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TV-Konzerne liefern sich eine teure Materialschlacht beim Streaming

Revolution im Medienmarkt: Alteingesessene US-Fernsehhäuser setzen alles auf das Internet. Selbst hohe Anlaufverluste schrecken Disney und Discovery nicht ab.

Als Medienprofi weiß Gunnar Wiedenfels um die Bedeutung des Jahreswechsels für sein Geschäft. Da gibt es – in diesem Jahr besonders – „ein großes Interesse für Technologie und insbesondere Bewegtbild-Produkte“, sagt der deutsche Finanzchef des US-Konzerns Discovery.

So erlebt das Publikum derzeit eine einzigartige Materialschlacht wie in einem Hollywood-Kriegsfilm. Die weltgrößten Medienhäuser kämpfen mit immer neuen Streaming-Angeboten direkt um die Zuschauer.

Offenbar hat der Erfolg von Netflix neue Energien bei alteingesessenen Konzernen freigesetzt, wie sich zuletzt bei Disney zeigte: Das „House of Mouse“ meldet nach nur zwölf Monaten knapp 87 Millionen Kunden für seinen Dienst Disney+. Die Zahl soll bis 2024 auf 260 Millionen anwachsen. Spätestens dann soll Marktführer Netflix mit seinen aktuell 195 Millionen Kunden abgehängt sein.

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Allein am Weihnachtswochenende wurde die App von Disney+ 2,3 Millionen Mal heruntergeladen. Dies war ein Plus von 28 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Wochenende. Konkurrent HBO Max verbuchte dank der Premiere von „Wonder Woman 1984“ an Weihnachten die höchste Download-Zahl für seine App binnen eines Tages.

Die Lage habe sich in den letzten zwei Jahren dank der Möglichkeiten des Internets „wirklich revolutionär geändert“, sagt Wiedenfels im Interview mit dem Handelsblatt: „Die Konsumenten sind weltweit bereit, für Streaming-Inhalte zu bezahlen, zahlreiche Dienste kommen auf den Markt.“ Und auch die Werbebranche entdecke den Reiz der neuen Angebote.

Früher habe man in einem Markt mit weltweit 700 Millionen Pay-TV-Haushalten agiert, darunter in Ländern wie Italien oder Deutschland, in denen das Bezahlfernsehen weder verbreitet noch populär sei – nun aber seien die Grenzen offen. Der Anfangserfolg von Disney+ sei „beeindruckend“, lobt Wiedenfels, man habe selbst „großen Respekt vor dieser Leistung“.

Sein eigener Arbeitgeber mischt nun auch selbst beim Streaming-Boom mit. Anfang Dezember startete Discovery+ mit einem großen Arsenal an Dokumentationen und Reality-Shows sowie mit 5,6 Millionen Abonnenten. Deren Zahl soll sich 2021 offenbar verzehnfachen.

Tausend Stunden exklusive Neuproduktionen sind angekündigt. Von Spielfilmen und fiktionalen Serien aber hält man sich strikt fern. Es sei „absolut erfolgsversprechend“, auf ein bezahlbares Angebot zu setzen, das Zuschauer begeistert und das es in dieser Art noch nicht auf dem Markt gibt, so Wiedenfels.

Hohe Anlaufverluste

Es gehe nicht darum, Netflix oder Amazon Prime (mehr als 100 Millionen Kunden) anzugreifen, sondern man verstehe sich als „komplementäres Angebot“. Auch koste Discovery+ nicht 12,99 Dollar monatlich, sondern 6,99 Dollar oder 4,99 Dollar, wenn man Werbung akzeptiert – das sei „der Preis von zwei Bechern Kaffee bei Starbucks“.

Mag sein. Aber der Versuch großer amerikanischer Medienunternehmen, ihre Marke mit einem Kraftakt global zu kapitalisieren, reißt überall Löcher in die Bilanz. So meldet Disney einen Jahresverlust von 2,8 Milliarden Dollar nach vorher 10,4 Milliarden Dollar Gewinn. Und daran wird sich nicht viel ändern. Denn bei den Disney-Konzerntöchtern Hulu und ESPN laufen ebenfalls teure Streaming-Offensiven.

Auch für Discovery+ werden allein 2021 Anlaufverluste von 200 Millionen bis 300 Millionen Dollar anfallen. Komplette Sicherheit gebe es bei Projekten dieser Art nie, sagt Wiedenfels, aber es sei „ein durchdachtes, kalkulierbares Risiko“, das man aus eigenen Mitteln tragen könne. Der Free Cashflow lag im abgelaufenen Geschäftsjahr bei drei Milliarden Dollar, die Gewinnmarge bei 41 Prozent.

Künftig könnten Neuproduktionen über die neue Plattform Geld erlösen, und zwar vor der Verwertung im herkömmlichen Pay-TV und in eigenen Free-TV-Sendern, wirbt Wiedenfels. Dass die Margen nun sinken werden, „begeistert den Kapitalmarkt natürlich erst mal nicht“, führt er weiter aus.

Aber man denke an die Zukunft und frage sich: „Wie groß wäre das Risiko, wenn wir nichts Neues wagen? Dann würde uns die Konkurrenz vielleicht bald abhängen. Der ökonomische Friedhof ist voll mit Unternehmen, die zu lange gewartet haben.“ Die eigenen Aktionäre – allen voran der Medienmilliardär John Malone – seien eben sehr ambitioniert.

Diese Haltung eint die Medienriesen aus den USA. Also streamen sie, was das Zeug hält. Disney kündigt allerlei an, zum Beispiel neue „Stars Wars“-Episoden und „Marvel“-Folgen. Allein die Präsentation des Programms Mitte Dezember dauerte vier Stunden. Mittelfristig will Disney unbedingt die Schieflage bei den eigenen Vergnügungsparks ausgleichen, die in der Corona-Pandemie geschlossen bleiben.

Discovery wiederum verfügt nach Zukäufen inzwischen über 55.000 Programm-Episoden. Im Management setzt man auf die beliebte Serie „90 Days Fiancé“ über Paare aus dem amerikanischen Ausland, die ein US-Visum beantragen und 90 Tage Zeit zum Heiraten haben. Zu den Schätzchen gehören auch Filme von David Attenborough und zahlreiche BBC-Dokumentationen für Familien.

Und der eigene Sender Eurosport zeigt zum Beispiel die Olympischen Spiele. Vor drei Jahren wurde bereits das US-Fernsehunternehmen Scripps mit Spezialkanälen wie Food Network, Travel Channel oder Fine Living übernommen.

Kooperation mit Pro Sieben

Zunächst beginnt Discovery+ in 25 Ländern, der Start in den USA ist für den 4. Januar terminiert. Entscheidend wird sein, wie das Angebot in diesem Hauptmarkt einschlägt. Immerhin erreichen die Discovery-Spezialprogramme in US-Kabelhaushalten 20 Prozent Marktanteil.

In Deutschland taucht Discovery+ als Marke erst mal nicht auf. Hier betreibt das Unternehmen bereits mit Pro Sieben Sat 1 seit anderthalb Jahren die noch defizitäre Plattform Joyn. Mit 3,9 Millionen Unique Usern, gemessen im Juni, liegt sie allerdings deutlich hinter TV Now der RTL Group, die im März schon fast sechs Millionen Einzelnutzer verzeichnete.

Generell werde man schauen, welche Produktionen „wir auch in den deutschen Markt bringen können“, sagt der frühere Pro-Sieben-Finanzchef Wiedenfels: „Wir sind offen, uns verschiedene Modelle anzuschauen.“

Die Anstrengung würde sich lohnen, immerhin verbringen die Deutschen inzwischen mehr als ein Drittel ihrer Sehzeit mit Streamingdiensten. Und in Corona-Zeiten erhöht sich dieser Anteil noch einmal. Alle Prognosen würden übertroffen, sagt Wiedenfels: „Die Leute sitzen zu Hause und wollen Wohlfühlfernsehen – und sie streamen.“

Wenn die Entwicklung so weiterläuft, können deutsche Streamingfans vielleicht bald zwischen zehn Angeboten wählen. Dass da eine Übersättigung nicht ausbleibt, weiß auch Wiedenfels: Womöglich werde die Angebotsvielfalt für den Konsumenten „irgendwann zu unübersichtlich“, so der Discovery-Manager, und er möchte sich „auch nicht zigmal einloggen“ sowie für viele unterschiedliche Streaminganbieter zahlen.

Seine Prognose: „Mittelfristig wird es sicher zu einer Konsolidierung kommen.“ Bis dahin zeigt jeder, was er kann.