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Warum immer mehr Firmen das Parkett verlassen

Finanzinvestoren wollen Osram von der Börse nehmen. Damit bestätigt sich, dass die Zahl börsennotierter Firmen tendenziell sinkt. Das beunruhigt viele Experten.

Drei Gewinnwarnungen und ein desaströser Jahresausblick. Die Aktie des Lichtkonzerns Osram hat Investoren in den vergangenen anderthalb Jahren wenig Freude gemacht, obwohl der Kurs durch Spekulationen über eine Übernahme gestützt wurde. Mitte vergangener Woche bestätigten sich die Gerüchte: Die Finanzinvestoren Bain und Carlyle wollen Osram übernehmen und bieten den Investoren dafür 35 Euro je Aktie.

Der Kurs schnellte daraufhin zeitweise um 17 Prozent auf fast 34 Euro in die Höhe. Vom Allzeithoch von fast 80 Euro Anfang 2018 ist das weit entfernt. Dennoch bietet das Angebot den Anlegern einen Trost: Ohne die Übernahme hätten die Überlebenschancen für Osram nach Einschätzungen aus Finanzkreisen wohl schlecht ausgesehen.

Wenn genügend Investoren das Angebot annehmen, wollen Bain und Carlyle die ehemalige Siemens-Tochter von der Börse nehmen und sich so immun machen gegen Kursschwankungen, Berichtspflichten und Streit mit unzufriedenen Aktionären. Sie gewinnen Zeit, um Osram wieder zu einem starken Unternehmen um- und aufzubauen.

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Kurzfristig profitieren Investoren meist von Übernahmen durch Private-Equity-Häuser. Anleger können mit Aufschlägen auf den aktuellen Aktienkurs rechnen (siehe Grafik). „Die Finanzinvestoren wollen in der Regel einen schnellen und reibungslosen Deal. Dafür müssen sie ein attraktives Übernahmeangebot machen“, erklärt Michael Muders, Aktienfondsmanager bei Union Investment.

Dabei nehmen die Übernahmen zu. In diesem Jahr haben Finanzinvestoren bereits Angebote für das Medienhaus Axel Springer und die Onlineplattform Scout 24 abgegeben. Doch das Ganze hat eine Kehrseite: Der Aktienmarkt schrumpft, die Auswahl an Aktien für Investoren wird geringer – und das nicht nur in Deutschland.

Denn immer mehr Unternehmen an der Börse suchen das Weite. Das liegt nicht nur an der Übernahme von Unternehmen durch Finanz‧investoren, sondern auch an Fusionen und Insolvenzen von Unternehmen. Der Trend ist erschreckend: Weltweit betrug das Transaktionsvolumen durch den Rückzug börsennotierter Unternehmen im vergangenen Jahr nach Berechnungen der US-Großbank Bank of Amerika rund 125 Milliarden Dollar.

Im Jahr zuvor waren es mit 120 Milliarden Dollar ebenfalls sehr viele Unternehmen, die sich vom Parkett verabschiedeten.

US-Aufsicht sieht Probleme

In den USA ruft das jetzt die Börsenaufsicht SEC auf den Plan. An der Wall Street ist die Zahl börsennotierter Unternehmen laut Daten der Weltbank seit 1996 von 8 090 bis Ende vergangenen Jahres auf 4 397 geschrumpft (siehe Chart).
SEC-Chef Jay Clayton will in diesem Sommer bei der Aufsicht eine Diskussionsrunde über das Berichtswesen für börsennotierte Unternehmen starten.

Es geht darum, festzustellen, ob die Pflicht zu kurzfristigen Berichten zu Rückzügen der Firmen von der Börse beiträgt. Die Aufsicht denkt bereits darüber nach, die regulatorische Belastung zu senken.

Das könnte zum einen verhindern, dass so viele Unternehmen der Börse den Rücken kehren. Zum anderen könnte es gleichfalls dazu beitragen, dass wieder mehr Unternehmen an die Börse zu gehen.

Die Regulierung ist auch in Deutschland mit Blick auf die öffentlich notierten Aktien ein großes Thema. „Wir müssen aufpassen, dass wir das Public Equity nicht zu Tode regulieren“, warnte Theodor Weimer, Chef der Deutschen Börse im Juni bei einer Konferenz des Deutschen Investor-Relations-Verbands.

Regulierung belastet

„Jede neue Regulierung verringert tendenziell die Zahl der Börsennotierungen“, sagt auch Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Die Technische Universität Darmstadt hat in einer im Oktober vorgelegten Studie für 13 europäische Kapitalmärkte empirisch „einen signifikanten Zusammenhang“ zwischen steigenden Anforderungen an die Corporate Governance und Börsenrückzügen gefunden.

Corporate Governance steht für gute Unternehmensführung und -überwachung. Die Regeln werden auch vom Gesetzgeber mitgesetzt.

Zu den Vorschriften, die deutschen Firmen zu schaffen machen, zählen die Marktmissbrauchsrichtlinie, die Verschärfung der Regeln zur Ad-hoc-Publizität und die Pflicht zur Berichterstattung über die Corporate Social Responsibility (CSR), nach der Unternehmen über ihre ökologischen und sozialen Belange informieren müssen.

Dazu gehören Antworten auf Fragen wie die, was Firmen gegen Korruption und Umweltverschmutzung machen, was sie für Einhaltung von Menschenrechten tun und was zum Schutz der Arbeitnehmer. „All dies sind für sich genommen sinnvolle Maßnahmen, aber in der Summe eben doch sehr viele, die gerade kleinere Unternehmen oft über Gebühr belasten“, meint Leven.

Auch SEC-Chef Clayton sieht offensichtlich eine Unverhältnismäßigkeit. Er erwägt, kleinere börsennotierte Firmen freizustellen, damit sie nicht mehr jedes Quartal über ihre Zahlen berichten zu müssen. In der sinkenden Zahl der in den USA notierten Aktiengesellschaften sieht Clayton nicht weniger als „ein ernsthaftes Problem für unsere Märkte und das Land im Allgemeinen“.

Wenn Unternehmen die Börse meiden, könne auch die „Main Street“, also die Masse der amerikanischen Bürger, nicht vom Wachstum der Unternehmen profitieren, betonte der SEC-Chef bereits in einer Rede vor einem Jahr.

Auch das DAI sieht den Trend zum Börsenrückzug mit Sorge: „Die Anlage in Aktien ist nötig, um die Altersvorsorge zu sichern, und dafür brauchen Anleger möglichst viel Auswahl, um ihre Investments breit streuen zu können“, sagt Leven.

Olaf Stotz, Professor für Asset-Management an der Privatuniversität Frankfurt School of Finance & Management hält die schrumpfenden Börsen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht für problematisch „Wenn es so weitergeht, besteht die Gefahr, dass die zur Verfügung stehenden Anlagevehikel am öffentlichen Markt nicht mehr ausreichen, um das anzulegende Geld aufzunehmen.“

Dabei sinkt auch in Deutschland die Zahl der Unternehmen an der Börse. 2007 waren hierzulande noch 761 Unternehmen im regulierten Markt notiert. Bis Ende vergangenen Jahres sind davon nur noch 464 übrig geblieben.

In den nächsten Jahren werden sich wohl noch mehr Firmen von der Börse zurückziehen – auch wegen des Übernahmehungers der Finanzinvestoren. „Die Privatisierung börsennotierter Firmen wird deutlich ansteigen. In den nächsten zwei Jahren wird es mehr Fälle geben, als wir je zuvor gesehen haben“, prognostiziert Rainer Langel, Europachef der Investmentbank Macquarie.

Das hängt auch mit den niedrigen Zinsen zusammen. Die Finanzinvestoren können sich zum einen günstig refinanzieren. Zum anderen wachsen die privaten Kapitalmärkte rasant, weil Investoren hier noch gute Ertragschancen sehen. „Der Private-Equity-Branche stehen momentan zwei Billionen Dollar für Investments zur Verfügung, die angelegt werden müssen“, sagt Birger Berendes, der bei der Bank of America das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen im deutschsprachigen Raum leitet.

Deshalb sind die Finanzinvestoren bereit, rekordverdächtig hohe Preise in Zeiten niedriger Zinsen wie im Fall des Leuchtmittelherstellers Osram zu bezahlen. Bain und Carlyle legen beim Kaufpreis rund das 13-Fache des operativen Gewinns hin. Der Trend zu schrumpfenden Börsen scheint deshalb kaum zu bremsen.