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Trumps Drohungen haben ein selbstzerstörerisches Niveau erreicht

Es ist beängstigend, mit welcher Konsequenz Trump seine Wahlversprechen umsetzt. Bleibt zu hoffen, dass die Amerikaner erkennen, dass er ihnen schadet.

Vieles kann man dem amerikanischen Präsidenten vorwerfen. Dass er seine Wähler betrogen habe, gehört nicht dazu. Es ist erstaunlich – oder besser beängstigend –, mit welcher Konsequenz Donald Trump seine Wahlversprechen umsetzt.

Die Nato? Für Trump längst „obsolet“ und Ausdruck eines Betrugs an Amerika, da Länder wie Deutschland nicht ihren verteidigungspolitischen Verpflichtungen nachkommen und sich parasitär auf das gigantische US-Militärbudget verließen. Wie im Wahlkampf versprochen straft er die Nato nun ab, indem er offen das amerikanische Engagement oder sogar die Bündnistreue infrage stellt.

Auch wenn Trump in seiner Kritik nicht ganz unrecht hat – jedem dürfte klar sein, dass die einst so stolze Institution damit nur noch ein Schatten ihrer selbst wäre. Und seine russischen und chinesischen Amtskollegen Wladimir Putin und Xi Jinping, die großen Rivalen des Westens, werden es ihm danken.

Der globale regelbasierte Handel? Aus Trumps Sicht nichts als ein System zur Ausbeutung Amerikas. Als Beweis dient das gigantische US-Leistungsbilanzdefizit von 466 Milliarden Dollar.

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Wie im Wahlkampf versprochen macht der Präsident sich an die Arbeit, dieses System zu zerstören, indem er seine Handelspartner mit ebenso willkürlichen wie grotesken Aktionen abstraft: Strafzölle auf Stahl, Strafzölle auf unzählige chinesische Produkte – ab Herbst womöglich aufgestockt auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar (das entspricht der Hälfte aller chinesischen Ausfuhren in die USA) und demnächst wohl Strafzölle gegen EU-Autos.

Noch beängstigender als die Entschlossenheit, mit der Trump seine Wahlversprechen umsetzt, ist die Machtlosigkeit der betroffenen Partner. In diesen Tagen wird sie auf Trumps Europareise wieder sichtbar sein, diese Ohnmacht: ein missmutiger und polternder US-Präsident, isoliert im Kreis seiner hilflosen Verbündeten auf dem Nato-Gipfel in Brüssel.

Dann ein paar Tage später beim Treffen mit dem Autokraten Putin in Helsinki, das dem Präsidenten nach seinen eigenen Worten leichter fällt als der Termin in der EU-Hauptstadt.

Wie groß das Zerstörungspotenzial eines amerikanischen Präsidenten ist, das lässt Trump seine westlichen Verbündeten auf seiner Reise spüren. Die USA haben die multilaterale Weltordnung – sowohl was die Sicherheitsarchitektur als auch die Handelsordnung angeht – nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen und sind im Großen und Ganzen nach wie vor ihr einziger Garant.

Hilflos stehen die Verbündeten einer Macht gegenüber, die immer noch atemberaubend ist. Trotz des rasanten Aufstiegs Chinas steht die größte Volkswirtschaft nach wie vor für ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung. Die USA sind mit Abstand globaler Technologieführer.

Amerika hat mit dem Dollar als Leitwährung ein Instrument in der Hand, das ihm nicht nur eine scheinbar unendliche Kreditwürdigkeit verleiht, sondern es auch erlaubt, den Rest der Welt gefügig zu machen. Mehr als vier Fünftel des Welthandels werden in Dollar abgewickelt. Wer ihn nutzt, der hat sich an amerikanische Regeln zu halten. Das zeigte sich zuletzt einmal mehr bei der Androhung exterritorialer Sanktionen gegen Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen.

„Geisel Russlands“

Ähnliches dürften wir demnächst im Fall der Ostseepipeline North Stream 2 erleben, die russisches Gas nach Deutschland leiten soll und die Europa aus Trumps Sicht zur „Geisel Russlands“ macht. Welche Bank finanziert ein solches Geschäft, wenn sie den langen Arm der US-Justiz fürchten muss?

Ja, der Einfluss der Amerikaner scheint unermesslich – und das ist besonders für zwei Länder bedrohlich, gegen die sich der ganze Furor des Präsidenten richtet: Deutschland und China. In Trumps Logik ist das durchaus nachvollziehbar. Denn rechnet man die Leistungsbilanzüberschüsse beider zusammen, kommt man ziemlich exakt auf die Größenordnung des US-Defizits – ein Betrug am amerikanischen Volk, wie Trump sagt.

Dass das Defizit vor allem ein Beleg für die Tatsache ist, dass die Amerikaner über ihre Verhältnisse leben (Dollar-Privileg), interessiert den Präsidenten nicht. Er ist überzeugt, dass ein Land mit einem solch gigantischen Handelsdefizit nicht Verlierer eines Handelskriegs sein kann.

Auch wenn das ökonomischer Unsinn ist: Der Handelskrieg, vor dem alle Ökonomen so lange gewarnt hatten, ist längst im Gange. Und auch wenn am Ende alle verlieren, besonders bedrohlich ist diese Entwicklung für jene Volkswirtschaften, die den Export zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben, also Deutschland und China.

Mit welchen Mitteln der Präsident, der die Außen- und Handelspolitik als Wurmfortsatz der Innenpolitik begreift, von einer weiteren Eskalation abgehalten werden kann – darüber streiten Verbündete wie Gegner der USA.

Die Vergeltungsaktionen haben bislang ebenso wenig gebracht wie Versöhnungsgesten. Besonders besorgniserregend: Der Aufschrei der Republikaner, deren Freiheits- und Freihandelsideale ihr Präsident tagtäglich verhöhnt, bleibt weitgehend aus.

Bleibt zu hoffen, dass die amerikanischen Bürger zur Erkenntnis gelangen, dass die Politik ihres Präsidenten ihren Interessen schadet – und dass sie wenigstens seine Macht bei den Kongresswahlen im November beschränken.