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Wie Unternehmen am besten mit Entlassungen umgehen

Kündigungen sind hart – und sie werden durch schlechte Kommunikation oft noch schlimmer gemacht. Wie Manager Entlassungen angemessen verkünden.

Stilfragen leben von kleinen Details. Das gilt beim Dresscode ebenso wie im Personalmanagement. Als Anfang der Woche erste Meldungen über den Abbau von 18.000 Stellen bei der Deutschen Bank bekannt wurden, lichteten die Fotografen vor der Londoner Dependance des Bankhauses auch zwei besonders gut gekleidete Männer ab, die mit großen Taschen das Gebäude verließen und bald darauf als angeblich frisch geschasste Investmentbanker durch die Medien geisterten.

Wie sich wenig später herausstellte, waren sie das keineswegs. Es handelte sich vielmehr um Mitarbeiter eines edlen britischen Herrenschneiders, die bei leitenden Deutschbankern in der Londoner Zentrale gerade für deren neue Anzüge Maß genommen hatten – während nebenan Hunderte Kollegen aus dem Investmentbanking ihre Kündigung überreicht bekamen.

Entlassungen sind immer schmerzhaft für diejenigen, die ein Unternehmen verlassen. Sie sind aber auch eine Gratwanderung fürs Management. Vorstände und andere Führungskräfte können den Trennungsprozess für alle Beteiligten entweder deutlich erträglicher machen oder – wie im Fall unglücklich gelegter Schneidertermine – mit einer falschen Geste Vertrauen zerstören. Und das nicht nur bei denjenigen, die gehen, sondern auch bei denjenigen, die bleiben.

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„Trennungsmanagement“ heißt diese Gratwanderung im Managementlehrbuch. Im Prinzip geht es darum geht, sich möglichst so von Mitarbeitern zu trennen, dass die Moral bei allen Beteiligten nicht völlig in den Keller rutscht. Doch faires Entlassen, gibt es so etwas das überhaupt? Und wenn ja: Wie geht das?

Das fragt sich derzeit nicht nur die Deutsche Bank. Bei Bayer stehen mehr als 10.000 Stellen auf der Kippe, bei Volkswagen 7000, bei BASF sind es 3000. Immer geht es um Tausende Arbeitsplätze, stets sind deutsche Standorte betroffen.

„Eine Unternehmenskultur nimmt in solchen Entlassungswellen immer Schaden“, sagt Thomas Sattelberger, Ex-Personalvorstand von Telekom und Lufthansa. Es gehe daher niemals um das Ob, sondern nur um die Frage, wie hoch der Schaden für Kultur und Hinterbliebene ausfalle. Das weiß der Manager aus eigener schmerzlicher Sanierungserfahrung.

Doch selbst für diese Schadensminimierung fehlt es vielen Führungskräften an entsprechenden Managementfähigkeiten. „Wir machen die Regelerfahrung, dass zu wenig bis gar nicht kommuniziert wird“, sagt Christian Summa, Partner bei der Outplacement-Beratung von Rundstedt in Düsseldorf.

Sein Unternehmen begleitet Firmen und Mitarbeiter bei Kündigungen. Nicht selten erführen selbst Führungskräfte im Mittelmanagement erst aus der Zeitung vom konkreten Umfang eines Stellenabbauprogramms. Das erhöhe am Ende ausgerechnet bei denen die Verunsicherung, die die schlechten Nachrichten überbringen müssten.

„Die meisten Manager werden einfach extrem schlecht vorbereitet“, sagt auch Anja Schauenburg, Trennungsmanagement-Expertin und Geschäftsführerin des Outplacement-Experten „Die Personalumbauer“. Sie sagt: „Neue Leute einstellen, wachsen, das macht jeder Vorgesetzte gern.“ Doch für harte Nachrichten brauche es keine „Schönwetterkapitäne“, sondern Manager mit Mut. Und den bringe kaum einer von Haus aus mit.

Tränen im Chefbüro

Das musste sich auch Heiko Hubertz eingestehen. Der Hamburger Unternehmer ist mit dem Verkauf des Computerspiele-Entwicklers Bigpoint zum Millionär geworden. Nachdem zwei US-Investoren 2011 die Mehrheit an Bigpoint übernommen hatten, musste Hubertz, damals noch CEO, 120 Leute auf einmal entlassen.

Fast jeder sechste Mitarbeiter war betroffen. Noch am Tag der Entlassungen trat Hubertz als Chef zurück. „Nachdem ich die Nachricht am Mittag den Mitarbeitern überbracht habe, bin ich in mein Büro gegangen und habe geweint“, erinnert sich der 43-Jährige. Ein paar Jahre später verkaufte er seine letzten Bigpoint-Anteile.

Rückblickend sagt der Unternehmer, sei sein größter Fehler in dieser Situation gewesen, den Mitarbeitern zu spät gesagt zu haben, was auf sie zukomme. Von seinen Geldgebern wusste Hubertz bereits länger, dass ein Sparprogramm anstand. „Da wurde auch über Stellenstreichungen gesprochen“, so der Gründer.

„Wir hätten gleich an Tag eins sagen müssen, dass Entlassungen auch ein Thema sind. Das war mein Fehler.“ Letztlich, so Hubertz’ Erfahrung bei Bigpoint, bekämen die Menschen in einem Unternehmen immer mit, was um sie herum passiere – gerade wenn es schlecht laufe. „Die Gerüchteküche können Sie im Management nicht einfach runterkochen.“

Was planen wir für einen Stellenabbau? Warum planen wir ihn? Und was sind die Botschaften, die jeder Vorgesetzte vermitteln soll? „Das sind die drei Leitfragen, die jeder Manager im Trennungsmanagement beantworten sollte“, sagt Outplacement-Berater Summa. So weit das Lehrbuch. Doch die Realität sehe oft anders aus, schildert der Experte: Oft seien Führungskräfte gerade nach der Erstverkündung von Sanierungsplänen nicht sprechfähig, weil die Details noch verhandelt würden.

Wo die Sprache versagt, tritt oft Verdrängung an ihre Stelle. „Wenn ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verliert, fühlt sich das für ihn oftmals wie ein Trauma an“, erklärt Nico Rose. Der Hochschullehrer für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management (ISM) in Dortmund arbeitet seit 2008 freiberuflich als Management-Coach.

Er sagt: Um zu verhindern, dass sich das persönliche Trauma Einzelner auf das ganze Unternehmen ausweite, brauche es Übergangsrituale. „Oft wird so getan, als ob die Entlassenen nie da gewesen seien.“ Das sei wenig wertschätzend. Besser sei es etwa, über offene Gesprächs- oder Austauschrunden die Erfolge der Vergangenheit zu würdigen, an denen auch die Entlassenen mitgewirkt haben.

Was laut Ex-Vorstand Sattelberger aber mindestens genauso wichtig sei: „Man muss den Menschen unbedingt das Warum erklären.“ Und zwar nicht nur denen, die gehen, sondern auch denen, die bleiben. „Die Bleibenden müssen eine Vision, ein Ziel vor Augen haben“, rät auch Trennungsexpertin Schauenburg. Sie müssten verstehen, wofür die harten Einschnitte nötig sind, sonst schauten sich gerade Topleute schnell anderweitig um.

Als einen Lösungsweg schlägt sie spezielle Workshops vor, in denen Zweifler frei reden dürfen. Für Führungskräfte sei es in diesen Situationen besonders wichtig zuzuhören. Üblicherweise hätten es Manager während Trennungsprozessen in der Belegschaft mit drei Ängsten zu tun, erklärt Schauenburg: der Existenzangst (Bin ich der Nächste?), der Verteilungsangst (Werde ich woandershin versetzt? Wird mein Team aufgelöst?) und der Statusangst (Werde ich mich verschlechtern?).

Wirklich adressieren könnten Führungskräfte eigentlich nur die Existenzangst, so die Trennungsmanagerin. Und das heißt konkret: denen, die bleiben, möglichst früh signalisieren, dass sie aufatmen können. Und für die, die gehen müssen, zumindest faire Trennungspakete schnüren. „Wer hier großzügig ist, vermeidet im Nachhinein viel Schaden“, so Schauenburg – sei es durch arbeitsrechtliche Prozesse oder durch Negativschlagzeilen in der Presse.

Transparenz ist Trumpf: Diese Erkenntnis stützen auch Studien. So hatte das Beratungshaus Kienbaum bereits 2016 rund 2000 Fach- und Führungskräfte zum Trennungsmanagement in ihren Unternehmen befragt – und damals nur von knapp einem Viertel Antworten erhalten. Was aus dem zaghaften Rücklauf dennoch deutlich hervorging: Auch für die Entscheider ist der Faktor Fairness bei Entlassungen offenbar der wichtigste.

Kurz dahinter folgten das Eröffnen von Zukunftsperspektiven, Unterstützung bei der Neuorientierung sowie eine klare Kommunikation. Erst auf Platz 11 landeten „wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ und noch weiter hinten „klare Vereinbarungen und faire vertragliche Regelungen“.

Acht von zehn Befragten stimmten außerdem der Aussage zu, dass ein professionelles Trennungsmanagement einen positiven Einfluss auf das Engagement und Vertrauen der verbleibenden Mitarbeiter hat. Das Paradoxe: 70 Prozent gaben in ihren Antworten zu, weder über eine Trennungskultur noch über etablierte Strategien oder Prozesse zu verfügen, um mit der Situation adäquat umzugehen.

Nicht jeder verzeiht

Bigpoint-Gründer Hubertz erinnert sich noch, wie ihn ein Mitarbeiter nach seiner Entlassung wüst auf dem Flur beschimpfte. „Harte Worte“ seien da gefallen, so der Unternehmer. „Aber ich konnte den Frust verstehen. Ich wäre vermutlich an seiner Stelle genauso sauer gewesen.“ Heute arbeite der Angestellte von damals wieder in Hubertz’ neuer Firma, so wie einige andere ehemalige Weggefährten aus Bigpoint-Zeiten auch.

„Vielleicht haben sie gesehen, dass ich persönlich damals nicht 100 Prozent hinter der Entscheidung stand und zumindest im Nachgang auch Fehler eingeräumt habe“, so Hubertz. Natürlich hätte es aber auch diejenigen gegeben, „die mir die Situation von damals nie wirklich echt verziehen haben – und das ist auch okay so“.

Bei seinem neuen Start-up Whow, einem Onlineanbieter für Kasinospiele, sind ihm Fairness und Transparenz nach der schmerzlichen Erfahrung bei Bigpoint nun besonders wichtig. Jeden Montag hält Hubertz etwa ein Update-Meetings ab, gibt seinen Leuten tiefe Einblicke ins Unternehmen, diskutiert. „Ich will so etwas nie wieder durchmachen müssen“, sagt er im Rückblick auf die Entlassungen bei Bigpoint. Immerhin: Bisher musste er bei Whow noch niemanden betriebsbedingt kündigen.

„Wenn die Großkopferten, die es eigentlich verbockt haben, ohne Blessuren davonkommen, ist das Gift für jede Unternehmenskultur“, so Sattelberger. Gerade der aktuelle Fall Deutsche Bank zeige, dass das Management über Jahre an der falschen Strategie festgehalten habe, „und dabei bislang weitgehend schadlos davongekommen ist“.

So zählte das Kreditinstitut trotz schlechter Performance und Dauerkrise zuletzt mehr als 600 Gehaltsmillionäre in den eigenen Reihen. Keine andere Bank in Europa leistet sich mehr Topverdiener.

Viele der nun in England, Amerika und Asien entlassenen Investmentbanker zählten auch zu den Spitzenverdienern. Ein Brancheninsider sagt: „Ich habe deswegen vergleichsweise wenig Mitleid mit den betroffenen Händlern. Das ist nun einmal Teil des Berufsrisikos und im Gehalt mit eingepreist.“

Wirklich hart träfe es die Assistenten, die Buchhalter, die einfachen Mitarbeiter aus der Rechtsabteilung, den Portier. „Ich kenne kein Industrieunternehmen, wo sie auf einen Schlag zehn oder 20 Prozent der Leute weghauen, ohne dass sie die Kultur völlig zerstören“, sagt der Manager, der in der Branche für seinen Führungsstil gefürchtet, aber auch bewundert wird. Aber vielleicht sei genau das im Fall der Deutschen Bank ja beabsichtigt, weil die alte Kultur Teil des Problems der Bank sei, nicht Teil der Lösung.