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Unternehmen geben so viele Euro-Anleihen aus wie noch nie

Der Markt für neue Zinspapiere boomt. Doch für Anleger lohnen sich die Anleihen kaum, das Verhältnis von Rendite und Risiko ist oftmals schlecht.

Der Stuttgarter Autobauer hat den Kapitalmarkt zuletzt massiv angezapft. Foto: dpa
Der Stuttgarter Autobauer hat den Kapitalmarkt zuletzt massiv angezapft. Foto: dpa

Der Investitionsbedarf in der Automobilindustrie ist in den kommenden Jahren riesig – und die deutschen Autobauer sorgen vor: Daimler hat kürzlich auf einen Schlag 10,5 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Konkurrenz aus Wolfsburg stand dem kaum nach. VW nahm ebenfalls mit einer einzelnen Anleihe acht Milliarden Euro am Kapitalmarkt auf.

Die Autobauer nutzen die aktuell extrem günstigen Finanzierungsbedingungen, um sich für die Transformation zur Elektromobilität zu rüsten. Doch die Branche ist längst nicht die einzige, die auf den Anleihemarkt drängt. Das Volumen neu begebener Anleihen liegt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zufolge bereits bei über 410 Milliarden Euro. Damit wurde der bisherige Jahresrekord am europäischen Anleihemarkt aus dem Jahr 2017 eingestellt.

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Matthias Schell, Anleiheanalyst bei der LBBW, sagt: „Die Rekordflut an neuen Unternehmensanleihen hat sich bereits angedeutet.“ Grund für den Boom sei das gesunkene Zinsniveau im Euro-Raum, das die Kosten für Unternehmen, die sich verschulden, gedrückt hat.

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die Leitzinsen im September nochmals zu senken und zudem erneut Unternehmensanleihen zu kaufen, sorgte für eine rekordniedrige Zinslast für viele Unternehmen.

Negative Renditen für Unternehmensanleihen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Mehr als 30 Papiere seien mit einem Kuponzins von null Prozent begeben worden, berichtet Schell. Derart paradiesische Finanzierungsbedingungen kennen Investoren bislang nur von Staaten.

Mangel an Alternativen

Trotzdem sei bei Anlegern die Nachfrage nach den Mini-Zinspapieren hoch gewesen, so Schell: „Im Vergleich zu europäischen Staatsanleihen – die überwiegend negative Renditen aufweisen – sind sie immer noch eine höher verzinsliche Alternative.“ Während etwa die Rendite für fünf- bis siebenjährige Bundesanleihen aktuell bei etwa minus 0,5 Prozent liegt, werfen europäische Unternehmensanleihen im Schnitt noch eine positive Rendite von 0,5 Prozent ab.

Stark vertreten auf dem europäischen Markt waren zuletzt US-Unternehmen. Sie erreichten mit 86 Milliarden Euro einen neuen Emissionsrekord, deutlich mehr als der bisherige Rekord von 73 Milliarden Euro im Jahr 2017. Im Vergleich zum Vorjahr verdoppelten die US-Konzerne ihre Euro-Emissionen sogar.

Auch deutsche Unternehmen waren zuletzt besonders aktiv. Sie haben der LBBW zufolge mehr als 75 Milliarden Euro am Kapitalmarkt eingesammelt und ebenfalls den bisherigen Jahresrekord von 2009 übertroffen. Einige Unternehmen wie Daimler haben ihre Verschuldung ausgeweitet und dabei sogar die Gefahr einer Herabstufung in Kauf genommen. So hat die Ratingagentur S & P vergangenen Dienstag angekündigt, eine mögliche Herabstufung von Daimler bis Jahresende prüfen zu wollen.

Abseits der gebeutelten Automobilindustrie sieht Marie-Anne Allier, Fondsmanagerin für europäische Anleihen beim Vermögensverwalter Carmignac, jedoch keine Gefahr, dass die Flut neuer Anleihen die Ratings der Unternehmen unter Druck setzt. „Die Firmen erhöhen ihre Verschuldung kaum.“

Viele nutzten dagegen das günstige Umfeld, um sich die Mini-Zinsen langfristig zu sichern. „Die Unternehmen können sich darauf verlassen, dass mit der EZB ein starker Käufer im Markt aktiv ist und die Neuemissionen ein Erfolg werden.“

Hohe Bewertungen

Allerdings glaubt Allier nicht, dass die günstigen Finanzierungsbedingungen das eigentliche Ziel der lockeren Geldpolitik erfüllen: den Anschub von Investitionen, neuen Wachstumsimpulsen und steigenden Inflationsraten. „Ich denke nicht, dass die Unternehmen wegen des negativen Zinsumfeldes mehr investieren oder neue Investitionsmöglichkeiten sehen“, sagt Allier. „Die lockere Geldpolitik ist wie eine Option. Wenn sie niemand nutzt, ist sie unnütz.“

Für Anleger sind nur wenige der neuen Zinspapiere auf dem Markt interessant, sagt die Fondsmanagerin. „Um es deutlich zu sagen: Der Markt ist sehr hoch bewertet.“ Die Risikoaufschläge gegenüber Staatsanleihen liegen mit rund einem Prozentpunkt zwar noch etwas über den Allzeittiefs aus dem Jahr 2017. Doch damals seien der durchschnittliche Verschuldungsgrad und die Ratings der Unternehmen noch besser gewesen, wendet Allier ein.

Berücksichtigt man die schlechteren Bilanzdaten der Unternehmen, sei das Verhältnis von Rendite und Risiko bei vielen Unternehmen sehr schlecht. Dem Renditehunger der Investoren tut das jedoch keinen Abbruch. Selbst Bonds mit allenfalls passablem Rating und negativer Rendite fänden viele Käufer, berichtet Allier.

Viele Anleger kaufen solche Anleihen, in der Hoffnung, dass die Rendite noch etwas weiter fallen und sie kurzfristig Kursgewinne einstreichen können. Das Problem an dieser Jagd nach Rendite aus Sicht von Allier: „Es gibt praktisch keinen Kuponzins, der Kursverluste ausgleichen könnte. Jeder noch so kleine Anstieg des Zinsniveaus führt sofort zu Kapitalverlusten.“

Dass die Flut neuer Zinspapiere im kommenden Jahr zu einem Ende kommt, ist nicht in Sicht. Die Experten der LBBW erwarten, dass die Unternehmen 2020 rund 400 Milliarden am europäischen Anleihemarkt einsammeln werden. Das niedrige Zinsumfeld und die EZB-Käufe dürften aus ihrer Sicht die Nachfrage weiter stützen.