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Trump legt die WTO lahm

Die Welthandelsorganisation dürfte als Schlichter in Handelskonflikten bald ausfallen. Grund: Die USA blockieren die Neubesetzung von Richterstellen.

Seit einigen Tagen liefern sich führende Offizielle des Streitschlichtungsgremiums bei der WTO öffentlich eine Schlammschlacht: Der amerikanische Richter Thomas Graham forderte die Entlassung eines hochrangigen Mitarbeiters des WTO-Sekretariats – dieser habe versucht, die Entscheidungen der Berufungsinstanz ungebührlich zu beeinflussen. Grahams Kollegen, der Inder Ujal Singh Bhatia und die Chinesin Hong Zhao, widersprachen ihm in einem Brief an Generaldirektor Roberto Azevedo. All das fand seinen Weg in die Medien.

Die drei Richter tragen untereinander einen Streit aus, den die WTO-Mitglieder auch im großen Maßstab ausfechten. Ein Konflikt, der schon ab Mitte kommender Woche die wichtigste Funktion der Organisation lähmen dürfte: die Beilegung von oft milliardenschweren Handelskonflikten zwischen den 164 Mitgliedstaaten.

Und das zu einer Zeit, in der die Regierungen ihre Konflikte zunehmend über Zölle austragen und der Welthandel so langsam wächst wie seit zehn Jahren nicht mehr: Nur 1,5 Prozent werde das Plus 2019 noch betragen, prognostiziert der Finanzdienstleister Euler Hermes.

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Die drohende Arbeitsunfähigkeit des obersten Schlichtungsorgans beschäftigt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Staats- und Regierungschefs: Man beobachte die Blockade des Streitschlichtungsmechnismus „mit Sorge“, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung des anstehenden EU-Gipfels, der dem Handelsblatt vorliegt.

Fast 600 Fälle brachten die WTO-Mitglieder bisher vor das Genfer Streitschlichtungssystem – darunter spektakuläre wie den Konflikt zwischen den USA und der EU um die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Die US-Regierung, bislang eine der eifrigsten Nutzerinnen, legt nun aber die Axt an das zweistufige System: Washingtons Emissäre blockieren seit 2017 die Nachbesetzung der Richterstellen in der Berufungsinstanz.

Von den eigentlich sieben Posten sind heute nur noch drei besetzt. Nächsten Dienstag laufen auch die Verträge von Graham und Singh Bhatia aus. Dann sitzt nur noch die Chinesin Hong am Tisch – allein aber kann sie über Einsprüche gegen die Entscheidungen der ersten Instanz nicht entscheiden.

Die Regierung von Präsident Donald Trump wirft den Richtern vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten und in die nationale Gesetzgebung einzugreifen. Überdies dauerten die Verfahren viel länger als die vorgesehenen 90 Tage – die hohen Gehälter verführten die Richter dazu, die Fälle in die Länge zu ziehen. Insgesamt, rechnete US-Botschafter Dennis Shea vor, könnten die Richter mehr als 270 000 Euro pro Jahr einstreichen, „obwohl es sich bei den Positionen um Teilzeitbeschäftigungen handelt“.

Trump will sich keinem WTO-Urteil beugen

Viele der anderen WTO-Mitglieder halten diese Argumente für vorgeschoben. Unter der Führung des neuseeländischen Botschafters David Walker haben die EU und andere Staaten Washington Reformen angeboten, die viele Kritikpunkte adressieren. Aber die US-Regierung winkt nur ab. „Ich bin nicht sicher, dass die Trump-Regierung irgendwelche Verbesserungsvorschläge akzeptieren würde“, sagt Chad Bown, Experte des Peterson Institute for International Economics in Washington.

Viele in der aktuellen Regierung, so Bown, schwärmten von der Zeit vor der Gründung der WTO vor 25 Jahren. Unter dem Vorgängerregime GATT hätten die Vereinigten Staaten Länder wie Japan mit aggressiven Methoden zur Drosselung ihrer Exporte drängen können, ohne dafür Konsequenzen befürchten zu müssen. Dass Trump und sein Handelsbeauftragter Robert Lighthizer in diese Tage zurückwollen, glauben auch viele in der Genfer WTO-Zentrale: „Letztlich will sich die Trump-Regierung keinem Urteil aus dem WTO-System beugen“, sagt ein Mitarbeiter.

Die EU versucht, sich für den Ausfall der Berufungsinstanz zu wappnen. Der neue Handelskommissar Phil Hogan versucht derzeit mit Rückendeckung der EU-Staaten, weitere Länder für eine Übergangslösung jenseits der WTO zu gewinnen. An Bord sind bislang aber nur Kanada und Norwegen.

Parallel arbeitet die Kommission daran, die EU selbst wehrhafter zu machen: Wenn ein Handelspartner eine Streitschlichtung verhindert, soll die Behörde auf Grundlage von EU-Recht zurückschlagen können. Entsprechende Pläne könnte Hogan dem Vernehmen nach bereits kommende Woche vorstellen. Die EU werde nie die Erste sein, die sich außerhalb des multinationalen Systems bewege, sagt die Generaldirektorin für Handel, Sabine Weyand. „Aber wenn andere es tun, müssen wir reagieren können.“

Die drohende Blockade des Berufungsgerichts ist aus Sicht vieler Experten aber nur Ausdruck einer tiefer gehenden Krise der Welthandelsorganisation. „Die WTO ist ein Zombie geworden – sie ist weder lebendig noch tot“, sagt Simon J. Evenett, Professor an der Hochschule St. Gallen. Die Rivalität von USA und China führe dazu, dass das Interesse an neuen Regeln zurückgehe und bestehende Regeln nicht eingehalten würden.

Das Vorangehen der willigen Staaten ist inzwischen das Mittel der Wahl, um das Regelwerk zu modernisieren. So nahmen im Januar 76 Länder Gespräche über ein Abkommen zum elektronischen Handel auf.