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Trumps größter Denkfehler

Trumps aggressive Zollpolitik schadet den USA: Die Klage über deutsche Leistungsbilanzüberschüsse übersieht, dass Überschussländer das Wachstum der übrigen Welt sogar fördern. Die EU sollte mit Zollabbau antworten.

In der Handelspolitik ähnelt das transatlantische Verhältnis derzeit einem Tandem, bei dem ein Fahrer aus Protest, der andere würde sich nicht genügend ins Zeug legen, damit droht, sich selbst ins Knie zu schießen. Woraufhin der andere ankündigt, in diesem Falle zur Vergeltung dasselbe zu tun. Ein solches Gefährt verliert naturgemäß an Fahrt, zumal dann, wenn beide ihre Drohungen wahrmachen.

Freihandel: Kein Zugeständnis an das Ausland, sondern Motor des Eigenwohls

Die USA wären das erste Land, das durch Abschottung reicher wird. Die sogenannten Strafzölle schaden nicht nur ausländischen Produzenten, sondern sie bestrafen die amerikanischen Konsumenten und schwächen die US-Wirtschaft insgesamt. Der Import von Gütern, die am Weltmarkt billiger zu haben sind als durch Eigenproduktion, setzt Ressourcen frei, die produktiver verwendet werden können. Zollmauern behindern diesen Handelsvorteil und drehen den Strukturwandel zurück. Im Ergebnis werden knappe Ressourcen von anderen Wirtschaftszweigen abgezogen, um wieder mehr Stahl, Aluminium oder Waschmaschinen in den USA zu produzieren (statt Software oder Biotechnologie). Das bedient ausschließlich Partikularinteressen auf Kosten des US-amerikanischen Gemeinwohls. „Make America Great Again“ geht anders.

Gleiches gilt umgekehrt für etwaige Gegenmaßnahmen der EU. Die Turbulenzen auf den Stahl- und Aluminiummärkten, die die USA durch ihre Zollpolitik verursachen, werden nicht dadurch neutralisiert, dass die Europäer im Gegenzug die Whisky- und Motorradmärkte verzerren und dort ihrerseits vorteilhafte Spezialisierungs- und Tauschmöglichkeiten blockieren. Auch die Vergeltungsstrategie führt zu Verlusten in den eigenen Reihen und fußt letztlich auf der falschen Vorstellung, dass freier Marktzugang für Wettbewerber aus aller Welt in erster Linie ein Zugeständnis an das Ausland sei, das man nur auf Gegenseitigkeit gewährt. Tatsächlich liegen offene Märkte im wohlverstandenen Eigeninteresse, weil man so auswärtige Tauschpartner findet, die einem hohe Opportunitätskosten vom Hals halten und so die eigene Wirtschaft produktiver machen. Gegenmaßnahmen bergen auch immer die Gefahr, das Tor für Partikularinteressen weit aufzumachen – wer seine Branche ohnehin schon immer vor unliebsamer Auslandskonkurrenz schützen wollte, dem fällt jetzt eine Steilvorlage in den Schoß.

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„Strafzölle“: Plumper Merkantilismus, kein raffinierter Masterplan

Manche Beobachter vermuten hinter dem aggressiven Auftreten der US-Handelspolitik einen raffinierten Masterplan und versuchen, den transatlantischen Konflikt in den Kategorien der volkswirtschaftlichen Optimalzolltheorie begreiflich zu machen. Ein solches Kalkül liegt hier aber gerade nicht vor. Zum einen müssten sich Zölle dann nach Preiselastizitäten richten, was derzeit nicht erkennbar ist (und ohnehin mehr eine theoretische Spielerei als eine praktikable Möglichkeit darstellt). Vielmehr richten sich sowohl die protegierten Wirtschaftsbereiche in den USA als auch die in Rede stehenden Vergeltungszölle der EU nach dem Wählerpotenzial des amtierenden US-Präsidenten. Zum anderen zielt die Optimalzolltheorie darauf ab, die Terms of Trade im Außenhandel zu verbessern, also dafür zu sorgen, dass sich für die eigenen Exporte mehr Importe eintauschen lassen. Genau darum geht es Präsident Trump augenscheinlich nicht, vielmehr beklagt er sich ja über zu billige Produkte aus dem Ausland. Vor allem aber stört er sich in merkantilistischer Manier an den Außenhandelsdefiziten der USA, und genau darin liegt sein größter Denkfehler.


Kapital: Treibstoff des Wirtschaftswachstums

Die Ansicht, die Vorteilhaftigkeit des Außenhandels ließe sich am Vorzeichen der Außenhandels- oder Leistungsbilanzsalden ablesen, ist ebenso weitverbreitet wie falsch. Die mit den amerikanischen Leistungsbilanzdefiziten einhergehenden Nettokapitalzuflüsse erhöhen das Produktionspotenzial der US-Wirtschaft.

Kapital ist der Treibstoff des Wachstums. Der irreführende Begriff des Außenhandelsdefizits (der übrigens erst mit dem Keynesianismus aufkam) schaut nur auf die Zahlungsseite im Außenwirtschaftsverkehr. Güterwirtschaftlich entspricht ein solches Defizit einem Überschuss: Im Außenhandel fließen den USA mehr Güter zu als ab. Und mit diesen Gütern können Konsumenten und Unternehmer disponieren – und zwar zusätzlich zum heimischen Produktionsergebnis.

Insbesondere lässt sich so der Kapitalstock in den USA stärker ausweiten als wenn das Land nur auf die inländische Ersparnis beschränkt wäre. Eine höhere Kapitalintensität (Kapitalausstattung je Arbeitsplatz) steigert die Produktivität der amerikanischen Arbeitskräfte, so dass die Mehrproduktion (höheres Bruttoinlandsprodukt, BIP) auch bei den Einkommen der Arbeitnehmer in den USA ankommt (höheres Bruttonationaleinkommen, BNE). Umgekehrt wachsen die Nettokapitalexportländer wie Deutschland nicht auf Kosten des Auslands, sondern mit dem Ausland. Die Nettokapitalexporte vermindern sogar den Anstieg des heimischen Produktionspotenzials (gedämpftes BIP-Wachstum), dies wird aber durch ein stärkeres BNE-Wachstum (Einkommensgewinne der Investoren) überkompensiert. Global betrachtet wird dieses BNE-Positivsummenspiel dadurch möglich, dass weltweit mobiles Kapital effizienter wirken kann, als wenn es in den jeweiligen Ländern eingesperrt wird.

Da der Konsum der finale Zweck allen Wirtschaftens ist und das jeweilige BNE, nicht aber das nationale BIP, über die Konsummöglichkeiten der Bevölkerung entscheidet, sollte es darüber keinen zwischenstaatlichen Konflikt geben (Weltproduktion und Welteinkommen sind selbstverständlich identisch). Dies müsste insbesondere die US-Regierung beherzigen, die bei ihrem derzeitigen fiskalischen Kurs umso mehr auf ausländische Kapitalzuflüsse angewiesen ist. Die Vorteile der internationalen Kapitalflüsse setzen freilich voraus, dass diese nicht durch eine unsachgemäße Geldpolitik oder ein Aufweichen des Haftungsprinzips fehlgelenkt werden. Sofern in dieser Hinsicht Defizite bestehen (hier ist der Begriff tatsächlich angebracht), müssen diese aber direkt adressiert werden, anstatt die Symptome durch untaugliche Eingriffe auf Seiten der Handelsströme zu überdecken und so eine unbeherrschbare Interventionsspirale in Gang zu setzen.

Die EU sollte lieber Zölle abbauen

Im Ergebnis sollte die EU der ruppigen Zollpolitik der amtierenden US-Regierung durch das Angebot eines weitreichenden transatlantischen Zollabbaus begegnen und ihr so den Wind aus den Segeln nehmen. Stößt sie damit auf Granit oder gibt es hierzu keinen Konsens innerhalb der EU (auch diesseits des Atlantiks gibt es ja keineswegs nur überzeugte Freihändler), kann sie es auch nur bei einer WTO-Klage belassen und auf Vergeltungsmaßnahmen verzichten – diese wären zwar zulässig, aber nicht klug (es genügt, wenn sich auf dem transatlantischen Tandem einer ins Knie schießt).

Die bizarren Winkelzüge der mit wenig Sachverstand agierenden Trump-Regierung sitzt man am besten aus, ohne Porzellan zu zerschlagen, das dann mit der Nachfolgeregierung wieder mühsam zusammengesetzt werden müsste. Auch der Multilateralismus ist nicht am Ende, wenn die USA derzeit nur zuschauen. Deren Gewicht in der Welt nimmt ab, und früher oder später werden die USA ihre Isolation aufgeben. In der Zwischenzeit lohnt es sich, die WTO zu stärken. Dies beinhaltet auch, die Obstruktionspolitik der derzeitigen US-Regierung bei wichtigen WTO-Gremien nicht länger zu dulden. Zur Not gäbe es auch eine WTO ohne die USA – 87 Prozent der Weltimportmärkte machen die übrigen Länder unter sich aus.

Natürlich sollte auch dann die Tür für die Vereinigten Staaten offen bleiben, sofern sie nicht ohnehin vorher erkennen, dass es besser ist, Regeln mitzugestalten, als an der Seitenlinie zu stehen. Die EU könnte sich ihrerseits als Pionier profilieren und unilateral mutige Schritte zur weiteren Öffnung ihres Binnenmarktes für die übrige Welt in Gang setzen. Auf diese Weise würde aus dem freien Binnenmarkt ein freier Markt – nicht die schlechteste Vorausaussetzung, um zum „wettbewerbsfähigsten“ Wirtschaftsraum der Welt aufzusteigen. Wer hingegen im Reziprozitätsdenken gefangen bleibt, wird nur im Schneckentempo vorankommen. Pioniere gehen voran und warten nicht auf das langsamste Kamel in der Karawane. Und weil die EU damit auch als Investitionsstandort attraktiver wird, zöge sie so auch weltweit mehr Kapital an. Auch solches, das sonst in die USA geflossen wäre.

Der wirksamste Gegendruck erwächst der Trump-Regierung von innen

Bislang handelt es sich bei den höheren Zöllen auf Stahl und Aluminium makroökonomisch um Nadelstiche. Aber auch für den Fall, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein sollte, ist die Vergeltungslogik ein schlechter Ratgeber.

Politisch wirksamer als Drohgebärden von außen dürfte der interne Widerstand aus den USA selbst sein. Hierzu gehören nicht zuletzt auch amerikanische Investoren im europäischen Binnenmarkt, in den bislang die Hälfte aller US-amerikanischen Direktinvestitionen geflossen sind. Die hiesigen Tochterunternehmen erwirtschaften für ihre US-Mütter Umsätze, die die Exporte der USA in die EU um den Faktor fünf übersteigen. Streut die US-Zollpolitik Sand ins wirtschaftliche Getriebe der EU, so sind über diesen Kanal auch vitale Interessen der US-Wirtschaft betroffen, die dann ihren Einfluss geltend machen werden. Dieser Gegendruck ist nicht nur überzeugender, sondern birgt zudem den großen Vorteil, den Handelskonflikt nicht zu eskalieren.