Der Trucker von Wolfsburg bringt Volkswagens Lkws an die Börse
Ein beherzter Schulterklopfer gehört bei Andreas Renschler zur Begrüßung dazu, meist gepaart mit einem lauten Lachen. Schnell wird der Vorstand von Volkswagen dann aber ernst. Er spricht die Themen direkt an, die ihn beschäftigen. Seit vier Jahren ist das die Entwicklung der Lkw-Sparte Traton mit den Marken MAN und Scania – und zuletzt der geplante Börsengang der VW-Tochter. „Das ist der richtige Weg“, wirbt er intern. Am 28. Juni soll das Listing nach einigem Hin und Her nun stattfinden.
Statt ursprünglich einmal kolportierter 25 Milliarden Euro Bewertung strebt Traton nun nur noch 13,5 bis 16,5 Milliarden Euro an. In anderen Konzernen würde eine solche Abtrennung eines Konzernteils nüchtern abgespult, in der Welt von Volkswagen kommt der Schritt einer Revolution gleich. Denn lange Jahre galt die Maxime, dass VW zukauft und nichts abgibt. Größe war entscheidend.
Diese Philosophie kommt mit dem Teilverkauf von Traton an ihr Ende. Zwar werden maximal 15 Prozent der Aktien den Investoren zum Kauf angeboten, langfristig dürfte sich die Gesellschaft aber ganz von der Mutter abnabeln. Zwischen dem Bau von Pkws und Lkws gibt es keine Überschneidungen. Finanzielle Vorteile durch eine gemeinsame Nutzung von Technologien brachte die Akquisition von Scania und MAN jedenfalls nicht, wie ein Topmanager einräumt.
Dieses Eingeständnis war das stärkste Argument von Renschler, wenn er intern für den Börsengang warb. Er musste viele überzeugen. Seine eigenen Kollegen im Management, den Betriebsrat und auch die Großaktionäre. Vor allem die Vertreter der Familien Porsche und Piëch waren anfangs skeptisch.
Sie hätten sich mit einer Abspaltung zunächst nicht anfreunden können, heißt es in deren Umfeld. „Mehr aus emotionalen Gründen als aus rationalen.“ Schließlich gab es auch keinen Druck, VW erzielte Jahr für Jahr Gewinne in Milliardenhöhe. Das änderte sich mit der Dieselaffäre, dem millionenfachen Betrug bei den Abgaswerten.
Der Schaden aus dem Skandal summiert sich inzwischen auf 30 Milliarden Euro, ein Ende ist nicht absehbar. Ein Börsengang erschien auf einmal als Option. Zumal Renschler gute Argumente vorbringen konnte. Als der 61-Jährige vor vier Jahren von Daimler zu VW wechselte, stand noch Ferdinand Piëch an der Spitze des Aufsichtsrats.
Kumpelhaft, aber zielstrebig
Von ihm hatte Renschler den Auftrag bekommen, etwas aus dem kleinen Lkw-Imperium zu machen, das sich die Wolfsburger da zusammengekauft hatten – mehr durch Zufall als aus strategischer Überlegung. Das verschlang Milliarden, den VWlern blieb das Geschäft mit den Brummis aber fremd. Bis Renschler kam, der gerne in Lederjacke zu Truckertreffen geht.
Nachdem er in den 90er-Jahren das US-Geschäft von Daimler geleitet und dann deren Kleinwagenmarke Smart mit aufgebaut hatte, übernahm er 2004 die Leitung des Lkw-Geschäfts der Schwaben. Daimler ist Weltmarktführer mit Aktivitäten rund um den Globus. Das ist Renschlers Verdienst.
Anders als die meisten Manager von VW versteht der gebürtige Stuttgarter das Geschäft. „Die Kunden kaufen Lkws aus anderen Motiven als einen Pkw“, ist sein Mantra. Bei Pkws entscheide der Kunde emotional, Lkws müssten sich wirtschaftlich rechnen. Renschler ist ein kumpelhafter, aber zugleich zielstrebiger Typ. Diese Eigenschaften setzt er ein, um mit großer Beharrlichkeit Betriebsräte, Vorstände und schließlich die kritischen Familieneigentümer auf seine Seite zu holen.
Nachdem Renschler im Frühjahr schon einmal den Gang auf das Börsenparkett angekündigt hatte, traten sie dann noch mal auf die Bremse. Erst als er und andere Führungskräfte sämtliche Argumente noch einmal vorgebracht hatten, bekam er die finale Zustimmung.
Diese Beharrlichkeit wird Renschler auch als Chef des börsennotierten Unternehmens behalten müssen. Traton muss zukaufen, um seine globale Stellung zu verbessern. Der Börsengang, der den Zugang zu frischem Kapital frei macht, ist da nur ein wichtiger erster Schritt.
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