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„Wir mussten uns komplett neu erfinden. Am Anfang war das ziemlich chaotisch.“

Vor wenigen Monaten hat Jean-Paul Agon die neue Deutschlandzentrale von L’Oréal in Düsseldorf offiziell eröffnet. Da sprach er zu den Mitarbeitern auf Deutsch. Schließlich war er einige Jahre Deutschlandchef des weltgrößten Kosmetikkonzerns. Jetzt ist er zu einem dreitägigen Arbeitsbesuch nach Düsseldorf gekommen. Es geht darum, L’Oréal noch fitter zu machen für die digitale Revolution.

Monsieur Agon, folgen Sie privat Influencern auf Instagram oder Youtube?
Nein, mir ist es sehr wichtig, Privatleben und Beruf zu trennen. Für L’Oréal ist die Soziale-Medien-Welt entscheidend, aber nicht für mich privat.

Inwiefern?
Das klassische Marketing wurde in den Fünfzigerjahren von Wettbewerbern erfunden. Jetzt sind wir es bei L’Oréal, die das digitale Beauty-Marketing erfinden. Das verschafft uns einen großen Wettbewerbsvorteil. In den vergangenen drei Jahren haben sich die Dinge stärker geändert als in den 50 Jahren davor.

Wie verankern Sie die digitale Welt in einem Traditionsunternehmen?
Wir haben 2010 zum digitalen Jahr für L’Oréal ausgerufen. Damals wusste keiner, was das bedeuten soll. Klar gab es da längst das Internet, aber nicht die Soziale-Medien-Welt von heute. Wir haben aber gesehen, dass ein Tsunami auf uns zurollt, der alles ändert. Wir mussten uns komplett neu erfinden. Am Anfang war das ziemlich chaotisch.

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Ist Chaos nicht problematisch für einen Konzern?
Bei L’Oréal geht es nicht von oben nach unten, sondern wir lassen viele Freiräume. Nach drei Jahren haben wir aber begriffen, dass wir mehr orchestrieren mussten. Daher haben wir im Jahr 2014 die Position eines Chief Digital Officer geschaffen: Wir waren damit das erste große Unternehmen mit CDO auf Vorstandsebene. Lubomira Rochets Mission war es, eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln.

Was ist ein typisches digitales Produkt?
Nehmen Sie die Make-up-Marke Nyx Professional Make-up. Auch bei anderen Marken erarbeiten wir Produkte mit Bloggern und Followern. Tests mit Produkten finden heute digital im ständigen Austausch mit denen über das Netz statt – nicht wie vor einigen Jahren mit Test-Aussendungen. Bevor ein Produkt in den Handel kommt, verteilen wir es unter Influencern, die sich damit vertraut machen können.

Was heißt das für Ihre Medienausgaben?
Ein Drittel geht ins Digitale. Einige Marken wie Nyx Professional Make-up und Kérastase geben sogar gar kein Geld mehr für klassische Medien aus, sondern nutzen allein die Kraft der sozialen Medien. Die Digitalisierung ist eine Revolution, die den Konsumenten in den Mittelpunkt stellt. Er hat die Macht – dank Ratings und Reviews.

Millennials bevorzugen in dieser digitalen Welt dennoch lokale Marken, nicht diejenigen der Großkonzerne…
Ganz so ist es nicht. Dank des Internets schießen kleine Marken wie Pilze aus dem Boden. In der digitalen Welt ist es einfacher, eine kleine Marke zu kreieren. Also gibt es viel mehr Vielfalt. Aber die erfolgreichsten und kraftvollsten Mega-Marken werden gleichzeitig größer.

Wie passt das zusammen?
Der Markt sieht zunehmend wie eine Sanduhr aus: Die kleinen Marken sind stark, bleiben aber meistens klein. Denn die Hürden zu wachsen sind nicht kleiner geworden – im Gegensatz zu den Eintrittshürden. Das Internet hilft zugleich den großen Marken, noch größer zu werden. Denn die Algorithmen begünstigen Markenikonen: Sie werden stark nachgefragt, sie sind am stärksten im Bewusstsein der Verbraucher verankert. Also stellen die Algorithmen der Suchmaschinen und Onlineshops diese Marken besonders heraus. Der Mittelbau dazwischen hingegen wird immer schmaler. Viele mittlere Unternehmen werden davon betroffen sein.

Wie wirkt sich das auf L’Oréal aus?
In Deutschland ist der Markt 2017 nur um ein Prozent gewachsen. Die L’Oréal-Gruppe hat jedoch um 4,3 Prozent in Deutschland zugelegt. Daran sehen Sie, dass wir starke Marken haben.

Sie werden dennoch von großen Spielern angegriffen. Coty-Chef Camillo Pane hat angekündigt, Sie als weltweite Nummer eins ablösen zu wollen.
Wir sind in Deutschland das einzige große Unternehmen, das stärker als der Markt wächst. Wir sind klar die Nummer eins und haben einen doppelt so hohen Marktanteil wie die Nummern zwei und drei. Unser Marktanteil insgesamt beträgt dennoch erst 17 Prozent – wir haben hier also noch viel Wachstumspotenzial. In anderen Ländern ist das ähnlich.

Bräuchten Sie bei L’Oréal auch einen Aktionär, der Sie antreibt? So wie JAB bei Coty oder der aktivistische Investor Daniel Loeb derzeit bei Nestlé?
Wir haben großartige Aktionäre. Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Aktionäre uns unterstützen und zugleich antreiben. Alle von ihnen.

Daniel Loeb fordert von Nestlé, die L’Oréal-Aktien zu verkaufen.
Die Politik unserer Aktionäre kann ich nicht kommentieren.

Werden denn die Familie Bettencourt und Nestlé loyale Aktionäre bleiben?
Sie waren immer loyal. Die Familie ist seit 109 Jahren dabei, Nestlé unterstützt uns seit 44 Jahren großartig.

Ergibt die Beteiligung für Nestlé noch Sinn?
Netter Versuch.

Na gut, wechseln wir das Thema. Sie sind immer auch über Zukäufe von Marken gewachsen. Kommt da mehr?
Es ist wichtig, die Logik unserer Zukäufe zu verstehen. Wir kaufen nie, um größer zu werden. Wir suchen gezielt kleine Marken in der Frühphase, die wir groß und global machen können. Kiehl’s etwa hatte 25 Millionen Dollar Umsatz, als wir die Marke gekauft haben. Jetzt hat sie mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz. Nyx Professional Make-up hat beim Kauf 100 Millionen Umsatz erzielt, ist jetzt sechsmal so groß.

Manche Markenkonzerne hatten einmal den Traum, selbst Onlineshops für ihre Produkte zu eröffnen. Haben Sie den Traum inzwischen ausgeträumt?
Wir hatten nie diesen Traum. E-Commerce ist ein Vertriebskanal von vielen für unsere Marken. Gleichzeitig haben wir Monomarken-Läden, etwa für Kiehl‘s. So kann der Verbraucher selbst entscheiden, wo er das Produkt kauft.

China gilt ja als Vorreiter im E-Commerce…
...ja, China ist der am höchsten entwickelte Markt im Onlinegeschäft weltweit. Ich gebe Ihnen eine Zahl: Bei Massenmarken wie L‘Oréal Paris und Maybelline erzielen wir dieses Jahr rund 35 Prozent unseres Umsatzes in China im E-Commerce. Vor fünf Jahren war der Umsatz gleich null. E-Commerce hat noch einen großen Vorteil: Wir erreichen in Ländern wie China oder Indien jeden Kunden, obwohl dort oft die Groß- und Einzelhandelsstruktur fehlt, um die letzten Meter auf dem Weg zum Endverbraucher zu überbrücken.

Deutschland ist im Onlinegeschäft noch Entwicklungsland?
Da liegt der Durchschnittswert aller unserer Marken erst bei zwei Prozent. Bei unseren Luxusmarken ist der Wert aber deutlich höher. Wir profitieren von der Onlinewelt: Wir haben heute bei allen unseren Marken jeweils verglichen mit den Mitbewerbern im E-Commerce einen höheren Marktanteil, als wir ihn offline haben. Außerdem erreichen wir da oft eine höhere Profitabilität als im übrigen Geschäft.

Glauben Sie, dass Marken scheitern werden, die bei der Digitalisierung zu langsam sind?
Ja. Die Welt der Konzerne wird sich künftig stärker in zwei Lager aufteilen: in die, die sich erfolgreich schnell digital wandeln, und solche, die das nicht beherzt genug angehen.

Wird das Einkaufen über sprachgesteuerte Assistenten wie Amazons Alexa, Google Assistant und andere diesen Effekt noch verschärfen?
Um ehrlich zu sein: Es ist noch zu früh, um etwas dazu zu sagen. Aber auch hier gilt meine Aussage, dass E-Commerce vor allem den bekanntesten Marken hilft. Alexa wird deren Produkte liefern. Die digitale Revolution ist sehr darwinistisch.

Glauben Sie, dass es einen Wettbewerb darum geben wird, welche Konzerne am meisten an Amazon zahlen, damit ihr Produkt bei Alexa die Priorität hat?
Wissen Sie, die Aufgabe von E-Commerce-Händlern ist es, die Verbraucher zu befriedigen. Wenn Sie Alexa nach einem Haarshampoo fragen und zehnmal enttäuscht werden, weil Alexa das falsche Produkt liefert, hat Amazon ein Problem. Wenn man in diesem Geschäft erfolgreich sein will, braucht man starke Marken.

Lassen Sie uns über die neue Ethik in der digitalen Welt sprechen. Wo ziehen Sie die Trennlinie zwischen Inhalten und Werbung in den sozialen Medien?
Bei uns ist alles, was wir in den sozialen Medien tun, sehr transparent. In Deutschland zum Beispiel gibt es zwei Arten von Influencern: die einen, denen wir Produkte schicken, um sie zu beurteilen. Mit den anderen haben wir Partnerschaften. Auf deren Homepage steht aber ganz klar, dass sie von uns gesponsert werden.

Was ist mit Hasspredigern und Fake News?
Das ist etwas ganz anderes.

Aber das macht soziale Netzwerke wie Facebook weniger vertrauenswürdig.
Ja, das ist ein Problem. In Großbritannien haben wir uns vor etwa sechs Monaten offiziell bei Facebook wegen des Skandals um Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica beschwert. Facebook hat uns versichert, dass sie gegen die Missstände vorgehen. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich das neue europäische Gesetz, das das Privatleben der Bürger schützt.

Was sollte Facebook tun?
Facebook sollte einfach die Privatsphäre seiner Nutzer schützen. Und sie sollten alle geltenden Regeln achten. Ich habe den Eindruck, dass sie das sehr ernst nehmen, weil davon ihre Zukunft als soziales Netzwerk abhängt.

Würden Sie sich von Plattformen abwenden, die diese Regeln nicht beachten?
Auf jeden Fall!

Würden Sie jemanden aus Ihrer Familie ermutigen, ein Influencer in den sozialen Medien zu werden?
Warum nicht! Wenn er oder sie das wirklich glaubt, was sie dort sagt. Meine Tochter ist 30 Jahre alt, wenn sie irgendein Produkt, es muss kein Beauty-Produkt sein, besonders mag, dann kann sie gerne dafür als Influencer werben.

Monsieur Agon, vielen Dank für das Interview.