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Ufa-Chef: „Der Raubbau an den eigenen Kräften ist ein Riesenthema für die Medienbranche“

Nico Hofmann, Chef der Produktionsfirma Ufa („Ku’damm 59“, „Charité“), bemängelt die Qualität vieler Produktionen von Streamingdiensten: „Es gibt viel zu viel Mittelmaß“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt. „Die Zuschauer werden mehr denn je überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Am Ende abonnieren sie maximal zwei Plattformen – nicht fünf oder sechs. Es wird jedenfalls einen starken Verdrängungswettbewerb geben."

Hofmann plädiert in der Medienbranche für mehr Zusammenarbeit. „Abschottung und Abhängigkeit führt erwiesenermaßen ins Niemandsland“, sagte er im Hinblick auf US-Konzerne wie Disney, die ihre Inhalte nur noch im eigenen Kosmos vermarkten wollen. Die Ufa habe schon immer unabhängig am Markt agiert, 70 Prozent des Umsatzes werde außerhalb der RTL Group generiert. Die Produktionsfirma gehört zu RTL, das wiederum eine Tochter des Gütersloher Familienunternehmens Bertelsmann ist.

Hofmann sieht einen eindeutigen Trend im Filmmarkt: „Die Filmmärkte werden wieder lokal. Die Zuschauer verabschieden sich vom amerikanischen Lizenzprodukt und fordern eigenständige Produktionen“, sagte Hofmann. Seiner Ansicht nach ist es "absolut richtig, wenn sich RTL-Dienste wie TVNow auf ihre Heimatmärkte konzentrieren und dort attraktive Angebote anbieten".

Mit TVNow versucht RTL, sich einen Platz im boomenden Streamingmarkt zu erkämpfen, der bislang von den Tech-Konzernen Netflix und Amazon dominiert wird. Die Ufa profitiert von dem Kampf der Plattformanbieter, die allesamt Inhalte benötigen: „Unser Umsatz ist im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent gestiegen“, sagte Hofmann. „Wir spüren definitiv einen Wachstumsmarkt und arbeiten sowohl mit den wichtigsten Fernsehsendern, als auch mit allen wichtigen Streaming-Anbietern zusammen. Es wird extrem spannend zu beobachten sein, wie sich unsere Partner künftig voneinander abgrenzen werden.“

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Lesen Sie hier das komplette Interview mit Nico Hofmann

Content is King. Das weiß man im Medienkonzern Bertelsmann, wo seit Kurzem eine „Content Alliance“ aufgebaut wird. Ihr Ziel: viel engere Kooperation zwischen allen Inhalte-Produzenten des Gütersloher Imperiums – vom Verlagshaus Random House über RTL-Radio und -Fernsehen und das Print-Geschäft von Gruner + Jahr („Stern“, „Geo“) bis zur Filmfirma Ufa, die von dem passionierten Produzenten Nico Hofmann dirigiert wird.

Herr Hofmann, wie sieht die neue Allianz konkret aus?
Eigentlich könnte man sich fragen: Warum gibt es solche Kooperationen nicht schon seit Jahren? Es liegt ja in der Natur des Unternehmens, dass großartige Player Projekte gemeinsam entwickeln. Bei der Ufa praktizieren wir dieses Zusammenspiel schon seit Längerem, etwa mit der Verlagsgruppe Random House, wenn es um Buchrechte geht, oder aktuell mit Gruner + Jahr und dem gemeinsamen TV-Format zu „Stern Crime“. Auch mit BMG …

… dem Musikzweig von Bertelsmann …
… bereiten wir gerade zwei Musicalprojekte vor. Aber natürlich ist unter dem Dach von Bertelsmann noch weit mehr möglich: etwa im Bereich Radio, wo die Nachfrage für Podcasts gerade durch die Decke geht.

Ist es nicht verrückt, dass sich die Ufa schon die Rechte an der Fälscher-Affäre um Claas Relotius beim „Spiegel“ gesichert hat?
Wieso?

Weil der Skandal – überspitzt formuliert – noch nicht mal richtig aufgearbeitet ist, während er bei Ihnen schon verfilmt wird.
So funktioniert der Markt.

Der „Spiegel“ gehört in Teilen Gruner + Jahr, bei Random House wird das Buch des Relotius-Enthüllers Juan Moreno erscheinen, und die Ufa verfilmt. So wird auch aus dem Medienskandal am Ende noch Umsatz. Fehlt eigentlich nur noch der Fake-News-Soundtrack und der Podcast ...
… der übrigens im Fall der Aufarbeitung der Hitler-Tagebücher des „Stern“ mittlerweile sehr erfolgreich ist. Aber um realistisch zu bleiben: Der Relotius-Stoff, der im Übrigen völlig unabhängig von der Content Alliance zu uns gekommen ist, hat einfach unglaublich viele Ebenen: der Kampf um Glaubwürdigkeit, die Frage, was Journalismus und Wahrhaftigkeit heute eigentlich bedeuten, der Fälscher und sein Verfolger … fast ein Thriller.

Und so viel Branchengerede interessiert die Leute?
Alle großen Journalismus-Filme fanden auch ihr Publikum – die gut gemachten jedenfalls. Und – Verzeihung – es geht hier inhaltlich um deutlich mehr als um Branchengerede.

US-Konzerne wie Disney schotten sich derzeit stark ab und wollen ihre Inhalte nur noch im eigenen Kosmos vermarkten. Was bedeutet das für die Ufa, die bislang ja auch für andere Kunden wie ARD und ZDF Filme produziert?
ARD und ZDF sind weiterhin äußerst wichtige Partner, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Aber warum sollen wir beispielsweise nicht auch Filme für öffentlich-rechtliches Fernsehen produzieren und auf Netflix zeigen. Abschottung und Abhängigkeit führt erwiesenermaßen ins Niemandsland. Die Ufa hat schon immer unabhängig am Markt agiert, 70 Prozent unseres Umsatzes wird außerhalb der RTL Group generiert.

Das Netflix von Bertelsmann heißt TVNow. Warum sieht man von dem so wenig?
Ich empfinde das Gegenteil: In Deutschland arbeitet RTL unter Hochdruck an TVNow – und an ähnlich starken Diensten in den anderen europäischen Märkten der RTL Group. Vor einem Jahr dachte ich für mich persönlich, dass TVNow die Antwort auf Netflix sein müsste, als Teil einer eigenen paneuropäischen Plattform der RTL Group. Doch der Trend geht eindeutig in eine andere Richtung.

Inwiefern?
Die Film-Märkte werden wieder lokal. Die Zuschauer verabschieden sich vom amerikanischen Lizenzprodukt und fordern eigenständige Produktionen. Schauen Sie sich die Erfolge an, die mit deutschen Programmen erzielt wurden, etwa mit unseren Produktionen „Ku’damm 56/59“, „Deutschland 83/86“, „Charité“ oder auch mit „4 Blocks“, „Dark“ und „Babylon Berlin“. Insofern ist es absolut richtig, wenn sich RTL-Dienste wie TVNow auf ihre Heimatmärkte konzentrieren und dort attraktive Angebote anbieten. Das bedeutet aber nicht, dass große Projekte wie die „Porsche Saga“, die wir gerade mit dem ZDF vorbereiten, nicht mehr international verkauft werden: Je großartiger lokales Programm produziert ist, umso stärker läuft der Auslandsverkauf.

Der Publikumsgeschmack ändert sich wirklich auf breiter Front?
Definitiv. Und das eben nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Also lokal, fein, klein?
Klein nicht, die Budgets sind ja teils enorm groß. Bei Projekten wie der „Porsche Saga“ sprechen wir von Budgets bis zu 15 Millionen Euro, um international Standards zu setzen.

Warum sind die Bilanzen des ja sehr global operierenden Netflix dann immer noch so erstaunlich stabil?
Auch bei Plattformen wie Netflix wird weltweit viel lokales Programm hergestellt, das dann aber global reüssieren soll. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren zudem extrem jung positioniert – spürt aber auch die Kosten. Netflix baut im Augenblick in Europa eine Art eigene Produktionsstudio-Landschaft auf. Es ist billiger, hier zu produzieren, als ausschließlich amerikanischem Talent hinterherzulaufen.

Profitiert Ihre Ufa eigentlich ausreichend von der Goldgräberstimmung der Branche?
Unser Umsatz ist im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent gestiegen. Wir spüren definitiv einen Wachstumsmarkt und arbeiten sowohl mit den wichtigsten Fernsehsendern als auch mit allen wichtigen Streaming‧anbietern zusammen. Es wird extrem spannend zu beobachten sein, wie sich unsere Partner künftig voneinander abgrenzen werden.

Wo ist Netflix Ihr Konkurrent oder gar Feind, wo Ihr Partner?
Ich erlebe Netflix überhaupt nicht als Feind, ganz im Gegenteil. Wir produzieren gerade „Betonrausch“ für Netflix. Wir sind auf dem Weg in eine völlig diverse Medienlandschaft. Wenn es überhaupt Fronten gibt, dann ändern sie sich täglich.

Wie sinnvoll ist es, dass Netflix weiter ohne Werbung auskommen will?
Das Geschäftsmodell von Netflix ist börsenfixiert und -getrieben. Dahinter steckt für den Finanzmarkt die Hoffnung auf eine große Vision. Ähnlich wie bei Uber. Nun wird es darum gehen, ob sich diese Vision erfüllt. Was man allerdings – auch durchaus kritisch – beobachten kann, ist, wie sich die Investmentspirale immer weiter nach oben dreht und die Unterhaltungsmaschinerie permanent gefüttert werden will. Das kostet viel Geld.

Haben wir als Konsumenten mittlerweile nicht schon viel zu viel Programm? Wann platzt die Blase?
In der breiten Masse wird sich der Boom über kurz oder lang in dieser Geschwindigkeit nicht weiterentwickeln können. Es gibt viel zu viel Mittelmaß. Und die Zuschauer werden mehr denn je überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Am Ende abonnieren sie maximal zwei Plattformen – nicht fünf oder sechs. Es wird jedenfalls einen starken Verdrängungswettbewerb geben.

Könnte der Filmmarkt künftig auch noch von Facebook oder Google erobert werden?
Ich nehme momentan eher einen Rückzug der beiden in diesem Segment wahr. Bewegtbild, vor allem im Fiktionalen, bleibt enorm kostenintensiv.

Alles wird immer teurer: Schauspieler, Regisseure, Filme. Sie selbst haben schon vom „Krieg der Talente“ gesprochen …
… der in den USA längst Realität ist. Bei der Ufa ist Nachwuchsförderung und Talentbindung ein wichtiges Thema. Ich persönlich habe mich schon immer für den Nachwuchs enorm erfolgreich eingesetzt und viele meiner eigenen Studenten bereits an der Filmhochschule für uns begeistert. Wir haben zahlreiche Nachwuchsprojekte, die unter dem Dach der Ufa produziert werden; das Label „Freder Fredersen“, mit jungen Kollegen in der Führungsspitze, wurde von mir Anfang 2018 ins Leben gerufen. Topregisseure wie Florian Cossen, Christian Schwochow oder Philipp Kadelbach haben nicht nur bei mir studiert, sondern mit der Ufa ihre ersten großen Projekte gemacht. Jungen Talenten geht es am Ende aber nicht nur ums Geld.

Sondern?
Zum einen, Projekte bestmöglich zu realisieren. Aber auch darum, in einer Art geschützter Familienatmosphäre Ideen eigenständig umsetzen zu können; gegenseitiges Vertrauen ist hier die Basis.

Auch die im Bankenmilieu spielende Serie „Bad Banks“ wurde von einem Ihrer früheren Studenten gedreht. Warum findet Wirtschaft im Film bislang so wenig statt?
Themen, die bereits jeden Tag in allen Medien erörtert werden, funktionieren als Fiktion nur dann, wenn weitere Erzählebenen dazukommen, die das Programm „bigger than life“ machen: bei „Bad Banks“ ein groß‧artiges Figurenensemble, das die Bankenwelt als rauschhaften Egotrip interpretiert.

Wie wäre es mit dem Dieselskandal von Volkswagen, immerhin das größte Wirtschaftsdrama der vergangenen Jahrzehnte?
Darum kümmert sich bereits Leonardo DiCaprio in Hollywood. Übrigens mit Eddie Berger als Regisseur, der bei unserer Serie „Deutschland 83“ Regie geführt hat.

Warum hat sich nicht die Ufa die Rechte gesichert?
In der VW-Geschichte verändert sich derzeit noch viel. Das sind laufende Verfahren gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn und andere Manager. Als Produzent muss man sich immer die Frage stellen: Was genau wollen wir erzählen, und über wen wollen wir es erzählen? Und natürlich spielen auch Persönlichkeitsrechte eine zentrale Rolle. Die Hollywood-Produktion wird sich deshalb vermutlich auf den amerikanischen Teil des Dieselskandals konzentrieren. Damit entzieht sie sich einer Rechteproblematik, die wir in Deutschland hätten.

Sie haben angekündigt, die Ufa umbauen zu wollen. In welche Richtung soll es gehen?
Ein Unternehmen wie die Ufa ist immer ein Abbild der Gesellschaft. Hier spiegeln sich alle gesellschaftlich relevanten Themen: Politisierung, Generationenvertrauen, Emanzipation, Diversity, Nachhaltigkeit. Gerade junge Talente legen Wert auf eine entsprechende Unternehmenskultur, das macht das Ganze enorm spannend für mich.

Wie sieht diese neue Ufa-Kultur aus?
Wir gehen weg von den Hierarchien, wir fordern und fördern extrem Teamgeist. Alle müssen auf die Reise mitgenommen werden. Den Mitarbeitern – vor allem auch den jungen – geht es um gelebte Unternehmenskultur. Und genau in diesem Sinne bauen wir die Ufa erfolgreich um. Die Veränderungen sind täglich spürbar, und das macht mich glücklich.

Seit eineinhalb Jahren führen Sie das Unternehmen allein. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Ich führe die Ufa nicht alleine, sondern werde von meinem Mitgeschäftsführer Joachim Kosack und unseren großartigen Teams unterstützt. Unternehmensführung gelingt nur gemeinsam. Die Umstellung von der kreativen Arbeit aufs Management empfinde ich zugleich inspirierend, aber auch enorm kräftezehrend. Ich hatte gerade eine Rücken-OP – die Transformationsprozesse spüre ich also geradezu körperlich.

Welche unmittelbaren Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wenn ich früher neun Meetings gemacht habe an einem Tag, dann sind es heute vielleicht nur noch sechs. Man muss sich Freiräume nehmen, um neue Ideen entwickeln zu können, und sich immer wieder selbst hinterfragen. Der Raubbau an den eigenen Kräften, das ist ein Riesenthema für die gesamte Medienbranche. Man denkt, immerzu permanent auf eine bestimmte Art funktionieren zu müssen.

Sehr offene Worte …
Ich halte es für eine Qualität, offen zu reden. Das sage ich auch meinen Kollegen. Ich habe Mitarbeiter, die mit 35 Jahren einen Burn-out haben, und glaube nicht, dass man heute noch ein Unternehmen führen kann, wenn man von seinen Mitarbeitern Non-Stop-Anwesenheit fordert und dann aggressiv wird, wenn sie nicht erreichbar sind.

Fehlt Ihnen die kreative Arbeit neben Ihrer Managementaufgabe?
Ja, definitiv. Aber ein wenig arbeite ich noch in diesem Bereich. Zum Beispiel an der Produktion von „Siegfried und Roy“ oder der „Porsche Saga“, die nächstes Jahr gedreht wird. Das sind Projekte, um die ich mich persönlich kümmere.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft bei der Ufa?
Ich werde in den nächsten Jahren das Unternehmen so gestalten, dass es reibungslose Übergänge geben wird: Grundsätzlich brauchen wir eine klare Generationsverabredung über Entwicklungsmöglichkeiten der heute 30- bis 40-Jährigen. Das ist auch das große Thema bei Bertelsmann.

Diskutieren Sie das auch in der Content Alliance?
Ein gelebter Generationenvertrag betrifft uns alle: Die 35-Jährigen kümmern sich genauso um die Entwicklung der 25-Jährigen; ich sehe eine solche Generationenschichtung alle zehn Jahre. Wer die Jüngeren nicht ernst nimmt, bleibt auf der Strecke. Das erlebt gerade die Politik.

Herr Hofmann, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Netflix, Amazon & Co. machen Familienunternehmen wie Bertelsmann zu schaffen. Dessen CEO Thomas Rabe fordert daher mehr kreative Ideen und kritisiert die Abläufe im eigenen Konzern.