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Umrüstung im Schneckentempo

VW-Abgasskandal - Umrüstung im Schneckentempo

Volkswagen hat bisher nur einen Bruchteil der in Deutschland vom Dieselskandal betroffenen Autos umgerüstet. Das geht aus einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor.

Demnach wurden von den 2.555.880 manipulierten Diesel-Fahrzeugen mit 2,0-, 1,6- und 1,2-Liter-Varianten des EA-189-Motors bisher rund 240.000 Pkw umgerüstet. Das entspricht einer Quote von knapp zehn Prozent.

Der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn kritisierte, dass damit der Großteil der „Schummel-Fahrzeuge“ von weiterhin die Luftqualität in Städten und Gemeinden belaste. „Das geht massiv zulasten der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger“, sagte Kühn dem Handelsblatt. Das Bundesverkehrsministerium sicherte indes in seiner Antwort zu, sich für einen „schnellen Abschluss der Umrüstung“ einzusetzen.

Ursprünglich hatte VW die Umrüstungen noch 2016 weitgehend beenden wollen. Doch schon zum Jahresanfang gab es Verzögerungen, weil das Kraftfahrtbundesamt (KBA) beim Mittelklassewagen Passat Nachbesserungen verlangte. Für jedes Fahrzeugmodell, muss je nach Gewicht, Getriebetyp und Ausstattung eine spezielle Software-Variante entwickelt und genehmigt werden.

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Mitte September erklärte der zuständige VW-Manager Manfred Bort dann im VW-Mitarbeiter-Magazin „Inside“, dass das KBA für knapp 60 Prozent der rund 8,5 Millionen in Europa betroffenen Fahrzeuge die Freigabe erteilt habe. Davon seien zehn Prozent mit guten Ergebnissen umgerüstet. „Wir setzen alles daran, bis November die Freigabe für alle Software-Varianten zu erhalten“, so Bort damals.

Bis Jahresende sollten alle betroffenen Kunden in Deutschland informiert werden, dass eine technische Lösung für ihr Auto verfügbar sei. „Ich bin zuversichtlich, dass wir im Laufe des nächsten Jahres den Rückrufprozess abgeschlossen haben werden.“ Der EU-Kommission hatte der Konzern daraufhin zugesagt, bis Herbst 2017 alle in Europa betroffenen Autos umzurüsten.

Laut Ministerium prüft das Kraftfahrtbundesamt (KBA) nach erfolgter Umrüstung noch einmal die Wirksamkeit der Software-Updates für die beanstandeten Modellvarianten. „Genereller Prüfmaßstab ist, dass das Fahrzeug sämtliche für die Typgenehmigung relevanten Parameter auch nach der Umrüstung einhält.“


Grüne fordern Einrichtung einer europäischen Zulassungsbehörde

Ernüchternd fällt indes die Umrüstungs-Bilanz auch für die Autos anderer Hersteller aus. Neben den besagten VW aus dem Dieselgate waren bei Audi, Mercedes, , Porsche und -Nutzfahrzeugen überhöhte Stickoxidwerte festgestellt worden. Nach einem „freiwilligen“ Rückruf von über 600.000 Fahrzeugen sollten die Hersteller verbesserte Emissionsminderungskonzepte vorlegen. „Mit Ausnahme des Porsche Macan, für den (vom Kraftfahrtbundesamt; KBA) eine Freigabe erteilt worden ist, dauern die Prüfungen noch an“, teilte das Verkehrsministerium mit.

Dass damit viele Fahrzeuge deutscher Hersteller weiter mit problematischen Schadstoff-Emissionen unterwegs sind, führt der Grünen-Politiker Kühn auch darauf zurück, dass die Politik zu sehr Milde im Umgang mit der Autoindustrie walten lässt. „Nun rächt es sich, Autos nur freiwillig zurückzurufen und keine Sanktionsmittel in der Hand zu haben“, sagte er. „Der freiwillige Rückruf reicht hinten und vorne nicht aus.“ Dass Ende des Jahres alle betroffenen Autos umgerüstet sind, sei somit eine Illusion, kritisierte Kühn. „Stattdessen sind viele Dreckschleudern noch viel länger auf den Straßen.“

Zu anderen der „Gruppe 2“ zugeordneten Marken, etwa Alfa Romeo, Chevrolet oder Dacia, bei denen ebenfalls problematische Abgaswerte entdeckt wurden, kann das Ministerium keine Angaben machen, weil diese Fahrzeuge zu ausländischen Herstellern gehören und damit das KBA als Genehmigungsbehörde nicht zuständig ist.

Als Konsequenz fordert der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn die Einrichtung einer europäischen Zulassungsbehörde. „Nur so können Hersteller auch über Landesgrenzen hinweg in die Pflicht genommen werden“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Eine europäische Behörde hilft auch dabei, unterschiedliche Rechtsauffassungen und Maßstäbe bei der Genehmigung von Beginn an zu vermeiden.“

KONTEXT

Dieselgate wird für VW immer teurer

Teure Folgen

Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen. Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als zehn Milliarden Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Milliarden Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten.

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Ärger rund um den Globus

Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungsmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Quelle: Reuters