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Kann Trump die Stimmenauszählung stoppen?

Der US-Präsident hat angekündigt, die Auszählung der Stimmen vom Obersten Gerichtshof stoppen zu lassen. Kann er das tatsächlich? Und wie sähe der Weg zu einem solchen Urteil aus?

Eine gewisse Chuzpe konnte man Donald Trump noch nie absprechen. Doch was der US-Präsident am Mittwochmorgen in einer Ansprache verkündete, war selbst für seine Verhältnisse bemerkenswert dreist. Trump rief sich selbst zum Wahlsieger aus und kündigte an, die weitere Auszählung der Stimmen per Beschluss des Obersten Gerichtshofs stoppen zu lassen.

Trumps Motivation hinter dieser Ankündigung ist klar: Die bis dato noch nicht ausgezählten Stimmen sind zumeist per Briefwahl eingegangen, und Briefwähler scheinen bei dieser Wahl überproportional häufig für Joe Biden zu stimmen. Möglicherweise, weil vor allem jene den Gang ins Wahllokal scheuen, die Angst vor Corona haben – im Gegensatz zu Trump-Anhängern, die die Gefahr der Pandemie eher als gering ansehen.

Ein Präsident, der die Auszählung der Stimmen stoppen lässt, weil sie für den falschen Kandidaten abgegeben wurden, das kann im Mutterland der Demokratie nicht möglich sein. Oder doch?

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Propagandistisch hat Trump bereits frühzeitig für dieses Szenario vorgesorgt. Seit Wochen sagt er immer wieder, dass Briefwahlstimmen besonders anfällig für Wahlbetrug seien – ohne das zu begründen oder gar zu belegen.

Selbst Benjamin Ginsberg, ein langjähriger Anwalt der Republikaner, stellte sich im Fernsehsender CNN der Position des Präsidenten entgegen. „Es handelt sich um legal abgegebene Stimmen“, sagte er über die Briefwahlstimmen. Die Demokraten haben bereits angekündigt, dass sie mit ihren Anwälten Trump vor Gericht entgegentreten werden, falls der seine Drohung wahr macht.

Problemfall Pennsylvania

Tatsächlich gibt es bereits seit Wochen Rechtsstreitigkeiten über einen Teil der Briefwahlstimmen, nämlich jene, die nicht bis zum Wahltag bei den Wahlbehörden der Bundesstaaten eingegangen sind. Die meisten Bundesstaaten haben festgelegt, dass es bei dieser Wahl ausreicht, wenn die Briefwahlstimmen den Poststempel des Wahltags tragen, also spätestens am 3. November in den Briefkasten geworfen wurden.

In Pennsylvania zum Beispiel werden alle Stimmen gezählt, die bis Freitag im Wahllokal eingehen. Diese Verlängerung wollen die Republikaner in Pennsylvania per Gerichtsbeschluss rückwirkend verbieten lassen. Auch gegen einige andere Verfahrensfragen wollen die Republikaner dort vorgehen, etwa zur Frage, ab wann eine Briefwahlstimme für ungültig erklärt werden kann.

Die Wahlbehörden in Pennsylvania haben bereits verfügt, dass bis zu einer Entscheidung des Gerichts die strittigen Stimmen separat von den übrigen Briefwahlunterlagen verwahrt werden, um sie gegebenenfalls aus dem Wahlergebnis herausrechnen zu können.

Auch in anderen Bundesstaaten versuchen den Republikanern nahestehende Anwälte, Teile der Briefwahlstimmen für ungültig erklären zu lassen. All diese Verfahren finden allerdings auf Ebene der Bundesstaaten statt, nicht vor dem Obersten Gerichtshof in Washington. Und die Argumentation der Republikaner betrifft auch nur den vergleichsweise kleinen Teil der Stimmen, die nach dem Wahltag in den Wahllokalen eingehen.

Klagen der Republikaner wahrscheinlich

Nichts davon bewegt sich auch nur in der Nähe der Forderung Trumps, die Auszählung der bereits eingegangenen Stimmen zu stoppen. Es gab bis Mittwochnachmittag deutscher Zeit auch keine rechtlichen Schritte, um dieses Ziel zu erreichen. Kein Republikaner war bislang in der Lage, einen Weg zu einem solchen Gerichtsbeschluss aufzuzeigen.

Doch auch die bereits angelaufene Auseinandersetzung auf Ebene der Bundesstaaten kann das Wahlergebnis verändern oder verzögern. Jonathan Turley, Juraprofessor in Washington, spricht von einer „Legal Triage“: In vielen Bundessstaaten gibt es strittige Briefwahlstimmen, doch die Republikaner würden ihre Anwälte nur auf jene Bundesstaaten ansetzen, in denen diese Stimmen über Sieg und Niederlage entscheiden könnten.

Am Mittwochnachmittag deutscher Zeit benannte er im Nachrichtensender „Fox News“ vor allem Nevada, Michigan und Pennsylvania als Bundesstaaten, in denen solche Klagen Erfolg versprechend sein könnten: „Je enger das Ergebnis wird, desto mehr solcher Klagen werden kommen.“

Ein mögliches Extremszenario laut Turley: Nachdem alle Bundesstaaten ausgezählt sind, hängt die Entscheidung über den nächsten Präsidenten an den 20 Wahlmännern im Swing State Pennsylvania. „Wenn es am Ende auf Pennsylvania ankommt, wird Florida dagegen wie ein Spaziergang im Park aussehen“, prognostiziert der Rechtswissenschaftler. Eine Anspielung auf die Präsidentschaftswahl 2000, die George W. Bush am Ende mit einer einzigen Stimme Mehrheit im Wahlmännergremium für sich entschied.

Zu verdanken hatte er das einer äußerst knappen Mehrheit in Florida – und einem umstrittenen Urteil des Obersten Gerichtshofs. Das Gericht stoppte in mehreren Wahlkreisen die Neuauszählung von strittigen Stimmen, die möglicherweise zu einer demokratischen Mehrheit in Florida und damit zu einem Wahlsieg von Bushs Gegenkandidat Al Gore geführt hätten.

Es war das bislang einzige Mal in der amerikanischen Geschichte, dass sich der Oberste Gerichtshof in die Stimmenauszählung einer Präsidentschaftswahl eingemischt hat. Diesmal könnte seine Entscheidung erneut am Ende des Instanzenwegs stehen. Mit der Neubesetzung von gleich drei der neun Richterstellen hat Trump dafür gesorgt, dass ihm dieses Gericht im Zweifel freundlich gesinnt sein dürfte. Aber für einen Stopp der Stimmenauszählung wird das nicht reichen.