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Der unheimliche Boom – Abspaltungen treiben den Übernahmemarkt

VW will seine Lastwagensparte abspalten – und ist damit nur ein Beispiel von vielen. Der Trend sorgt für Billionen-Umsätze im M & A-Geschäft. Wo noch weitere Abspaltungen zu erwarten sind.

Auf der Hauptversammlung im MAN Truck Forum in München hat Joachim Drees den Weg in die Zukunft gewiesen. Der Chef der Volkswagen-Konzerntochter MAN kündigte einen harten Sparkurs an – um am Ende frei zu sein. Denn die Lastwagensparte von VW soll abgespalten und weiterentwickelt werden.

Unter dem Namen „Next Level“ plant Konzern-Spartenchef Andreas Renschler, die Lastwagensparte börsenfähig zu machen. Neben MAN soll die VW-Tochter Scania aus dem schwedischen Södertälje und der Bereich VW-Nutzfahrzeuge zu einem der profitabelsten Hersteller von Lastwagen und Bussen geformt werden.

Die Sparte werde so flexibler und habe zusätzliche Möglichkeiten, sich Geld für Wachstum zu besorgen, begründete Renschler den Schritt. Es ist ein Plan für mehr Unabhängigkeit, den inzwischen auch viele andere Topmanager ins Auge fassen.

Konzernabspaltungen wie bei VW sind der ganz große Katalysator für den Markt für Fusionen und Übernahmen (M & A) in den kommenden Jahren. Das hat einen triftigen Grund: Mischkonzerne sind bei den Investoren unbeliebt, man versieht sie am Kapitalmarkt mit einem Malus, einem Bewertungsabschlag. Wenn die Einzelteile mehr wert sind als das große Ganze, dann drängen Profianleger auf eine Zerschlagung. So wollen sich so viele deutsche Manager wie nie zuvor in den kommenden 24 Monaten von Unternehmensteilen trennen. „Das ist wirklich eine dramatische Veränderung“, sagt Carsten Kniephoff, Partner bei der Unternehmensberatung EY (Ernst & Young).

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Noch nie sei die Bereitschaft zur Abgabe von Konzernteilen so groß gewesen wie jetzt, geht aus der „Global Corporate Divestment Study“ von EY hervor, die dem Handelsblatt vorab vorliegt. Fast 90 Prozent der Manager wollten sich demnach nicht mehr mit einer schwachen Wettbewerbsposition eines Geschäftsbereichs oder einer Tochtergesellschaft abfinden. „Auch das ist ein extrem hoher Wert. Lieber verkaufen die Firmenlenker diejenigen Bereiche, mit denen sie nicht unter den Marktführern sein können“, erläutert Kniephoff.

Deals werden vom Kartellrecht angetrieben

Im vergangenen Jahr kam es weltweit bereits zu über 10.000 Desinvestitionen, 2010 hatte diese Zahl erst bei 6800 gelegen. „Die Investoren an den Börsen wollen klare Geschäftsmodelle, mehrere Standbeine mit unterschiedlicher Rendite werden zunehmend problematisch“, sagt ein Finanzmanager in Frankfurt. Das war vor gut einem Jahrzehnt noch gänzlich anders. „Dass Mischkonzerne durch Fokussierung generell mehr Wert für die Aktionäre schaffen können, hält sich hartnäckig als Mythos“, merkte BCG-Topmanager und Querdenker Dieter Heuskel noch im Jahr 2006 an. Heute hat sich der kritische Blick von Heuskel auch in den Vorstandsetagen etabliert. Die Konsequenz: Spin-offs, also die Ausgründung von Firmenteilen, sind in Mode gekommen – wie erst die letzten Wochen wieder bewiesen.

Zu den jüngsten Megadeals aus Abspaltungen zählten in diesem Frühjahr die Siemens-Medizintechnik Healthineers und der Vermögensverwalter der Deutschen Bank, der einmal Deutsche Asset Management hieß und heute unter DWS firmiert. Außerdem trennte sich der Kfz-Zulieferer Bosch von seinem Startergeschäft. Für knapp 550 Millionen Euro kauften der chinesische Industriekonzern ZMJ und der Finanzinvestor CRCI das Unternehmen, das einen Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro erzielt.

Seine Nutzfahrzeugsparte will neben Volkswagen auch Daimler herauslösen. Anfang des Jahres forderte Bert Flossbach, Mitgründer der größten selbstständigen deutschen Fondsgesellschaft Flossbach von Storch, als einer der großen Aktionäre bereits, dass „Daimler die Nutzfahrzeuge abspaltet und zwei Aktien, also Mercedes-Benz und Daimler Trucks, als schlagkräftige autonome Einheiten an die Börse bringt, aber auf keinen Fall unter dem Dach einer Holding“. Der erfahrene Kapitalmarktprofi klagt, zwar seien die Daimler-Produkte besser denn je, aber das schlage sich leider nicht im Aktienkurs nieder. Die Nutzfahrzeugsparte würde bisher praktisch mit null bewertet.
Auch Reifenhersteller Continental denkt über eine Ausgliederung der Antriebssparte und einen teilweisen Börsengang des Bereichs nach. Konzernchef Elmar Degenhart hatte Ende April vor den Aktionären gesagt, Conti baue die Sparte, in der das Geschäft mit Verbrennungsmotoren und Elektroantrieben und die dazugehörige Steuerungselektronik gebündelt sind, weiter aus. „Das kann bedeuten, wir verselbstständigen teilweise das Geschäft als eigenständige Organisation. Dieser geben wir mehr unternehmerischen Freiraum.“

Hinzu kommen Deals, die vom Kartellrecht angetrieben werden. „Große Transaktionen wie Bayer Monsanto und Linde Praxair führen zu Verkäufen wegen vorhandener Überlappungen und um rechtliche Vorgaben der Kartellbehörden zu erfüllen“, sagt Steffen Wurm, Chef des Investmentbankings bei HSBC in Deutschland. So verkaufte die Leverkusener Bayer das Gemüsesaatgutgeschäft sowie andere Geschäftsteile wie bestimmte Saatgutbehandlungsmittel und die Forschungsplattform für Weizenhybride für 1,7 Milliarden Euro an den Ludwigshafener Wettbewerber BASF, um Vorgaben für die Freigabe der Monsanto-Übernahme zu erfüllen.

Auch beim schwächelnden Anlagenbauer Gea könnte es zu einer Aufspaltung kommen. Im April musste Finanzchef Helmut Schmale gehen und durfte seinen bis 2021 laufenden Vorstandsvertrag nicht erfüllen. Seit Herbst vergangenen Jahres mischt sich Paul Singer mit seinem aktivistischen Hedgefonds Elliott in die Firmenpolitik ein. Das Unternehmen leidet nach Ansicht von Anlegern unter einem überstürzten Konzernumbau, schlecht integrierten Zukäufen und Wildwuchs in der IT. Am Ende könnte eine Aufspaltung des Konzerns stehen, was Banker für realistisch halten.

Doch es geht nicht nur um schwächelnde Unternehmen und die Konzentration auf das Kerngeschäft. Generell sind die Manager in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen mutiger geworden. „Zwar wurde in der M & A-Flaute nach der Krise vor zehn Jahren auch viel über strategische Themen diskutiert. Es fehlte jedoch der Mut, diese auch anzupacken“, betont Wurm. Außerdem schauten die Investoren momentan vor allem auf das Umsatzwachstum, sagt Birger Berendes, Leiter M & A im deutschsprachigen Raum bei der Bank of America Merrill Lynch. „An Profitabilität fehlt es den Unternehmen nicht.

Viele Mega-Übernahmen zwischen britischen und amerikanischen Unternehmen

Sie liegt so hoch wie selten zuvor. Unternehmenschefs müssen sich deshalb mögliche strategische Transaktionen anschauen, um das eigene Wachstum anzutreiben“, urteilt Berendes. Ohnehin räumen 46 Prozent der deutschen Unternehmenschefs ein, dass sie zu lange an Konzernteilen festgehalten haben. Das soll sich ändern.

Die zunehmenden Ab- und Aufspaltungen wie etwa auch bei Metro in einen Lebensmittel- und einen Elektrogerätehändler befeuern das M & A-Geschäft, das ohnehin rundläuft und immer neue Rekorde einfährt. Thomson Reuters sieht im Mai dieses Jahres bereits die Marke von zwei Billion Dollar geknackt, nachdem laut der Beratungsgesellschaft KPMG das weltweite M & A-Volumen im ersten Quartal schon die Marke von einer Billion Dollar überschritt. Zugleich stieg der Wert im ersten Quartal der durchschnittlichen Transaktionen um rund 30 Prozent auf 124 Millionen Dollar.

Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. „Die Diskussionen um Strafzölle und Handelsabkommen scheinen sich nicht negativ auf den M & A-Markt auszuwirken“, sagt Leif Zierz, Global Head of Deal Advisory bei KPMG. Angesichts niedriger Zinsen und eines günstigen Kapitalumfelds sei die Nachfrage nach „echten Vermögenswerten und attraktiven Unternehmen mit hohen Cashbeständen ungebrochen“.

Vieles spricht dafür, dass es in den nächsten Monaten weiter Schlag auf Schlag gehen wird. Die KPMG-Experten rechnen 2018 bei den Deals mit einem Anstieg um fünf Prozent im Vergleich zu 2017. Banker erwarten steigendes Interesse der Konzerne an guten Unternehmen, gerade wenn die Interessenten prall gefüllte Kassen haben oder aus dem Besitz von Finanzinvestoren stammten.

Und die Private-Equity-Fonds müssten ihr „Dry powder“ – also ihr nicht investiertes Kapital – für neue Unternehmenskäufe ausgeben. Der Druck steigt hier enorm, nachdem die Beteiligungsbranche rund eine Billion Dollar noch nicht investiert hat.

Vor allem zwischen den USA und Großbritannien knistert es nun. Die Hochzeit zwischen der Amerikanerin Meghan Markle und Prinz Harry aus dem britischen Königshaus findet laut dem Analysehaus Thomson Reuters auch in der Unternehmenswelt bereits ihre Nachahmer. Als sich Prinz Harry und Meghan Markle jetzt das „Jawort“ gegeben haben, sei „love in the air“ gewesen – und das gelte auch für eine ganze Reihe von Megahochzeiten im Unternehmenssektor, heißt es bei Thomson Reuters.

Mit 89,6 Milliarden Dollar sei der Wert von M & A zwischen Großbritannien und den USA von Januar bis Mai dieses Jahres auf dem höchsten Stand seit 19 Jahren geklettert.

Doch es gibt auch warnende Stimmen: „Am Ende eines Bullenmarktes markiert M & A immer neue Rekorde. Alle Spieler sind zuversichtlich, dass es mit Übernahmen mehr zu verdienen gibt als durch die Auszahlung von Dividenden oder über Aktienrückkäufe. „Das böse Erwachen kommt dann später“, betont ein Investmentbanker, der als Pessimist lieber nicht genannt werden will.