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Trump zu Gast bei (ehemaligen) Freunden

US-Präsident Donald Trump muss beim Nato-Gipfel nach seiner Kritik an dem Bündnis mit einem frostigen Empfang rechnen. Lässt sich das Vertrauen wiederherstellen?

Es gibt viel zu besprechen beim Nato-Gipfel in Brüssel. Der Kampf gegen den Terror, der Syrien-Konflikt, Afghanistan, das Verhältnis zu Russland. Doch die Staats- und Regierungschef der Mitgliedsstaaten treffen sich laut Protokoll gerade einmal drei Stunden. Länger trauen sich die Parteien wohl nicht zu, den Schein von Einigkeit wahren zu können.

Es ist der erste Besuch von Donald Trump bei der Nato. Jenes Verteidigungsbündnis, das er im Wahlkampf noch „obsolet“ nannte. Inzwischen ist der US-Präsident davon abgerückt, nicht aber von seiner Forderung, dass die Lasten geteilt werden müssten – und die Europäer darum mehr für Verteidigung ausgeben sollen. Auch ist er bislang der einzige US-Präsident seit der Gründung des Militärbündnis, der Artikel 5 der Nato-Charta, also die gegenseitige Beistandsverpflichtung, zumindest implizit in Frage stellte.

Und so rechnet man im US-Außenministerium mit einem frostigen Empfang für den Präsidenten in Brüssel. „Trump hat sich bisher ungeschickt angestellt. Er hat die Freunde in Europa mit seiner Kritik verprellt und Zweifel an der Haltung der USA in Nato-Fragen gesät“, sagt ein ranghoher Mitarbeiter des US State Department im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Dass die Europäer nun erstmal reserviert seien und sich anhören würden, was Trump ihnen anzubieten hat, „kann ich ihnen nicht verübeln“. Sein Haus versuche Trump klarzumachen, dass die Partnerschaften mit Nato und Europa elementar seien; dass sich die USA weiter in der Welt einmischen müssten; und dass zu den westlichen Werten auch der freie Warenaustausch gehöre.

Doch im Weißen Haus ist der Widerstand gegen diese Positionen stark. Die Nationalisten in der Regierung appellieren an Trump, am eingeschlagenen Weg festzuhalten. Und der lautet „America first“. Und dann lange nichts. Aus dem Pariser Klimaabkommen will die US-Regierung raus, aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP sowieso.

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Die Ukraine-Krise hat der US-Präsident kaum auf dem Schirm, und um Nordkorea sollen sich doch bitte die Chinesen kümmern. Die Zeit der USA als Anführer der freien Welt, als Weltpolizist, als Freihandelschampion scheinen vorbei. Das registriert man auch im US-Außenministerium, dessen Budget Trump um fast 30 Prozent gekürzt hat. „Wir versuchen schon, uns weltweit einzubringen und unsere Werte zu verteidigen“, so der Top-Diplomat. Aber mit Trump als Präsident, diesen impulsiven, egoistischen und an die eigenen persönlichen Interessen denken Führer, „haben wir ein Glaubwürdigkeitsproblem.“ Trumps Vorgänger Barack Obama habe viel besser als Vorbild der westlichen Welt getaugt.


Zwei-Prozent-Ziel im Fokus

Um Trump entgegenzukommen, stehen bei dem Nato-Gipfel zwei Themen im Vordergrund, die dem US-Präsidenten am Herzen liegen: ein Beitritt der Nato zur Anti-IS-Koalition und die künftige finanzielle Aufstellung des Bündnis. Bereits Barack Obama mahnte an, die Nato-Staaten müssten ihre Verpflichtungen einhalten und mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in den Verteidigungsetat stecken. Trump knüpft daran an – und weiß ausnahmsweise die große Mehrheit der US-Amerikaner hinter sich. Schon seit Langem fragen sich die Bürger, warum ihr Land die Interessen der freien Welt verteidigen soll, wenn zu Hause die Straßen bröckeln und die Schulen vergammeln – und die Bündnispartner gleichzeitig wenig Engagement zeigen.

Spekuliert wird nun, ob der Gipfel die Nationalstaaten beauftragt, konkrete Pläne zu verfassen, wie sie die zwei Prozent erreichen wollen. Bekanntermaßen hat auch Deutschland enormen Aufholbedarf: Derzeit investiert Deutschland nur 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ins Militär.

Mehr um Symbolik als substanzielle Veränderungen geht es beim zweiten Thema auf der Tagesordnung, einem Beitritt der Nato zur Anti-IS-Koalition. Auch ein solcher Beschluss wäre vor allem ein Signal an Trump, der das Bündnis obsolet nannte, weil es nicht gegen den Terror kämpfe. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass schon heute alle 28 Nato-Staaten Mitglied der Koalition sind und von einer Aufnahme der Allianz kaum Mehrwert zu erwarten wäre. Aktuell hilft die Nato der Koalition bei der Ausbildung irakischer Soldaten und bei der Luftraumüberwachung mit AWACS-Aufklärungsflugzeugen. Einen Nato-Kampfeinsatz im Irak oder Syrien schließt Generalsekretär Jens Stoltenberg aus. Frankreich lehnt einen Beitritt der Nato zur Anti-IS-Koalition bislang nach Angaben aus Sicherheitskreisen ab.

Unklar ist bislang, inwieweit sich das Nato-Treffen mit Russland befassen wird. Das Land spielt in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselrolle: Die Aufstockung der Wehretats in den Nato-Staaten etwa dürfte deutlich mehr mit Russlands militärischen Drohgebärden zu tun haben als mit Trumps Poltereien. Aktuell herrscht in der Nato Nervosität vor dem Großmanöver „Sapad“ (Westen), für das Russland gemeinsam mit Weißrussland im September bis zu 100.000 Soldaten mobilisieren könnte. Es wäre die größte derartige Übung seit „Sapad 2013“ – knapp ein Jahr vor dem Einmarsch russischer Soldaten in der Ukraine.

Immerhin: Im Vorfeld des Nato-Gipfels unterstreicht das US-Außenministerium, dass Russland trotz aller Trump-Avancen kein Partner der Vereinigten Staaten ist – „und auch nicht wird“. Sein Land werde nicht tatenlos zusehen, sollte Russland seine Grenzen auszutesten versuchen. „Das haben wir Wladimir Putin hinter den Kulissen auch klargemacht. Und dazu stehen wir“, so der Top-Diplomat. Er betont, man solle die Rolle der USA in Nato- und Sicherheitsfragen nicht anhand von Äußerungen oder Tweets von Donald Trump bewerten, sondern konkret auf die Taten schauen. „Da sind wir standfest und auch mit oder trotz Donald Trump auf Kurs: Unser Militär ist stark und wird weiter ausgebaut, unsere Geheimdienste sind weltweit im Einsatz, unsere Mitgliedschaft in der Nato ist bedingungslos.“

Sollte Donald Trump den Worten des US-Diplomaten Taten folgen lassen, und keine weiteren Zweifel am Donnerstag säen, könnte sich das Verhältnis zwischen den USA und der Nato schnell kitten lassen. Angeblich ist Trump am Donnerstag sogar bereit, sich zum Bündnisfall zu bekennen. So lassen sich garantiert Freundschaften wiederherstellen.

KONTEXT

Wie wichtig die USA für die deutsche Wirtschaft sind

Handel

2015 wurden die USA der wichtigste Exportkunde der deutschen Unternehmen, nachdem über mehr als sechs Jahrzehnte Frankreich diese Position innehielt. 2016 behaupteten die Vereinigten Staaten ihre Spitzenposition: Waren im Wert von rund 107 Milliarden Euro wurden damals dorthin verkauft - vor allem Fahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte. Das entspricht einem Anteil von etwa zehn Prozent an den gesamten Ausfuhren. Umgekehrt importierte Deutschland Waren im Wert von knapp 58 Milliarden Euro aus den USA, was sechs Prozent aller deutschen Einfuhren entspricht.

Jobs

Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den Exporten in die USA ab. Weitere 630.000 Arbeitsplätze gibt es in Betrieben, die von US-Firmen kontrolliert werden. Allein McDonald's Deutschland zählt etwa 58.000 Mitarbeiter, der Personaldienstleister Manpower 27.000 und die Ford-Werke gut 25.000.

Umgekehrt schaffen deutsche Unternehmen in den USA ebenfalls Hunderttausende Stellen. Zu den größten deutschen Arbeitgebern dort gehören die Deutsche-Post-Tochter DHL mit rund 77.000 Beschäftigten, Siemens (50.000) und Volkswagen (60.000).

Investitionen

Die deutschen Unternehmen haben mehr als 271 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in den USA - etwa Fabriken und Immobilien. Mehr als 3700 Unternehmen sind in den Vereinigten Staaten tätig. Allein die 50 größten deutschen Firmen dort kommen auf einen Jahresumsatz von 400 Milliarden Dollar.

Auch US-Unternehmen haben erhebliche Beträge in Deutschland investiert: Der Bestand summiert sich auf rund 27 Milliarden Euro. 2015 wurden 252 neue Projekte hierzulande von US-Firmen gestartet, von Neuansiedlungen auf der grünen Wiese über Erweiterungen bis hin zu Standortwechseln. Nur chinesische Unternehmen waren aktiver. Die 50 größten US-Unternehmen kommen in Deutschland auf einen Jahresumsatz von rund 170 Milliarden Euro.