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Koalition streitet über Gesetz zu Konzernstrafrecht

Die Bundesregierung will Unternehmensbetrug härter bestrafen. Der Bundesrat fordert Nachbesserungen an dem Gesetz. Unions-Politiker wollen das Vorhaben ganz stoppen.

Der Unions-Fraktionsvize ist Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), die das Sanktionengesetz ablehnt. Foto: dpa
Der Unions-Fraktionsvize ist Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), die das Sanktionengesetz ablehnt. Foto: dpa

In der Großen Koalition ist ein Streit über das geplante Gesetz für eine härtere Bestrafung von Unternehmen entbrannt. Der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU will das Vorhaben zu Fall bringen, die SPD beharrt auf Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten neuen Konzernstrafrechts.

„Fehlverhalten von Vorständen und Mitarbeitern sind jetzt schon strafbar, und die Unternehmen sind bei Rechtsbrüchen schadensersatzpflichtig“, sagte Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) dem Handelsblatt. Das geplante Unternehmensstrafrecht bedeute vor allem „massive zusätzliche Bürokratie“ und erwecke den Eindruck, dass Unternehmen grundsätzlich nicht ehrlich seien. „Das halte ich gerade jetzt in dieser Krise, in der Hunderttausende Familienunternehmen ums Überleben kämpfen, für ein fatales Signal.“

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Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner wies indes darauf hin, dass auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Vorschlag von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zugestimmt habe. Daher solle das „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ noch in diesem Jahr umgesetzt werden. „Ehrliche Unternehmen müssen besser geschützt werden“, sagte Fechner dem Handelsblatt.

Unternehmen, die sich hingegen nicht an Recht und Gesetz halten, dürften keinen Wettbewerbsvorteil haben. „Es geht auch nur um die schwarzen Schafe unter den Unternehmen“, betonte der SPD-Politiker. „Den Aufwand für kleinere und mittlere Unternehmen halten wir schlank.“

Die Bundesregierung will mit dem Gesetz Wirtschaftskriminalität effektiver bekämpfen. Die Haftung von nationalen und multinationalen Konzernen soll neu geregelt werden. Die Strafverfolgung soll künftig von Amts wegen eingeleitet werden. Danach müssen Staatsanwaltschaften künftig gegen eine Firma ermitteln, wenn es einen Verdacht gibt, dass aus dem Unternehmen heraus Straftaten wie Betrug, Korruption oder Umweltdelikte begangen wurden.

Bundesrat fordert Änderungen

Der Entwurf sieht unter anderem vor, den Strafrahmen erheblich zu erhöhen und für große Konzerne Sanktionen in Höhe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes zu ermöglichen. Bislang lagen Geldbußen bei maximal zehn Millionen Euro.

Im Bundesrat war der Gesetzentwurf am Freitag auf Widerstand gestoßen. Die ursprünglich von zwei Fachausschüssen vorgeschlagene Generalablehnung des Gesetzentwurfs fand zwar nicht die erforderliche absolute Mehrheit im Plenum. Die Länderkammer verlangt aber diverse Änderungen.

Die Bundesregierung soll demnach prüfen, inwieweit die vorgesehenen Verbandsverantwortlichkeiten und Sanktionen für kleinere und mittlere Unternehmen „verhältnismäßig ausgestaltet“ seien. An diese sollten deutlich weniger hohe Anforderungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten gestellt werden, schon aus Gründen der Bürokratievereinfachung, fordern die Länder.

Zudem verlangt der Bundesrat, den verfahrensrechtlichen Teil des Entwurfs grundsätzlich zu überarbeiten: Ziel sollte demnach sein, das Sanktionsverfahren effektiver und weniger missbrauchsanfällig auszugestalten und hierdurch insbesondere einer drohenden Überlastung der Justiz vorzubeugen.

Wirtschaft warnt vor Belastungen

Nur mit Änderungen will sich der Unionswirtschaftsflügel nicht zufrieden geben. „Wir appellieren an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Länder mit Unionsregierungsbeteiligung, das Gesetz im Bundestag und Bundesrat abzulehnen“, heißt es in einem Vorstandsbeschluss der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), deren Vorsitzender Carsten Linnemann ist.

Das geplante Gesetz „kriminalisiert Unternehmen für Straftaten von Einzeltätern und trifft damit unschuldige Arbeitnehmer und Gesellschafter beziehungsweise Anteilseigner“, kritisieren die Unions-Politiker. Außerdem überlaste es die ohnehin schon stark belasteten Staatsanwaltschaften. „Es passt insbesondere in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg, in der Hunderttausende Unternehmen ums Überleben kämpfen, nicht in die Zeit“, heißt es in dem MIT-Vorstandsbeschluss, der dem Handelsblatt vorliegt. Es widerspreche auch dem von der Großen Koalition im April vereinbarten Belastungsmoratorium.

Die FDP kritisierte die späte Reaktion der Union scharf. „Die CDU hat inzwischen offenbar selbst erkannt, dass man die Wirtschaft vor der Politik ihrer eigenen Regierung schützen muss“, sagte Generalsekretär Volker Wissing dem Handelsblatt. Das sei eine traurige Entwicklung. „Man fragt sich, wo der wirtschaftspolitische Verstand der Union hingekommen ist.“

Das Gesetz ist hochumstritten. Mehrere Länder machten dagegen mobil, ebenso die Anwaltschaft und Wirtschaftsverbände wie der Handelsverband Deutschland (HDE). „Sollte der Gesetzentwurf ohne grundlegende Änderungen in Kraft treten, kostet das allein den mittelständischen Einzelhandel mindestens drei Milliarden Euro“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Handelsblatt. Der Aufbau von Compliance-Systemen sei eine „unverhältnismäßig hohe Belastung, die viele Händler mitten in der Coronakrise nicht stemmen können“.

Die Mittelstandsunion kritisiert, dass mit dem Gesetz ein neues Sanktionsregime geschaffen werde, mit einer „stark strafrechtlichen Prägung“. Die Staatsanwaltschaften würden dazu verpflichtet, bei Straftaten, die durch Einzeltäter im Unternehmen begangen worden seien, auch Ermittlungen gegen das Unternehmen als solches einzuleiten. Verbände im Sinne des Gesetzes könnten alle juristischen Personen sein, sogar Vereine und Parteigliederungen, gibt der Wirtschaftsverband in seinem Beschluss zu bedenken. „Die MIT lehnt ein solches als Verbandssanktionsrecht getarntes Unternehmensstrafrecht ab.“