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Union versus Grüne: Zweikampf um die politische Mitte

Die Grünen verfolgen den Führungsstreit bei der CDU genau. Mit Kanzlerkandidaten Merz hätten sie es im Wahlkampf leichter. Doch er hat einen Nachteil.

Die CDU wird zum letzten Konkurrenten der Öko-Partei. Foto: dpa
Die CDU wird zum letzten Konkurrenten der Öko-Partei. Foto: dpa

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Grünen-Chef Robert Habeck hat lange das Ritual gepflegt, Wahlergebnisse für seine Partei mit großer Zurückhaltung zu kommentieren. Doch inzwischen ist sein Selbst- und Machtbewusstsein deutlich gestiegen. „Die Grünen sind keine Milieu-, Nischen- oder Splitterpartei mehr, die sich um die verlorenen Themen der anderen Parteien kümmert“, verkündete Habeck nach der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft, bei der die Grünen zwar nicht stärkste Kraft wurden, ihren Stimmanteil aber verdoppeln konnten.

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„Die Mitte hat sich immer durch einen gewissen Pragmatismus ausgezeichnet, Probleme zu lösen. Das ist der Grundkonsens dieser Republik gewesen“, sagte Habeck bei „Anne Will“. „Das, was die CDU jetzt macht, ist nicht mehr Mitte, sondern nur noch bockig“, schimpfte er mit Blick auf die anhaltende Unsicherheit bei der Regierungsbildung in Thüringen.

Die Partei, die für sich immer in Anspruch genommen habe, ein Garant für Sicherheit und Stabilität zu sein, sei momentan ein Komplettausfall. „Das ist ein wirkliches Problem.“

Damit zeigte Habeck auf, zwischen wem die politische Auseinandersetzung in den nächsten Monaten vor allem geführt wird: zwischen Union und Grünen.

Politologen teilen diese Einschätzung. „Die Führungsrolle wird gerade zwischen Union und Grünen ausverhandelt“, gibt sich Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung sicher.

Das Duell um die Macht beginnt für die Grünen zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. Die CDU befindet sich in einer Führungskrise, an der Parteispitze beginnt ein Dreikampf zwischen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen. Dagegen fühlen sich die Grünen, getragen von Wahlerfolgen und guten Umfragewerten, so stark wie noch nie.

„Ihre Führungsfrage muss die Union für sich selbst beantworten“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dem Handelsblatt. „Ich hoffe, es gelingt ihr, dabei zu innerer Stabilität zurückzufinden. Und ich hoffe, dass sie ihr Heil nicht in der Vergangenheit, sondern in zukunftsfähiger Politik sucht. Wir brauchen einen demokratischen Wettstreit um die besten Ideen für morgen.“ Annalena Baerbock, die sich mit Habeck die Parteiführung teilt, sagt: „Wir kreisen nicht um andere.“

Die Gelassenheit ist nicht die ganze Wahrheit

Die Gelassenheit ist klug inszeniert, aber nicht die ganze Wahrheit. Denn mit der Wahl des Vorsitzenden steht bei der CDU auch eine Richtungsentscheidung an. Und diese ist wichtig für die Machtperspektive der Grünen.

Röttgen und Laschet sprechen Wähler der Mitte an und bedrängen damit die Grünen. Merz dagegen steht für konservative Positionen und gibt den Grünen Raum. Das ist Baerbock und Habeck natürlich bewusst, auch wenn sie es nicht öffentlich aussprechen.

„Für den Wahlkampf würde ein Kandidat Merz mit seiner starken Polarisierung den Grünen in die Karten spielen“, sagt der Politikwissenschaftler Arne Jungjohann, der unter anderem für die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung schreibt. Die Grünen könnten sich als verantwortungsvolle, moderne Kraft der Mitte positionieren. Das wäre auch ein attraktives Angebot an großstädtische CDU-Anhänger. „Unter einem Kanzlerkandidaten Merz“, glaubt er, „wäre das Rennen zwischen Grünen und Union um das Kanzleramt weitgehend offen.“

Lühmann warnt vor dem Gedanken, dass Merz zwar in der Tat der „leichtere“ Kandidat für die Grünen wäre, weil die CDU mit ihm konservativer werden würde. Aber Merz und dessen Anbiedern an die AfD wäre auch eine Gefahr für den Zusammenhalt des Landes, vor allem für all jene, die von der Sprache und Politik der AfD und dem AfD-Umfeld bedroht seien.

Viele CDU-Wähler mögen Merz‘ Politikstil, sein inhaltlich scharfes Profil, seine Rhetorik und seinen elitären Habitus. Doch damit verkörpert Merz auch eine vergangene Ära, in der die parteiinterne Debatte durch ein rechtes und ein linkes Lager geprägt war. Insofern wirke sein Ansatz ein wenig aus der Zeit gefallen, so Jungjohann: „Heute müssen Parteien und ihre Spitzenpolitiker gesprächsfähig in verschiedene Richtungen, sie müssen als ehrliche Makler unterschiedliche Interessen zwischen Bund und Ländern, zwischen Koalitionen und Parteien austarieren können und kompromissbereit sein.“

Auch Thomas Gambke, Vorsitzender des „Grüner Wirtschaftsdialogs“ ist von Merz nicht überzeugt: „Mit einer konservativen Grundhaltung, ohne erkennbare Ideen und ohne soziale Orientierung bleibt der von Herr Merz postulierte Aufbruch in der Wirtschaftspolitik eine leere Worthülse“, sagte Gambke, der sich seit Jahren um eine Annäherung von Grünen und Wirtschaft bemüht.

Wie könnte eine Koalition mit einer Merz-CDU aussehen?

Armin Laschet liegt programmatisch näher an den Grünen, Norbert Röttgen auch. Beide inszenieren sich zudem als überzeugte Europäer – und könnten den Grünen das Image der Europa-Partei streitig machen, dem sie ihre neugewonnene Beliebtheit zu einem erheblichen Teil mitverdanken.

Doch während ein Wahlkampf gegen Merz für die Grünen vermutlich leichter wäre, würden Koalitionsverhandlungen mit der Merz-CDU sicherlich schwieriger. Ein Rechtsruck würde es den Grünen erschweren, gemeinsame Schnittmengen mit der Union zu finden und ihren linken Flügel von einer Koalition zu überzeugen.

In der schwarz-grünen Koalition in Österreich kümmert sich die ÖVP um konservative Anliegen während die Grünen ihre Klimaschutzpolitik umsetzen. Dieses Modell gilt in Berlin als wenig praktikabel. „Das österreichische Modell lässt sich nicht auf Deutschland übertragen“, sagt Baerbock. „Wir treten mit dem Anspruch an, nicht nur einzelne Bereiche, sondern in der gesamten Breite der Themen die entscheidenden Dinge für dieses Land anzupacken.“

Politikwissenschafter Jungjohann rät ohnehin dazu, die Personalfrage nicht überzubewerten. In den Ländern zeigten die Grünen eine große Flexibilität in Koalitionsfragen: Sie regieren in den Ländern in elf Koalitionen in zehn unterschiedlichen Konstellationen. „Es ist davon auszugehen, dass die Grünen auch im Bund mit der Union koalieren können – unabhängig davon, wer Vorsitzender wird.“

So sieht es auch Fraktionschef Hofreiter: „Über Kandidaten hin und her zu spekulieren bringt nichts. Auf diese Art der Politik haben die Leute auch wenig Lust. Unser grüner Weg ist klar: Wir stellen optimistische Antworten auf Herausforderungen unserer Zeit in den Vordergrund und dann sollen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden.“

Rot-rot-grün wäre auch noch möglich

Ohnehin ist es gut möglich, dass den Grünen nach der nächsten Bundestagswahl eine weitere Machtoption offen steht: eine Koalition mit SPD und Linkspartei unter ihrer Führung. In einigen aktuellen Umfragen hat ein solches Linksbündnis schon eine Mehrheit.

Ob die Grünen am Ende mehr zu einer Koalition mit der Union oder nach links tendieren, lässt sich nach Einschätzung Lühmanns bislang nicht eindeutig sagen: „Die Grünen sind das erste Mal in ihrer Parteiengeschichte in der Situation, in der sie nicht nur ihre Eigenständigkeit betonen, sondern auch leben. Früher haben sie sich doch eher zum Anhängsel der SPD gemacht. Diese Zeiten sind vorbei. Heute gucken sie, mit welchem Bündnispartner ihre Forderungen am besten durchsetzbar sind.“