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Trumps Zeit läuft ab, doch die US-Demokratie ist ramponiert

Der neue US-Kongress ist zerstritten, Trump klammert sich weiter ans Amt: Der Auftakt ins neue Jahr zeigt ein gespaltenes Amerika – und kündigt schwere Zeiten für Joe Biden an.

Nancy Pelosi ist erleichtert. Immer wieder verbeugt sich die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses von den Demokraten unter Applaus. Gerade wurde die 80-Jährige erneut zur mächtigsten Frau im US-Kongress gewählt. Doch im Halbrund des Versammlungssaals auf dem Capitol Hill kommt keine Euphorie auf.

Vor der Pandemie war die erste Sitzung des US-Kongresses, der sich alle zwei Jahre erneuert, ein Spektakel mit Flur-Partys und Sektempfängen. Dieses Mal umarmt sich niemand, die Abgeordneten halten einigermaßen Abstand, die Besuchertribüne ist leer. Die Restaurants rund um das Kapitol, in denen sonst gefeiert wird, bleiben an diesem Sonntagabend dunkel.

Auch Pelosis Grußworte nach ihrer Wiederwahl sind düster. „Wir beginnen die Arbeit in einer Zeit außerordentlicher Schwierigkeiten“, sagt die Kalifornierin. Jeder Einzelne der 350.000 Toten im Zusammenhang mit Covid-19 sei „eine Tragödie, die wir in unseren Herzen tragen“. Über 20 Millionen Infektionen und fast zehn Millionen Menschen ohne Arbeit, das sei „fast nicht zu begreifen“.

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Vor knapp einem Jahr saß Pelosi im selben Saal, der mit Massivholz und Ledersesseln den Wert der US-Demokratie unterstreichen soll. Damals hielt Donald Trump eine Rede zur Lage der Nation. Während Trump ein „Comeback Amerikas“ pries, meldeten die Kliniken die ersten tausend Covid-19-Fälle. Pelosi zerriss vor laufenden Kameras das Redemanuskript, als Protest gegen „die Lügen“ des Präsidenten.

Schon zu diesem Zeitpunkt war die Polarisierung in der Politik sichtbar, die Feindschaft der Lager in jedem Ringen um Beschlüsse präsent. Doch auch jetzt, da Trump die Wahlen verloren hat und das Weiße Haus noch im Januar verlassen soll, scheinen sich die Gräben der Nation nicht zu schließen.

Trump will an Protest teilnehmen

Landesweit entfaltet sich eine Bewegung gegen die US-Demokratie, angetrieben vom Präsidenten selbst, der den Wahlsieg Joe Bidens nicht anerkennt. In Dutzenden Gerichtsverfahren haben Trumps Anwälte die Wahl anfechten wollen, doch weder der Supreme Court noch die Behörden fanden Anhaltspunkte für einen Betrug. Trotzdem gehen seit November regelmäßig „Stop the Steal“-Demonstranten auf die Straße, die das Ergebnis für gefälscht halten.

An diesem Mittwoch könnte Trump das erste Mal persönlich eine dieser Demos in der Hauptstadt Washington besuchen.

Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Trump seine Niederlage doch noch einräumt. Am Regierungswechsel kann er nichts ändern – doch er kann die öffentliche Akzeptanz der künftigen Biden-Präsidentschaft durch anhaltende Vorwürfe untergraben.

Zuletzt verdichtete sich der Eindruck, dass Trump an seinen Verschwörungstheorien festhalten wird. So zeigte der Mitschnitt eines Telefonats, über das am Sonntag die „Washington Post“ berichtete, das Ausmaß von Trumps Unmut. Darin drängte der US-Präsident auf eine nachträgliche Änderung des Wahlergebnisses in Georgia. „Ich muss nur 11.780 Stimmen finden...weil wir den Bundesstaat gewonnen haben“, sagte Trump zum Innenminister von Georgia, Brad Raffensperger, und drohte mit einem juristischen Nachspiel. Die Regierung in Georgia gehe ein „großes Risiko“ ein, sollte sie nichts tun. Es sei „nichts verwerflich daran, die Dinge neu zu berechnen“.

Trump hatte den ehemals republikanischen Bundesstaat bei der Wahl vom 3. November knapp verloren, der Demokrat Biden eroberte ihn mit einem Vorsprung von 11.779 Stimmen. Zwei Neuauszählungen änderten daran nichts. An diesem Dienstag hält der Bundesstaat eine weitere wichtige Wahl ab: Zwei Senatssitze entscheiden darüber, ob die Republikaner ihre Mehrheit in der mächtigen Kongresskammer behalten oder verlieren.

In Washington sorgte der Mitschnitt des Trump-Telefonats für Aufruhr, die Demokraten sprachen von Machtmissbrauch und einem möglichen Verstoß gegen Wahlgesetze. „Es ist wahrscheinlich kriminell, und in jedem Fall moralisch abstoßend und gefährlich für unsere Demokratie“, kommentierte der Abgeordnete Adam Schiff, der im vergangenen Jahr das Impeachment-Verfahren gegen Trump leitete.

Einen neuen Anlauf für ein Impeachment werde es nicht geben, deutete Schiff an. Schließlich sei Trump nur noch wenige Wochen im Amt. Doch der Feldzug des Präsidenten gegen die US-Demokratie wird von Teilen der Republikanischen Partei aktiv unterstützt. Viele von Trumps treuesten Anhängern sitzen auch nach dem Regierungswechsel im Kongress und setzen dort den Ton.

Einen Vorgeschmack auf die politische Frontenbildung gibt es an diesem Mittwoch, wenn der US-Kongress das Ergebnis des Wahlkollegiums zertifiziert: 306 Stimmen für Biden, 232 Stimmen für Trump.

Eigentlich ist die Bestätigung durch den Kongress reine Formsache. Doch rund 140 republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus haben angekündigt, mit Nein zu stimmen. Dazu wollen zwölf republikanische Senatoren, darunter die Trump-Loyalisten Ted Cruz und Josh Hawley, Einspruch gegen die Ergebnisse einzelner Bundesstaaten einlegen.

Weil die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus halten, können Trumps Unterstützer den Sieg Bidens nicht umdrehen. Doch der Kongress wird sich über Stunden, vielleicht auch Tage, mit den Anschuldigungen beschäftigen müssen.

Biden wird um jede Stimme kämpfen müssen

Der unbegründete Vorwurf einer gestohlenen Wahl wird damit auf großer Bühne salonfähig gemacht, in der politischen Herzkammer Washingtons. Das geht selbst in den eigenen Reihen vielen zu weit. Der Republikaner-Chef im Senat, Mitch McConnell, riet „dringend“ von einem Einspruch ab. Und der republikanische Senator Mitt Romney sprach von einer „ungeheuerlichen Aktion, die der Profilierung dient, aber die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie bedroht“.

Auch alle zehn noch lebenden, ehemaligen US-Verteidigungsminister warnten in einem gemeinsamen Beitrag in der „Washington Post“ davor, den Machtwechsel aufzuhalten. Die Zeit sei gekommen, Trumps Niederlage zu akzeptieren und Bidens Sieg anzuerkennen. „Versuche, die US-Streitkräfte in die Beilegung von Wahlstreitigkeiten einzubeziehen, würden uns in gefährliches, unrechtmäßiges und verfassungswidriges Territorium führen.“ Zu den Unterzeichnern gehörten auch Mark Esper und James Mattis, die beide unter Trump dienten.

Für Biden, der am 20. Januar eingeschworen wird, könnte das Regieren schwer werden, sollten sich die Turbulenzen in Washington verfestigen. Denn für Großprojekte wie eine Infrastruktur-Reform oder eine grüne Energiewende braucht er überparteiliche Unterstützung.

Der 78-Jährige hat einen Ruf als Vermittler, ob als erfahrener Senator oder Vizepräsident von Barack Obama. „Ihr werdet noch staunen, wer alles mit uns zusammenarbeiten will“, sagte er vor Weihnachten zu seinen Anhängern. Doch auf dem Capitol Hill werden er und seine Partei in den kommenden Jahren um jede Stimme kämpfen müssen.

Mehr: Die Republikaner stehen nach Trumps Abschied vor einem erbitterten Machtkampf