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Uniper-Chef verteidigt Kohlekraftwerk Datteln 4: „Symbolpolitik bringt uns nicht weiter“

Andreas Schierenbeck fürchtet sich nicht vor den angekündigten Protesten der Klimaaktivisten. Datteln 4 spare CO2 ein, Uniper leiste damit einen Beitrag zum Klimaschutz.

Der Uniper-Chef glaubt nicht, dass das Thema „die Leute genauso emotional bewegen wird wie der Hambacher Forst“. Foto: dpa
Der Uniper-Chef glaubt nicht, dass das Thema „die Leute genauso emotional bewegen wird wie der Hambacher Forst“. Foto: dpa

Der Chef von Stromproduzent Uniper, Andreas Schierenbeck, weist die massive Kritik der Klimaschützer an der Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 zurück. „Datteln 4 ist eines der modernsten Kohlekraftwerke – und Teil unserer Strategie, den CO2-Ausstoß zu senken“, sagte Schierenbeck im Interview mit dem Handelsblatt.

Uniper wolle den CO2-Ausstoß „noch einmal um bis zu 40 Prozent“ senken und dafür „alte, ineffiziente Anlagen vom Netz nehmen“, sagte Schierenbeck. Die Details würden zwar noch verhandelt. „Letztlich werden wir aber eine Einsparung von CO2 erreichen, also unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten – und um nichts anderes geht es doch.“

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Uniper steht seit Tagen in der Kritik. Trotz des Kohleausstiegs darf der Stromproduzent Datteln 4 als letztes Kohlekraftwerk noch in Betrieb nehmen. Klimaschützer haben schon massive Proteste angekündigt und wollen Datteln 4 genauso zum Symbol machen wie den Hambacher Forst.

„Symbolpolitik ist ein Symptom unserer heutigen Zeit – gerade in Deutschland“, sagte Schierenbeck. „Symbolpolitik bringt uns aber nicht weiter.“ Der Uniper-Chef glaubt aber nicht, dass das Thema Datteln „die Leute genauso emotional bewegen wird wie der Hambacher Forst“.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Schierenbeck, wie fühlt man sich, wenn man plötzlich zum Feindbild Nummer eins der Klimaschützer wird?
Na ja, das kommt ja nicht ganz überraschend. Als ich den Vorstandsvorsitz von Uniper übernommen hatte, wusste ich, auf was ich mich einlasse. Dass einige Themen wie Datteln 4 in der Kritik stehen, war mir klar. Die Energiebranche muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, und das machen wir auch. Diese Transformation mitzugestalten ist nicht einfach, aber auch hochspannend – weil sie eben auch von einer gesellschaftspolitischen Debatte begleitet wird.

Das klingt harmlos. Die Klimaaktivisten haben aber schon heftige Proteste angekündigt. Jetzt, wo der Hambacher Forst gerettet scheint, könnte Datteln 4 zum neuen Symbol im Kampf gegen den Klimawandel werden.
Symbolpolitik ist ein Symptom unserer heutigen Zeit – gerade in Deutschland. Symbole werden gesucht, egal, wie die Fakten sind, egal, was wir machen. Wir verbieten die Plastiktüten und denken, wir würden damit die Welt retten. Symbolpolitik bringt uns aber nicht weiter. Ich bin auch viel zu sehr Techniker, um dafür Verständnis zu haben. Im Endeffekt ist für mich wichtig: Was steht unterm Strich? Was heißt das für die Umwelt? Was heißt das für uns? Was heißt das für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Auch als Techniker müssen Sie sich auf eine emotionale Debatte einstellen – große Demonstrationen und Proteste bei der Hauptversammlung.
Das werden wir sehen. Ich will jetzt nicht spekulieren, was da auf uns zukommen könnte. Ich glaube aber nicht, dass Datteln die Leute genauso emotional bewegen wird wie der Hambacher Forst. Wir haben eine Verpflichtung als Unternehmer gegenüber unseren Eigentümern und unseren Mitarbeitern, die wir sehr ernst nehmen und der wir nachkommen müssen. Unser Handlungsspielraum ist nicht beliebig frei. Das Thema Datteln ist komplex und wichtig. Aber es ist in den Fokus gerückt, obwohl es eigentlich gar nicht da hingehört.

Warum?
Datteln 4 ist eines der modernsten Kohlekraftwerke – und Teil unserer Strategie, den CO2-Ausstoß zu senken. Wir haben unsere CO2-Emissionen von 2005 bis heute schon um 60 Prozent verringert. Jetzt planen wir den CO2-Ausstoß noch einmal um bis zu 40 Prozent zu senken, weil wir alte, ineffiziente Anlagen vom Netz nehmen. Die Details hängen davon ab, wie das Kohleausstiegsgesetz letztlich gestaltet wird. Letztlich werden wir aber eine Einsparung von CO2 erreichen, also unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten – und um nichts anderes geht es doch. Datteln 4 ist Teil der Strategie.

Das klingt vernünftig. Klimaaktivisten werden Sie das so aber nicht vermitteln können.
Wir leben in einer Demokratie, und da darf jeder seine Meinung äußern. In einer Demokratie geht es aber auch darum, Kompromisse zu finden und diese umzusetzen. Wir haben einen Kompromiss gefunden, und es war klar, dass nicht alle glücklich sein werden. Die Tatsache, dass der Kompromiss von so vielen angegriffen wird, zeigt doch, dass wir vermutlich einen relativ guten Kompromiss haben. Wir sollten ihn jetzt umsetzen.

Aber genau das kritisieren die Klimaschützer doch. Im vergangenen Jahr hat eine breit angelegte Kohlekommission getagt und eine Empfehlung ausgesprochen. Beim Kohleausstieg sollte kein neues Kraftwerk mehr ans Netz gehen. Jetzt fühlen sich einige Mitglieder getäuscht.
Sie müssen die entsprechende Passage aber auch zu Ende lesen. Darin stand auch, dass andere Lösungen gefunden werden sollten – und die wurden eben nicht gefunden. Wir sind ergebnisoffen in den Prozess reingegangen. Wirtschaftsminister Altmaier hat ja erst am Dienstag auf dem Energie-Gipfel betont, dass er nicht bereit war, das modernste Kohlekraftwerk vom Netz zu nehmen und uns dafür angemessen zu entschädigen – um dann im Gegenzug alte Anlagen weiterlaufen zu lassen.


„Vielleicht können wir Gas komplett durch Wasserstoff ersetzen“

Ihre Rechtsposition war also einfach gut, und Uniper forderte eine hohe Entschädigung?
Das würde ich jetzt nicht kommentieren. Wir haben aber eine gültige Betriebsgenehmigung, wir haben viel investiert und halten alle Auflagen ein.

Ist Datteln 4 denn wirklich so effizient?
Ja. Das letzte Kohlekraftwerk, der letzte Benziner, der letzte Diesel werden immer wesentlich besser sein als der erste Benziner, der erste Diesel, das erste Kohlekraftwerk. Datteln 4 ist so effizient wie ein modernes Gaskraftwerk. Wir werden ja nicht nur Strom produzieren, sondern auch Fernwärme für rund 100.000 Haushalte und öffentliche und soziale Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

Wann wird Datteln 4 denn in Betrieb gehen?
Die kommerzielle Inbetriebnahme ist für den Sommer geplant. Im Dezember haben wir mit den ersten 300 Megawatt aber schon den ersten Strom produziert, vor wenigen Tagen waren es schon 600 Megawatt. Der Strom aus Datteln wird schon ins Netz eingespeist.

Dass Datteln 4 überhaupt Strom produziert, ist ein kleines Wunder. Die Inbetriebnahme hat sich um ein ganzes Jahrzehnt verzögert. Zuerst wurde der Bau durch Klagen verzögert, dann durch technische Mängel. Ist das Kraftwerk denn überhaupt noch zuverlässig zu betreiben?
Bei den Klagen ging es um Fehler im Genehmigungsverfahren, für die wir nicht verantwortlich waren. Beim zweiten Thema ging es um neuen Stahl, der besser sein sollte, aber letztlich mangelhaft war. Wir mussten die Kesselwände austauschen. Das ist aber alles abgeschlossen. Wir haben Tests gemacht, und alles läuft perfekt.

In all den Jahren haben sich die Marktbedingungen aber radikal verändert. Als der Bau 2007 beschlossen wurde, waren die Strompreise auf einem Allzeithoch. Ist der Betrieb noch rentabel?
Natürlich, sonst würden wir Datteln nicht in Betrieb nehmen. Wir erwarten einen Ergebnisbeitrag im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Dann haben wir ja auch langfristige Verträge mit RWE und der Deutschen Bahn geschlossen.

Zum Ärger der beiden Partner. Die wollten – wegen der langen Verzögerung – raus. Sind die Absprachen noch gültig?
Ja, die Verträge sind gültig. Da wurde unsere Position in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit RWE wiederholt gerichtlich bestätigt.

Auch wenn Sie um Ihr letztes Kohlekraftwerk kämpfen, betont Uniper immer das starke Engagement bei Gas. Nach dem Atom- und Kohleausstieg gibt es jetzt schon Stimmen, die sich als Nächstes Gas vornehmen wollen. Macht Ihnen das Angst?
Nein, wir werden Gas als Brückentechnologie brauchen. Daran besteht kein Zweifel. Wenn wir die Kernkraft rausnehmen, die Braunkohle und auch die Steinkohle, gibt es eine enorme Kapazitätslücke, die wir decken müssen. Außerdem brauchen wir Kraftwerke, die bereitstehen, wenn Wind- oder Solaranlagen keinen Strom liefern. Dafür setzen wir auf flexible Gaskraftwerke. Auf der anderen Seite sehe ich großes Potenzial von Gas bei der Dekarbonisierung. Wenn wir Wasserstoff beimischen, was technisch machbar ist, können wir den CO2-Ausstoß massiv senken. Vielleicht können wir sogar das Gas komplett durch Wasserstoff ersetzen.

Das ist eine Zukunftsvision, noch wirkt Ihr Geschäftsmodell wie ein Anachronismus. Als Eon Uniper abgespalten hat, wurde das Unternehmen als „Resterampe“ beschimpft. Uniper übernahm die fossilen Kraftwerke und den Großhandel.
Das sehe ich nicht so. Unser Geschäft ist Versorgungssicherheit. Wir bieten Versorgungssicherheit im Gashandel und Versorgungssicherheit in der Stromproduktion. Das ist auf Dauer wichtig. Dass wir immer mehr aus alten Technologien raus- und in neue reinmüssen, ist uns schon klar. Das machen wir aber. Wir sehen zum Beispiel im Speichern von Strom und Gas ein großes Potenzial – beispielsweise in der Speicherung von grünem Strom als Gas.

Ihr Konkurrent RWE ist konsequenter. RWE investiert in erneuerbare Energien und will bis 2040 klimaneutral sein.
Lassen Sie uns bei Uniper bleiben – unseren CO2-Reduktionspfad habe ich bereits skizziert. Und schon heute sind wir ja auch im Bereich erneuerbare Energien aktiv. In Deutschland sind wir der größte Betreiber von Wasserkraftwerken.

Wird Uniper auch in neue Anlagen investieren?
Ich sehe nicht so große Chancen darin, einen Solarpark oder einen Windpark selbst zu entwickeln. Aber in Zeiten, in denen die Subventionen auslaufen, müssen Wind- und Solarparks ihren Strom selbst vermarkten. Das ist für unseren Großhandel eine große Chance. In Spanien haben wir kürzlich ein Gigawatt in Solarkraftwerken gekauft, das wir nun vermarkten.

Wird denn selbst Uniper irgendwann einmal klimaneutral sein?
Ich halte nichts davon, etwas zu versprechen, was 2040 oder 2050 sein soll. Aber wir führen die Diskussion über neue Klimaziele ganz intensiv.
Herr Schierenbeck, vielen Dank für das Interview.

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