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In Großbritannien bleiben Hunderte KFC-Filialen geschlossen – weil der Konzern den Liefer-Dienstleister wechselte. Ein Lehrstück für Firmen.

Am Dienstag rief der Hühnchen-Notstand in Großbritannien selbst die Staatsmacht auf den Plan. „Es ist nicht Angelegenheit der Polizei, wenn Ihr Lieblingsrestaurant nicht die Speisen anbietet, die Sie wünschen“, twitterten die Ordnungshüter des Londoner Bezirks Tower Hamlets, nachdem sich offenbar zahlreiche enttäuschte Fastfood-Fans an ihre örtliche Polizeidienststelle wandten.

Der Grund der verzweifelten Hilferufe: Die Schnellrestaurantkette Kentucky Fried Chicken (KFC) kämpft in Großbritannien seit einigen Tagen mit Lieferschwierigkeiten. Mehr als die Hälfte der 900 Filialen im Königreich mussten schließen, nachdem KFC im Februar den Logistikdienstleister wechselte.

Der Vertrag mit dem Spezialdienstleister Bidvest Logistics lief aus. Seither soll der Logistiker DHL, eine Tochter der Deutschen Post, die Hähnchenteile des US-Konzerns von den Produzenten zu den Restaurants liefern. Doch der kommt mit der neuen Aufgabe offenbar noch nicht so gut zurecht.

KFC rechnet damit, dass die Schließungen noch rund eine Woche andauern können. Hunderte Mitarbeiter müssen bis dahin auf ihren Lohn verzichten, Kunden empören sich in den sozialen Medien, die Verluste türmen sich auf. Die britische Gewerkschaft GMB sieht die Schuld bei der Fastfood-Kette und klagt gegenüber der dpa über das „kurzfristige Profitdenken“: Sowohl DHL als auch KFC sei klar gewesen, dass es zu Problemen kommen würde, so die Gewerkschaft.

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Immer, wenn ein Unternehmen einen Lieferanten wechselt, egal ob für Dienstleistungen oder Produkte, birgt das ein Risiko – das wissen auch die Firmen selbst. In einer Umfrage der Kölner Unternehmensberatung Inverto aus diesem Monat gaben 56 Prozent der befragten Unternehmen an, die Abhängigkeit von Lieferanten als relevantes wirtschaftliches Risiko einzuschätzen.

Frank Welge ist Geschäftsführer bei Inverto und berät Unternehmen in Fragen zum Supply Chain Management. Er sagt: „Wenn eine Firma allein aus Kostengründen einen Lieferanten wechselt, ist das töricht.“ So gelte es, neben den Preisen für Produkte und Dienstleistungen auch die Auswirkungen auf interne Prozesse und die Qualität zu überprüfen.

Steht ein Wechsel des Lieferanten an, sei es zudem wichtig, alle Seiten transparent in das Verfahren einzubeziehen, so der Experte. Und das schon lange im Vorfeld: „So kann sich der Altlieferant frühzeitig darauf einstellen und das Unternehmen eine geordnete und für alle Seiten faire Übergabe einleiten.“ Geschehe der Wechsel plötzlich, vielleicht sogar im Streit, sei das nicht mehr möglich. „Außerdem kann man im Gespräch mit dem Altlieferanten die Anforderungen und Spezifikationen klären, die der Nachfolger erfüllen muss.“

Was passiert, wenn das nicht klappt, zeigt auch das Beispiel der inzwischen insolventen Fluggesellschaft Air Berlin. Im März 2017 übergab die Airline den Bodenservice für ihre Flüge in Berlin an den neuen Dienstleister Aeroground. Doch es kam zu heftigen Problemen: Zwar hatte Aeroground als Tochter der Münchener Flughafengesellschaft ausreichend Fachkenntnis. Dafür haperte es beim Personal und der Ausstattung.

Für die Abfertigung der Air-Berlin-Flüge fehlten Leitern und Koffertransportwagen, es gab zu wenige Angestellte – und in der kurzen Zeit ließen sich auch kaum neue finden. Kein halbes Jahr später verhandelte Air Berlin wieder mit Wisag und gab im Juli einen Teil der Flüge an den alten Dienstleister zurück. Im Monat darauf meldete Air Berlin Insolvenz an.

„Die moralische Verantwortung trägt das Unternehmen“

Frank Welge von Inverto rät Unternehmen daher, sich eindringlich mit den Fähigkeiten des neuen Dienstleisters auseinanderzusetzen – und im Zweifel eine qualifizierte Prüfung durchführen zu lassen. „Wer sich nur auf die Versprechungen des potenziellen Dienstleisters verlässt, kann Probleme bekommen.“

Ein erster Schritt sei daher, konkret festzulegen, welche Leistungen benötigt werden. „Zu sagen, dass 900 Restaurants beliefert werden müssen, reicht dabei nicht“, so der Experte. Wer die Leistung im Vorfeld des Auftrags detailliert beschreibt, habe es auch hinterher leichter, die entsprechenden Prozesse bei seinem Auftragnehmer zu prüfen. „Hier muss man genau hinschauen.“

Dass die Zusammenarbeit mit dem falschen Dienstleister nicht nur Unmengen an Geld, sondern auch die Reputation kosten kann, mussten niederländische Landwirte im vergangenen Jahr erleben. Sie beauftragten das Unternehmen Chickfriend mit der Reinigung ihrer Hühnerställe – und hatten daraufhin einen internationalen Lebensmittelskandal am Hals.

Denn Chickfriend arbeitete, so weiß man heute, mit dem in der Landwirtschaft verbotenen Insektizid Fipronil – und zwar monatelang, ohne dass es jemand bemerkte. Als der Skandal im Sommer 2017 öffentlich wurde, mussten Discounter ihre Ei-Bestände aus dem Verkauf nehmen und Bauern ihre Höfe schließen. Allein nach Dänemark waren bis dahin 20 Tonnen mit Fipronil belastete Eier entdeckt worden. Daneben waren 14 weitere EU-Staaten betroffen; selbst ins ferne Hongkong hatten es einige Fipronil-Eier geschafft.

Für die niederländischen Geflügelwirte gingen die Verluste derweil in die Millionen. Der Deutsche Bauernverband schätzte den Umsatzverlust auf 4.000 Euro pro Tag in jedem geschlossenen Betrieb. Nicht miteingerechnet sind dabei die Image-Verluste: Viele Menschen verzichteten infolge der Berichterstattung auf ihr Frühstücksei – vereinzelt warnten sogar staatliche Behörden vor dem Verzehr.

„Wenn so etwas passiert, ist der Reputationsschaden groß“, erklärt Kai vom Hoff. Der Geschäftsführer der Düsseldorfer Kommunikationsberatung Vom Hoff arbeitet seit 30 Jahren als Berater und unterstützt Unternehmen im Krisenfall. Sein Rat: Betroffene Unternehmen sollten in so einem Fall „souverän“ bleiben und den Vorfall gründlich untersuchen.

Denn auch, wenn die rechtliche Schuld beim Dienstleister zu suchen ist: „Die moralische Verantwortung trägt das Unternehmen.“ Es sei daher sinnvoll, wenn die Unternehmen ihre internen Abläufe auf den Prüfstand stellen und das auch öffentlich kommunizieren. „Juristisch betrachtet mag es hilfreich sein, wenn man von nichts wusste – in der öffentlichen Darstellung gilt das aber nicht.“

Im Fall von Kentucky Fried Chicken setzt die Kette auf das Verständnis der Kunden. An den Eingangstüren vieler Filialen klebt nun der Hinweis: „Wir haben einen neuen Lieferpartner an Bord geholt, aber der hatte ein paar Startprobleme.“ Ein Sprecher teilte mit, dass inzwischen zwar mehr Lieferungen in den Restaurants ankämen. „Trotzdem erwarten wir, dass die Störungen die Woche über andauern werden.“

DHL wiederum verweist darauf, nicht als einziges Unternehmen für die Lieferkette von KFC verantwortlich zu sein. „Mit Hilfe unseres Partners QSL fahren wir die Abläufe schrittweise wieder hoch“, erklärte der britische DHL-Verantwortliche John Boulter. QSL ist bei KFC in Großbritannien für die Software der Lager- und Bedarfsplanung sowie für Einkauf und Abrechnung zuständig.

Inzwischen sind rund 70 Prozent der britischen KFC-Filialen wieder in Betrieb. Ungeduldige Kunden können sich über eine Webseite informieren, wo sich das nächste geöffnete KFC-Restaurant befindet. Erleichtern dürfte das aber vor allem die Londoner Polizei.