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Historische Debatte, scharfe Kritik, konfuser Premier: Britisches Unterhaus stimmt Brexit-Deal zu

Tories und Labour haben für das Freihandelsabkommen mit der EU gestimmt. In der historischen Debatte attackierte auch Theresa May ihren Nachfolger Boris Johnson.

Das britische Unterhaus hat dem Brexit-Handelspakt mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Die Abgeordneten votierten am Mittwoch in zweiter Lesung mit 521 zu 73 Stimmen für das von Premierminister Boris Johnson vorgelegte EU-Gesetz.

Zuvor hatte es jedoch scharfe Kritik an dem dünnen Deal gegeben, den die konservative Regierung mit Brüssel ausgehandelt hat. Johnsons Vorgängerin Theresa May ließ die einmalige Gelegenheit nicht verstreichen, das Abkommen ihres einstigen Peinigers zu zerfleddern. „Wir haben einen Deal zum Güterhandel, der der EU nutzt, aber keinen Deal zu Dienstleistungen, von dem Großbritannien profitiert hätte“, stellte die frühere Premierministerin fest.

Mays beißende Kritik war der Höhepunkt der fünfstündigen Ratifizierungsdebatte im Unterhaus. Denn sie brachte die Mängel des Freihandelsabkommens auf den Punkt. Nicht nur kommen die Dienstleistungen aus ihrer Sicht zu kurz, auch den Ausstieg aus den europäischen Datenbanken zur Kriminalitätsbekämpfung hält die frühere Innenministerin für einen großen Fehler.

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In ihrer Amtszeit habe Anfang 2019 ein besserer Deal auf dem Tisch gelegen, sagte May in Richtung Labour-Opposition. Leider habe Labour ihn damals abgelehnt. Sie hatte Großbritannien in der Zollunion halten wollen und hatte dreimal Schiffbruch im Parlament erlitten, weil Labour zusammen mit den konservativen Brexit-Hardlinern gegen ihren Entwurf gestimmt hatte.

Zahlreiche Abgeordnete wiederholten in der Debatte die Kritikpunkte von May. Dennoch konnte Johnson am Ende auf große überparteiliche Unterstützung zählen. Auch die konservativen Brexit-Hardliner haben ihren Frieden mit dem EU-Kompromiss gemacht. Johnson habe die britische Demokratie gerettet wie einst Perikles Athen, sagte der Abgeordnete Bill Cash. Der Regierungschef habe daher „die tiefe Dankbarkeit des Landes“ verdient.

Nach dem Unterhaus soll am Abend auch das House of Lords zustimmen. Die Unterschrift von Queen Elizabeth II. wird bis Mitternacht erwartet. Dann kann der neue Vertrag pünktlich zum 1. Januar in Kraft treten.

Große Worte, doch keine große Rede

Zum Auftakt der Debatte hatte Johnson das „größte Handelsabkommen der Welt“ gepriesen. Man habe es in weniger als einem Jahr zustande gebracht, was nicht viele erwartet hätten. Großbritannien verabschiede sich von den „alten Konzepten der Uniformität und Harmonisierung“. Man habe die „Freiheit zum eigenen Handeln“ wiedererlangt. Nun müsse man gemeinsam das Beste daraus machen.

Trotz der großen Worte war es keine große Rede. Durch viele Zwischenrufe abgelenkt wirkte der Premier konfus. Auch insgesamt fühlte sich die Debatte nicht wie eine historische Stunde an, mehr wie eine lästige Pflichtaufgabe am Tag vor Silvester. Die meisten Abgeordneten waren zudem nur per Video aus dem Homeoffice zugeschaltet.

Für die Ratifizierung des Vertrags, der die Beziehung zur EU auf eine neue Grundlage für die kommenden Jahrzehnte stellen soll, waren insgesamt nur zwölf Stunden vorgesehen – in beiden Kammern des Parlaments. Man rede seit 50 Jahren über Europa, rechtfertigte sich der konservative Fraktionschef Jacob Rees-Mogg. Da müssten fünf Stunden für so eine Debatte im Unterhaus ausreichen.

In seiner Rede behauptete Johnson unter anderem, dass es keine Handelsbarrieren für britische Exporteure geben werde und dass das Abkommen vieles für Finanzdienstleister enthalte. Beides stimmt nachweislich nicht.

Die dreisten Lügen empörten den Oppositionsführer Keir Starmer. „Der Premierminister weiß, dass das nicht wahr ist. Jedes Mitglied dieses Hauses weiß, dass es nicht wahr ist. Die Wahrheit ist: Es wird eine Lawine an Bürokratie für Unternehmen geben. Viele britische Exporteure werden zwei regulatorische Prozesse durchlaufen müssen.“

Starmer stellte auch Johnsons zentrale Behauptung infrage, dass Großbritannien nun seine Souveränität wiedererlange. „Er tut so, als habe er Souveränität. Aber in dem Augenblick, in dem er diese Souveränität beansprucht, werden Zölle verhängt. Dies ist kein Verhandlungstriumph“, schimpfte der Labour-Politiker.

Damit spielte er auf den Sanktionsmechanismus an, den die EU im Freihandelsabkommen verankert hat. Demnach kann ein Partner Sanktionen verhängen, wenn der andere gegen den fairen Wettbewerb verstößt. Großbritannien sind damit enge Grenzen bei der Deregulierung gesetzt, wenn die Regierung nicht Strafzölle riskieren will.

Harsche Kritik von Nordirland und Schottland

Es wurde jedoch stets mit einer großen Mehrheit für das Abkommen gerechnet, weil kaum ein Abgeordneter einen ungeordneten Brexit riskieren wollte. Oppositionsführer Starmer brachte das Dilemma auf den Punkt: „Es gibt nur eine Wahl: Entweder wir stimmen für diesen Deal, oder wir stimmen für den No Deal.“ Es sei „natürlich vollständig inakzeptabel“, dass das Parlament den Vertrag erst einen Tag vor dem Austritt aus dem Binnenmarkt vorgelegt bekomme. Aber ein Deal sei besser als kein Deal.

Auch aus den Landesteilen kommt erwartungsgemäß Gegenwind: Sowohl das schottische Parlament als auch die Nordirland-Versammlung lehnten den Vertrag an diesem Mittwoch ab. Ihre Abstimmungen haben allerdings keinen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess in London.

In Edinburgh stimmten die Parlamentarier mit 92 zu 30 Stimmen für eine Entschließung, nach der das Abkommen „Schottlands ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen ernsthaften Schaden“ zufüge. In der nordirischen Hauptstadt Belfast votierten 47 Abgeordnete gegen den Deal, 38 dafür. Parlamentschef Alex Maskey sagte, er werde dem britischen Premierminister Boris Johnson das Ergebnis bekanntgeben.

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte zuvor gefordert, die Abgeordneten sollten gegen den „faulen Brexit, den Schottland die ganze Zeit abgelehnt hat“, stimmen. Der Brexit-Handelspakt biete keine Vorteile, nur massive Nachteile. Schottlands Stimme sei zu jedem Zeitpunkt ignoriert worden.

Die Menschen in Schottland hatten beim Brexit-Referendum 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt. Sturgeon strebt die Unabhängigkeit von Großbritannien an, in Umfragen befürwortet eine Mehrheit die Loslösung - der Brexit ist dafür ein Hauptgrund. Auch Nordirland hatte 2016 mit knapper Mehrheit gegen den Brexit gestimmt. Landesweit sprach sich aber eine knappe Mehrheit für den Austritt aus.