Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.492,49
    +15,40 (+0,08%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.083,42
    +1,68 (+0,03%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Gold

    2.254,80
    +16,40 (+0,73%)
     
  • EUR/USD

    1,0790
    -0,0003 (-0,03%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.587,27
    +887,49 (+1,37%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    83,11
    -0,06 (-0,07%)
     
  • MDAX

    27.043,04
    -48,91 (-0,18%)
     
  • TecDAX

    3.454,38
    -2,98 (-0,09%)
     
  • SDAX

    14.294,62
    -115,51 (-0,80%)
     
  • Nikkei 225

    40.404,21
    +236,14 (+0,59%)
     
  • FTSE 100

    7.952,62
    +20,64 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.205,81
    +1,00 (+0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     

Umschwärmter Mittelstand

Bei der Voelkel GmbH von einem Saftladen zu sprechen, wäre noch eine Untertreibung. Das familiengeführte Unternehmen aus Höhbeck in Niedersachsen stellt zwar Biosäfte her. Zum Sortiment gehören aber eben nicht nur Orangensaft, sondern zum Beispiel auch Möhrenlimonade, Ananas-Gurke-Smoothies oder Birkenwasser. „Wir probieren immer etwas Neues aus“, sagt Jurek Voelkel, der gemeinsam mit seinen drei Brüdern und seinem Vater die Geschicke der Firma managt und rund 180 Mitarbeiter beschäftigt.

Doch nicht nur in der Produktion, auch bei der Finanzierung gehen die Norddeutschen neue Wege. Über die Crowdinvesting-Plattform Finnest sammelte Voelkel zum Jahresbeginn rund 1,5 Millionen Euro ein. Dabei konnten Anleger bereits mit einer Darlehenssumme von 5.000 Euro investieren. Im Gegenzug zahlt der Safthersteller ihnen einen jährlichen Zins von vier Prozent. Die gesamte Finanzierung kam innerhalb von nur acht Wochen zustande. Die Crowd, zu Deutsch der Schwarm, hatte insgesamt sogar zwei Millionen Euro geboten – weit mehr, als die Firma benötigte. „Das hängt wohl auch damit zusammen, dass viele unsere Produkte kennen. Mein Urgroßvater hat die Firma bereits 1936 gegründet. Wir führen das Unternehmen heute in der vierten Generation“, erzählt Jurek Voelkel.

Für ihn ist das Crowdinvesting-Projekt auch ein Kundenbindungsinstrument und noch dazu gute PR. Der ganz normale Weg zur Finanzierung führt die Saft- und Limonade-Experten, die im Jahr rund 60 Millionen Euro Umsatz machen, nämlich zu ihrer Hausbank. Bei der müssen sie auch wesentlich weniger Zinsen für einen Kredit bezahlen. „Das Darlehen hätten wir auch über unsere Bank bekommen. Ihr gefällt es dennoch, dass wir zusätzliche Kapitalgeber gefunden haben“, resümiert Voelkel.

Das Beispiel zeigt: Crowdlending setzt sich als Alternative zur klassischen Hausbankenfinanzierung in Deutschland immer mehr durch. Nachdem in der Anfangsphase vor allem Start-ups von diesem vergleichsweise neuen Zugang zu Kapital profitierten, entdecken inzwischen auch Mittelständler die Schwarmfinanzierung als zusätzliche Geldquelle. „Online-Finanzierungen sind nicht mehr nur für Start-ups eine attraktive Option. Immer mehr große, namhafte Unternehmen nutzen diese Ergänzung zum herkömmlichen Bankkredit“, sagt Joerg Bartussek, Geschäftsführer und Mitgründer von Finnest.

WERBUNG

Das Unternehmen, das seinen Sitz in Österreich hat, gründete er 2014 gemeinsam mit seinem Partner Günther Lindenlaub. Dass die Anlagemöglichkeit auf Finnest dem Bookbuilding-Mechanismus klassischer Unternehmensanleihen ähnelt, ist kein Zufall. Lindenlaub war früher als Raiffeisenbank-Manager an einigen der größten Unternehmensanleihen Österreichs beteiligt. Finnest richtet sich nach eigener Aussage an profitable und bonitätsstarke Mittelständler mit langjährigen Geschäftsmodellen. Bevor ein Unternehmen über die Plattform Kapital generieren darf, wird es von Finnest durchleuchtet. Sowohl die zu finanzierenden Unternehmen als auch die Crowd-Investoren zahlen Finnest für die Vermittlung eine Gebühr.


Option für Immobilienunternehmen

Crowdlending ist auch für Martin Koll, Geschäftsführer der WVM Immobilien + Projektentwicklung GmbH, ein willkommenes Finanzierungsinstrument. Seine Firma entwickelt, baut und saniert Wohnungen. Rund 100 Mitarbeiter gehören zum Kölner Unternehmen. Koll beziffert das aktuelle Volumen für alle laufenden Projekte auf 600 Millionen Euro. Er hat im August 2016 über die auf Immobilienfirmen spezialisierte Crowdinvesting-Plattform Exporo rund 775.000 Euro für ein Bauprojekt eingesammelt. „Die Platzierung hat nur neun Tage gedauert.“ Den Crowd-Investoren zahlt das Unternehmen einen jährlichen Zins von fünf Prozent.

Für Koll hat dieser Weg den Vorteil, schnell und unbürokratisch an Kapital zu kommen. Der Aufwand sei deutlich geringer als beispielsweise Mittelstandsanleihen zu platzieren. Dass er gegenüber den Crowd-Investoren sein Unternehmen ein Stück weit offenlegen muss, stört ihn nicht. „Das sind keine Firmengeheimnisse. Unsere Bilanzen kann jeder auch öffentlich über den Bundesanzeiger einsehen.“

Über Exporo müssen Anleger keine Gebühren zahlen, der Kreditnehmer hingegen schon. „Für den Fall, dass der anvisierte Finanzierungsbetrag über die Crowd-Anleger nicht zustande kommen sollte, sorgen wir vor“, sagt Exporo-Sprecher Julian Oertzen. So gibt es die Möglichkeit, dass Großinvestoren aus dem Netzwerk von Exporo die Lücke bis zum Funding-Ziel schließen. „Im Zuge der verschärften Eigenkapitalanforderungen – Stichwort Basel II und III – ist es für Immobilienunternehmen zum Teil schwieriger geworden, an Fremdkapital zu kommen“, weiß Oertzen. Dies sei ein Grund gewesen, die Crowd­investing-Plattform vor mehr als drei Jahren zu gründen.

Wie etabliert derlei Finanzierungsinstrumente heute sind, erkennt man auch daran, dass die Commerzbank 2016 als erste deutsche Großbank einen neuen Finanzierungsmarktplatz für mittelständische Unternehmen entwickelt hat. Die sogenannte Peer-to-Peer-Lending-Plattform trägt den Namen Main Funders. Dort können Kunden der Mittelstandsbank ihre Investitionsvorhaben potenziellen Investoren vorstellen, um diese für eine Finanzierung zu gewinnen. Die Volumina liegen zwischen 200.000 Euro und zehn Millionen Euro.

Michael Kotzbauer, Bereichsvorstand Corporate Banking der Commerzbank sagt: „Hohe Investitionsbedarfe, etwa im Zuge von Digitalisierung und Industrie 4.0, stehen heute mehr denn je einer hohen Liquidität durch die anhaltend niedrigen Einlagenzinsen gegenüber.“ Daraus ergebe sich ein neuer Bedarf an Zusatzangeboten zum herkömmlichen Finanzierungs- und Anlagegeschäft.

Crowdlending hat sich in den vergangenen Jahren vor allem bei kleineren Start­ups etabliert. Laut dem Informationsportal crowdfunding.de wurde im Jahr 2016 in Deutschland ein Volumen von 63,8 Millionen Euro realisiert – ein Wachstum gegenüber 2015 von 39 Prozent. 2011 waren es gerade einmal 1,4 Millionen Euro. Für Mittelständler sollten Crowd-Darlehen allerdings nur einen kleinen Teil der Finanzierungen ausmachen, etwa als Ergänzung zur Hauptfinanzierung über die Geschäftsbank.

Und auch Investoren sollten sich genau ansehen, mit welchem Kreditnehmer sie es zu tun haben. Crowd-Plattformen bieten Unternehmen das gesammelte Kapital zumeist in Form von nachrangigen Darlehen an. Sie gehören bei Unternehmen zum Mezzanine-Kapital und sind Finanzinstrumente, die im Insolvenzfall im Rang hinter andere Forderungen gegen das schuldende Unternehmen zurücktreten. Außerdem haben Anleger bei nachrangigen Darlehen keine direkten Mitspracherechte, wie beispielsweise auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft.

KONTEXT

Die jüngsten Crowdinvesting-Pleiten

Returbo (Oktober 2016)

Rund 1,1 Millionen Euro steckten Anleger in Returbo. Die Idee dahinter: Retouren, Fehlproduktionen und B-Ware von Online-Shops weiterverkaufen.

Front Row Society (Oktober 2016)

Design-Entwürfe und eine Community, die darüber abstimmt - das war das Konzept der Online-Modeplattform Front Row Society. Anlegern war das 500.000 Euro wert.

Freygeist (Januar 2017)

Besonders nobel und leicht wollte Freygeist seine E-Bikes designen und hatte dafür rund 1,5 Millionen Euro von der Crowd erhalten.

TripRebel (Januar 2017)

Für seine Kunden wollte TripRebel Hotelbuchungen stornieren und günstigere Zimmer nachbuchen. 700.000 Euro hatten Anleger in das Start-up gesteckt.

Protonet (Februar 2017)

Einen einfachen Server für jedermann wollte Protonet bieten. Dafür hatten die Hamburger binnen weniger Tage drei Millionen Euro eingesammelt - ein Rekord für die deutsche Crowdinvesting-Szene.

Lampuga (April 2017)

Rund 820.000 Euro hatte Lampuga auftreiben können. Das Produkt: Elektrifizierte Surfboards mit denen sich auch ohne Wind surfen lässt.