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So machen Unternehmen ihre Mitarbeiter fit für die Digitalisierung

Daniel Schütt und Stefan Peukert hatten ihre Firma beinahe vor die Wand gefahren. Ein Großteil der Investorengelder war verbrannt, als sie merkten, was ihnen fehlte. „Wir besaßen kaum eigene Digitalkompetenz“ erzählt Schütt. Von Onlinemarketing oder Suchmaschinen-Optimierung hätten sie wenig Ahnung gehabt. Es gab zwar externe Dienstleister: „Aber um die Dienstleister richtig briefen, steuern und kontrollieren zu können, mussten wir es erst selbst verstehen.“

Sie beschlossen, es zu lernen. Schauten Videos, erstellten welche und probierten alles Mögliche, um sich und ihre Mitarbeiter schlau zu machen. Am Ende hatte die Firma, ein Bewertungsportal für studentische Praktika, 60 Millionen Nutzer. 2015 verkauften Schütt und Peukert an Bertelsmann. Und gründeten Masterplan, einen Anbieter für digitale Weiterbildung in Bochum.

Das Bedürfnis nach Weiterbildung ist so groß wie noch nie. Kaum ein Job bleibt von der Digitalisierung unberührt. Doch gerade sieht es nicht danach aus, als würden die Computer die Menschen ersetzen, im Gegenteil: Überall fehlen Fachkräfte für die neuen digitalen Aufgaben. Und viele angestammte Mitarbeiter haben Angst, abgehängt zu werden.

In einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom geben 54 Prozent der Unternehmen an, ihre Weiterbildungsinvestitionen im Jahr 2019 zu erhöhen.

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Zugleich eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten des Lernens: Wer sich weiterbilden will, muss sich nicht mehr in ein Schulungszentrum begeben, er kann sich zu Hause mit dem iPhone aufs Sofa setzen und ein Tutorial bei Youtube anschauen. Von diesem Trend profitieren Start-ups wie Masterplan, Neue Fische oder die Shiftschool: Sie erobern gerade den milliardenschweren Markt für Weiterbildung.

Es gehe dabei nicht nur darum, Inhalte ins Internet zu stellen, betont Daniel Schütt, der Gründer von Masterplan. „Wir sind nicht einfach eine Abspielplattform für Videos. Wir schaffen eine personalisierte Lernwelt.“ Masterplan erarbeitet interne Weiterbildungsangebote im Auftrag von Kunden wie Otto oder Siemens.

In den von Masterplan produzierten Videos treten Digitalexperten aus der Praxis auf – „in Kinoqualität“, sagt Schütt. Unter den Videos können die Nutzer ihre Fragen oder Kommentare posten und mit Kollegen aus der unternehmenseigenen Lerngruppe teilen. Immer gehe es darum, das Gelernte zu reflektieren oder in einer Übungsaufgabe anzuwenden, sagt Gründer Schütt.

Die Motivation werde durch spielerische Elemente gefördert oder durch Wettbewerbe wie: Das beste Ergebnis wird beim Vorstand präsentiert.

Im sogenannten Grundkurs Digitalisierung gehe es erst mal nicht um Programmiersprachen, sondern um die Frage, wie eine digitale Organisation arbeitet. Wie die Plattformökonomie funktioniert etwa und warum die Nähe zum Kunden so wichtig ist. „Der Kunde ist nicht mehr König, sondern Diktator“, sagt Schütt. So würde deutlich, warum Methoden wie „Design Thinking“ oder ein „Minimum Viable Product“ nicht nur Buzzwords seien, sondern Mittel, um schneller zum Kunden zu kommen.

Das wichtigste Lernziel aber sei keine digitale Methode, sondern eine Einstellung: „Man muss bereit sein für permanente Veränderung.“

Wichtig sind Soft Skills

Um ein „digitales Mindset“ geht es auch Tina und Tobias Burkhardt, den Gründern der Shiftschool aus Nürnberg. Starre Lehrpläne etwa passten nicht mehr in eine Welt, in der Trends immer schneller überholt seien, sagt Tina Burkhardt. An der Shiftschool können Teilnehmer in 18 Monaten einen „Master of Digital Transformation“ erwerben. Anders als bei Masterplan müssen die Teilnehmer aber regelmäßig präsent sein.

„Es geht um Lernen durch Erfahrung“, sagt Burkhardt. Bei den Präsenzwochenenden gebe ein Trainer aus der Praxis den Schülern Impulse, die anschließend von den Gruppen angewendet und reflektiert würden. Gelehrt würden digitale Methoden, Techniken und Geschäftsmodelle. Es würden Strategien entworfen, Codes programmiert und Roboter gebaut.

Wichtig seien aber auch Soft Skills, sagt Burkhardt: „Eine der wichtigsten Fragen ist: Wie treffe ich Entscheidungen trotz Unsicherheit?“ In der digitalisierten Arbeitswelt müssten sich die Menschen zunehmend selbst organisieren und immer schneller entscheiden. „Es gibt so viel zu lernen. Worauf will ich mich konzentrieren, welches Wissen vertiefen?“, sagt Burkhardt. Nicht selten würden Teilnehmer hinterher beschließen, einen anderen Job machen zu wollen.

Inzwischen kämen immer mehr Unternehmen auf die Gründer zu, die wissen wollten, wie man Mitarbeiter fit macht für Digitalisierung. Dafür erarbeiten die Burkhardts gerade ein Konzept, das sie in ganz Deutschland anbieten wollen.

Absolventen bekommen ein Zeugnis. Auf eine staatliche Zertifizierung, wie bei den traditionellen Anbietern verzichtet die Shiftschool, wie viele andere Start-ups auch. „Klausuren und Noten widersprechen unserer Philosophie. Außerdem ändern sich die Inhalte viel zu schnell“, sagt Tina Burkhardt.

In Hamburg hat Dalia Das einen ganz neuen Ansatz auf den Markt gebracht: Die frühere Bertelsmann-Managerin entwickelt Quereinsteiger in sogenannten Bootcamps innerhalb von drei Monaten zu Entwicklern oder Datenwissenschaftlern weiter – und vermittelt sie an Unternehmen. Neue Fische heißt ihr Start-up.

Bootcamp der Digitalisierung

Ihre Zielgruppe sind Quereinsteiger, Studienabbrecher – und ganz explizit: Frauen. In den Kursen der „Neuen Fische“ sind es meistens 50 Prozent oder mehr. „Ehrlich gesagt war ich total überrascht. Weibliche Entwickler findet man nicht so einfach“, sagt Pierre Groth, Entwicklungschef bei der Digitalagentur deepblue networks. Sein Unternehmen beschäftigt zwei Bootcamp-Absolventen.

„Coding ist kein Buch mit sieben Siegeln. Frauen können es genauso wie Männer lernen, und Frauen finden in der IT-Branche auch einen Job“, sagt Gründerin Das. Mit harter Arbeit, viel Willenskraft, Motivation, dem richtigen Umfeld und der richtigen Methode sei das zu schaffen.

Wie hart der 540-stündige Crashkurs in den Programmiersprachen HTML, CSS und JavaScript ist, hat die frühere Literaturübersetzerin Freya Gehrke erfahren. Sie war von September bis Dezember 2018 im „Neue Fische“-Bootcamp. Ihre Motivation? „Im Fachübersetzerbereich ist es teilweise jetzt schon so, dass man die Texte nur noch in die Maschine werfen und das Ergebnis noch einmal durchkorrigieren muss“, sagt Gehrke.

„Ich habe mir überlegt: Wenn die IT mich irgendwann meinen Job kostet, dann gehe ich eben selbst in die IT“, sagt Gehrke. Am vergangenen Freitag hatte sie ihren ersten Arbeitstag beim Karrierenetzwerk Xing als Junior Software Engineer. Sie übersetzt jetzt nicht mehr zwischen Mensch und Mensch, sondern zwischen Mensch und Maschine, und das sei „eine echt tolle Herausforderung“.

Auch die Otto-Gruppe beschäftigt zwei Bootcamp-Absolventen. Das Unternehmen arbeitet aktuell in Pilotprojekten mit Neue Fische als auch mit Masterplan zusammen – und das, obwohl das Unternehmen mit der Otto-Akademie sogar eine hauseigene Organisation für Weiterbildung hat.

„Wir tun alles, um unseren Mitarbeitern den Weg in die Digitalisierung zu erleichtern. Dafür möchten wir auch neue Arten des Lernens ausprobieren“, sagt Svenja Müller, die in der Personalabteilung für den externen und den internen Talentpool verantwortlich ist.

„Auch klassische Bereiche entwickeln auf einmal einen Tech-Schwerpunkt“, sagt Müller. Ein Sachbearbeiter braucht heute viel mehr technisches Verständnis als früher. Alle müssen irgendwie auf ein Level kommen, auf dem sie noch miteinander reden können. Leute, die vorher nie etwas mit Technik zu tun hatten, sitzen auf einmal an einer Schnittstelle. „Und viele wollen auch einfach wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht.“