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Unternehmen und Investoren suchen neue Wege an die Börse

Die Coronakrise hat große europäische Börsengänge vorerst gestoppt. Jetzt testen einige Kandidaten alternative Möglichkeiten, um Platzierungen vorzubereiten.

Not macht erfinderisch: Angesichts der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie kündigte der norwegische Videokonferenz-Anbieter Pexip diese Woche eine virtuelle Roadshow für seinen Börsengang an. Für den Konkurrenten des US-Anbieters Zoom bietet sich diese Lösung an, schließlich passt sie zum Produkt. Aber Pexip stellt eine Ausnahme dar, denn die meisten Börsenkandidaten scheuen wegen der Coronakrise den Gang auf das Parkett.

Dafür sind nicht nur die teilweise heftigen Kursausschläge an den Aktienbörsen verantwortlich, sondern auch logistische Hürden wie Ausgangssperren, Reisebeschränkungen und die sich hinziehenden Genehmigungsprozesse für die Börsenprospekte durch die Aufsichtsbehörden.

Pexip-Chef Odd Sverre Ostlie wirbt für die ungewöhnliche Art, mit virtuellen Firmenpräsentationen eine Neuemission vorzubereiten, und bezeichnet sie als „super-effizient“. Pexip wird nach eigenen Angaben vom US-Militär und der deutschen Regierung genutzt und hält sich selbst für sicherer als die Konkurrenz.

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Das norwegische Unternehmen plant, 17 Millionen neue Aktien zum Preis von 63 norwegischen Kronen (umgerechnet 5,54 Euro) zu verkaufen. Weitere 17 Millionen Aktien können bereits vorhandene Altaktionäre zum selben Preis kaufen. Insgesamt könnten so knapp 190 Millionen Euro zusammenkommen.

Auf dem europäischen Kontinent gab es seit dem Beginn der Krise in der zweiten Märzhälfte bislang noch keine größeren Börsengänge. Schnellplatzierungen von Aktien und Kapitalerhöhungen bestimmen derzeit das Bild in Kontinentaleuropa. Eindeutig mehr Aktivitäten sind in Großbritannien zu beobachten.

Seit Anfang der Krise addierten sich die Aktienemissionen bis Ende vergangener Woche auf 2,8 Milliarden Pfund, wie die Berenberg Bank errechnet hat. In Kontinentaleuropa liegt das Volumen mit 2,1 Milliarden Euro deutlich niedriger. „Nach Marktschätzungen sind im laufenden Jahr Aktien-Neuemissionen im Volumen von 7,5 Milliarden Euro in Europa in der Pipeline stecken geblieben“, sagt Berenberg-Banker Bastian Schiedat.

Ganz anders sah die Lage noch im ersten Quartal insgesamt aus. Da hatte sich der Markt für Börsengänge noch weitgehend in guter Verfassung gezeigt, obwohl schon erste Auswirkungen der Pandemie zu spüren waren. Nach den Berechnungen der Beratungsgesellschaft EY stieg das Emissionsvolumen in den ersten drei Monaten in Europa um 133 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar im Vergleich zum ersten Quartal 2019. Die Anzahl an IPOs, wie die Profis die Aktien-Neuemissionen nennen, fiel allerdings um 31 Prozent auf 35.

Geschlossener Markt

„In den westlichen Märkten geriet der IPO-Markt gegen Ende des ersten Quartals ins Stocken. Die Corona-Pandemie in dieser Geschwindigkeit und Dimension kam für die allermeisten Marktteilnehmer ziemlich überraschend“, stellt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland fest. Lange hätten Investoren und Unternehmen erwartet, dass die Auswirkungen auf Asien beschränkt bleiben.

Zudem habe die Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China für Rekordstände bis Mitte März an den internationalen Börsen gesorgt.

Insgesamt gilt für Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America, heute: „Das Fenster für Börsengänge in Europa ist noch geschlossen.“ Allerdings gebe es Sektoren, die auch angesichts der aktuellen Lage für Investoren sehr interessant seien. Dazu gehört in Zeiten von Homeoffice sicher Pexip.

Aber die US-Bank begleitet auch den Börsengang eines Schweizer Biotech-Unternehmens in den USA. Für Oliver Diehl, Leiter Aktienemissionen für Kontinentaleuropa bei der Investmentbank Jefferies, steht bereits fest: 2020 wird in Europa kein gutes Jahr für Börsengänge werden.

Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich das Fenster für Börsengänge wieder öffnet, zeigt eine Umfrage der Berenberg Bank unter 50 Investoren: eine Stabilisierung der Corona-Infektionsrate, verbesserte Methoden, um Infektionsherde zu kontrollieren, und die Erleichterung von Reisen. Mit Blick auf die Kapitalmärkte sollten sich die Risikoaufschläge bei Anleihen reduzieren.

Die Unternehmen selbst müssten nach Ansicht der Befragten offenlegen, für welche konkreten Projekte sie die Mittel aus der Emission benötigen und wie sich Covid-19 auf die Firma auswirkt. Außerdem wünschen sich die Investoren, dass die größten Anteilseigner den Börsengang unterstützen, zum Beispiel, indem sie bei Kapitalerhöhungen mitziehen und nicht selbst Kasse machen. Zudem müsse die Bilanz der Börsenkandidaten durch die Emission eindeutig gestärkt werden.

Volatilität ist noch immer deutlich zu spüren

Mitentscheidend dafür, wie es bei Börsengängen weitergeht, ist auch die Entwicklung der Quartalsergebnisse. Denn diese wirken sich auf die Gewinnschätzungen der Analysten für die Unternehmen aus. Die aktuellen Zahlen sehen nicht gut aus. Unter den insgesamt 304 im deutschen Prime Standard notierten Konzernen gab es zuletzt nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY 77 Gewinn- oder Umsatzwarnungen. Das sind mehr als je zuvor in einem Quartal und mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum.

Ein weiterer zentraler Punkt für die Konjunktur für Neuemissionen sind die Kursschwankungen an der Börse. Die Schwankungen, auch Volatilität genannt, sind das entscheidende Maß für die Chancen für eine gute Aufnahme von Börsenkandidaten. Gemessen wird die Volatilität mit einem eigenen Index, dem sogenannten Vix: je höher der Stand, desto heftiger die Kursausschläge.

Nach den Turbulenzen zu Beginn der Pandemie haben sich die Märkte inzwischen zwar deutlich beruhigt, aber die Volatilität ist noch immer zu spüren. „Der Vix hat sich seit Mitte März von 85 auf knapp über 30 mehr als halbiert, die Tendenz ist weiter fallend“, konstatiert Stefan Weiner, der bei JP Morgan das deutsche Aktienemissionsgeschäft leitet. In den vergangenen 20 Jahren kamen allerdings 86 Prozent der europäischen Börsengänge bei einem Vix unter 20 an den Markt. Im vergangenen Jahrzehnt lagen die Kursschwankungen sehr niedrig, teilweise einstellig, wegen des vielen Kapitals, das nach lukrativen Anlagen suchte.

Auch jetzt lägen die Barreserven der Großinvestoren mit fünf bis zehn Prozent ungewöhnlich hoch, betont Schiedat von Berenberg. Das erhöhe den Anlagedruck. Normalerweise liege die Cash-Quote bei null bis drei Prozent.

Nach der Beobachtung des Deutschlandchefs der Bank of America, von Falkenhayn, bieten die Märkte für Kapitalerhöhungen, die Platzierung von Aktienpaketen und Wandelschuldverschreibungen für Emittenten inzwischen wieder attraktive Möglichkeiten. So platzierte der Kochboxen-Lieferant Hello Fresh am Dienstag eine Wandelanleihe über 175 Millionen Euro mit einem Kupon von 0,75 Prozent. Das Auftragsbuch war bereits eine halbe Stunde nach der Ankündigung der Offerte gedeckt.

Suche nach Finanzierungsalternativen

Doch das Umfeld für Börsengänge bleibt weiter schwierig. Große IPOs erwarten die Investmentbanker angesichts der Unsicherheiten in diesem Jahr nicht mehr. Zu den Kandidaten zählte der Wissenschaftsverlag Springer Nature mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro.

Ursprünglich hätten die beiden Eigentümer, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und der Finanzinvestor BC Partners, die Erstnotiz noch vor den Osterfeiertagen angestrebt, heißt es in Finanzkreisen. Doch daraus wurde angesichts der Coronakrise nichts. Das Gleiche gilt für die Börsenpläne des Rüstungskonzerns Hensoldt, der zum Portfolio des Finanzinvestors KKR gehört.

Angesichts der anhaltenden IPO-Flaute loten deutsche Unternehmen derzeit nach den Worten von Weiner von JP Morgan andere Finanzierungsalternativen aus. Neue Wege an die Börse, die eine Kapitalaufnahme und die erste Börsennotiz zeitlich voneinander trennen, dürften auch nach Ansicht von Martin Steinbach, Partner bei EY, stärker in den Fokus geraten. So hatte das Tübinger Biotechnologie-Unternehmen Immatics im März öffentlich angekündigt, zunächst mit dem bereits börsennotierten Biotechnologie-Unternehmen Arya auf dem Weg einer sogenannten Special Purpose Akquisition Company (kurz SPAC) zu fusionieren und sich anschließend zum Handel an der Börse Nasdaq zu registrieren.

Als weiteren Weg sieht Steinbach direkte Notierungsaufnahmen, sogenannte Direct Listings, die gerade Technologieunternehmen häufiger in Erwägung ziehen. „Die Ziele dabei sind, für bereits bestehende Investoren einen liquiden Markt zu schaffen und Investitionen in die Börsenfitness zu sichern. Die Kapitalaufnahme erfolgt dabei zeitlich getrennt vor oder nach dem Börsengang“, erläutert Steinbach.

Aber auch, wenn der IPO-Markt wieder funktioniert, dürfte die Coronakrise dauerhafte Spuren hinterlassen. So könnten virtuelle Roadshows, wie sie jetzt der Videokonferenz-Anbieter Pexip vorexerziert, Schule machen, zumindest, wenn die Platzierung ein Erfolg wird. Das zeigt die Umfrage der Berenberg Bank. „In Zeiten von Homeoffice und Video-Treffen reicht es, wenn sich Börsenkandidat und Investor einmal direkt treffen“, berichtet Berenberg-Banker Schiedat.

Vor der Pandemie sah das noch anders aus. Die persönliche Interaktion spielte eine viele größere Rolle. „In der Regel fanden die Treffen der beiden Parteien dreimal vor der Aktienemission statt“, erläutert der Experte.