom Digitalministerium vorbereitet werde. „Es müssen sowohl die koordinierende Funktion als auch die Übersicht über die Ausgaben gebündelt in einer Hand liegen, damit überhaupt eine Digitalpolitik aus einem Guss möglich wird“, so Albrecht.

Kritik an Blockadehaltung der SPD

Dass es im Bund bisher keine klare Zuständigkeit für Digitalisierungsfragen gibt, hält Albrecht für einen Fehler. „Es wird viel über Digitalisierung geredet, es werden viele, schöne Programme ersonnen, aber in der Umsetzung fehlt die politische Führung, um die verschiedenen Projekte zum Erfolg zu führen“, sagte er.

„Stattdessen haben wir etliche Fachgremien und Abteilungsleiterrunden, die aber nicht dazu geeignet sind, wichtigen politische Richtungsentscheidungen zu treffen.“

Entsprechend kritisch sieht Albrecht die Blockadehaltung der SPD. „Es hat in Digitalisierungsfragen lange genug Stillstand in dieser Bundesregierung gegeben, weil sich viele Ressort gegeneinander aufgestellt und blockiert haben“, sagte der Grünen-Politiker. „Dass das nicht so bleiben kann, sollte eigentlich auch die SPD wissen.“

Albrecht glaubt daher, dass es unter einer schwarz-grünen Bundesregierung einfacher wäre, ein Digitalressort im Bund einzurichten. Auf eine entsprechende Frage antwortete er: „Es spricht derzeit jedenfalls vieles dafür.“