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Trotz Corona sinkt die Zahl der Firmenpleiten – die große Welle kommt erst noch

Finanzhilfen und ein spezielles Gesetz haben im ersten Halbjahr viele Firmenpleiten verhindert. Das wird sich laut Experten ändern.

Für die Zukunft sehen knapp 80 Prozent der Händler schwarz. Grund dafür ist, dass auch nach den Lockerungen viele Geschäfte leer bleiben, weil Kunden aus Sorge vor dem Virus die Innenstädte meiden. Foto: dpa
Für die Zukunft sehen knapp 80 Prozent der Händler schwarz. Grund dafür ist, dass auch nach den Lockerungen viele Geschäfte leer bleiben, weil Kunden aus Sorge vor dem Virus die Innenstädte meiden. Foto: dpa

Im März mussten europaweit Läden und Restaurants wegen der Corona-Pandemie schließen. Anfang April stellte die Restaurantkette Vapiano einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Köln. Jetzt wird das Unternehmen zerschlagen. Ein Großteil der Restaurants in Deutschland wurde bereits verkauft.

Der Stillstand im öffentlichen Leben war für das Unternehmen, das ohnehin schon rote Zahlen schrieb, zu viel. 2500 Mitarbeiter waren in Deutschland betroffen. Auch die in vielen Innenstädten weithin sichtbare Bekleidungskette Esprit kam mit dem plötzlichen und nie da gewesenen Ladenschluss rund um die Uhr nicht zurecht und begab sich mit einem Schutzschirmverfahren in die vorläufige Insolvenz. Dasselbe gilt für den Küchenhersteller Poggenpohl und das Münchener Textilunternehmen Hallhuber, das mit 2000 Mitarbeitern Damenmode herstellt.

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Der erzwungene Stillstand der Wirtschaft seit dem Frühjahr brachte für viele Läden und Gaststätten zweistellige Umsatz- und Gewinnausfälle mit sich. Deutschlandweit sind nach aktuellen Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform rund 125.000 Arbeitsplätze durch Insolvenzen bedroht oder bereits weggefallen.

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Doch anders, als es Vapiano, Esprit, Poggenpohl, Hallhuber oder die dramatischen Ereignisse um das Schutzschirmverfahren bei der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof erwarten lassen, meldeten in Deutschland im ersten Halbjahr nicht mehr, sondern weniger Unternehmen Insolvenz an: Gegenüber den sechs Vorjahresmonaten sank nach Creditreform-Berechnungen die Zahl der Firmeninsolvenzen um 8,2 Prozent auf nur noch 8900. Das sind so wenige wie seit über zehn Jahren nicht mehr.

Während im verarbeitenden Gewerbe ebenso viele Firmen Insolvenz anmeldeten wie im Vorjahr, waren es im Handel und im Baugewerbe deutlich weniger.

Doch die Pleitewelle ist nur verschoben. Ursache für die auf den ersten Blick erfreuliche Entwicklung ist die von der Bundesregierung kurzfristig beschlossene Aussetzung der Antragspflicht zur Insolvenz. Unternehmen, die seit dem 1. Januar dieses Jahres zahlungsunfähig sind, müssen dies nicht mehr zwingend anzeigen. Damit soll erreicht werden, dass in der Krise niemand voreilig und zudem noch unverschuldet Insolvenz anmelden muss. Kritiker fürchten indes verschleppte Insolvenzen, wodurch sich mehr Schulden auftürmen und die Rettung anschließend umso schwieriger wird.

Darüber hinaus laufen staatliche Hilfspakete in Milliardenhöhe zur Stützung der Wirtschaft, was im ersten Halbjahr viele Insolvenzen verhindert hat. Dazu zählen auch die von der staatlichen Förderbank KfW bereitgestellten Kredite und Zuschüsse für Firmen, Selbstständige und Gewerbetreibende.

Global sieht es schlecht aus

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben – kein Gesetz kann dauerhaft Insolvenzen verhindern, zumal die Insolvenzantragspflicht nur bis September ausgesetzt ist. „Eine Insolvenzwelle wäre nur dann abzuwenden, wenn es den betroffenen Unternehmen gelänge, bis zu diesem Zeitpunkt die Krisenfolgen zu überwinden und sich wieder zu stabilisieren“, mahnen die Insolvenzexperten von Creditreform.

Schon in der zweiten Jahreshälfte rechnen sie mit einer Trendwende und vor allem für 2021 mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen. Die oftmals dünnen Gewinnmargen in diesem Jahr dürften bei einem anhaltenden Umsatzrückgang nicht mehr ausreichen, um eine Reihe von Unternehmen am Leben zu halten.

Noch pessimistischer ist der Kreditversicherer Euler Hermes. Die Tochter der Allianz warnt vor einer weltweiten Insolvenzwelle – und einem Anstieg bei Firmenpleiten in diesem Jahr um 20 Prozent gegenüber 2019. In den USA rechnen die Experten mit 25 Prozent mehr Insolvenzen und in Europa mit 19 Prozent. Deutschland kommt der Prognose nach mit einem Plus von zehn Prozent vergleichsweise gut davon.

Anlass für solche Horrorspekulationen geben die sehr viel geringer ausgeprägten finanziellen Schutzschirme in anderen Staaten und der dramatische Einbruch der Weltwirtschaft von voraussichtlich drei bis vier Prozent in diesem Jahr. Zum Vergleich: In der schweren Rezession 2009, als Deutschlands Wirtschaftskraft um sechs Prozent sank, lag das weltweite Minus nur bei 0,2 Prozent.

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Der jetzt erwartete sehr viel stärkere Rückgang „hinterlässt Spuren wie bei einem Meteoriteneinschlag, die nicht von heute auf morgen wieder verschwinden“, prognostiziert Allianz- und Euler-Hermes-Chefvolkswirt Ludovic Subran.

Die Sorgen sind berechtigt, auch in Deutschland. Hier sieht sich mehr als jeder dritte Einzelhändler außerhalb der Lebensmittelbranche in der Existenz bedroht. Eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands HDE unter 400 Unternehmen zeigte, dass die Hälfte der Nicht-Lebensmittelhändler in der vergangenen Woche – als die Läden längst wieder geöffnet hatten – weniger als 75 Prozent des Vorjahresumsatzes erzielte. Ein Drittel der Befragten gab an, dass im Vergleich zum Vorjahr maximal halb so viele Kunden zum Shopping unterwegs waren.

Für die Zukunft sehen knapp 80 Prozent der Händler schwarz. Grund dafür ist, dass auch nach den Lockerungen viele Geschäfte leer bleiben, weil Kunden aus Angst vor dem Virus die Innenstädte meiden. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth fürchtet, dass bis zu 50.000 Geschäfte von Insolvenzen betroffen sein könnten, weil ihr Eigenkapital insbesondere wegen hoher Mietforderungen nicht ausreicht. Das wäre jedes neunte Geschäft in Deutschland.

Sorgen machen sich besonders die Brauereien. Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, haben fast 90 Prozent der Brauereien Kurzarbeit angemeldet. Der Fassbierverkauf an die Gastronomie ist in den vergangenen Wochen zum Erliegen gekommen.

Standard & Poor’s warnt

Die weltweit größten börsennotierten Bierkonzerne sind tief in die roten Zahlen gerutscht: Anheuser Busch bilanzierte im ersten Quartal einen Nettoverlust von zwei Milliarden Euro – nach über drei Milliarden Euro Gewinn im Vorjahr.

Die internationale Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P) warnt angesichts solcher Schieflagen vor einem Anstieg der Kreditausfälle. In den USA könnte die Ausfallrate bei Unternehmenskrediten auf mehr als zehn Prozent in die Höhe schießen und in Europa im oberen einstelligen Prozentbereich landen, erklärte S & P. Das entspräche etwa einer Verdreifachung.

„Der durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ausgelöste plötzliche wirtschaftliche Stillstand wird in diesem Jahr zu einer weltweiten Rezession führen und erheblichen Druck auf die Kreditwürdigkeit ausüben“, sagte S & P-Expertin Alexandra Dimitrijevic.

Um den Nachfrageeinbruch der vergangenen Monate abzufedern, hat nach einer Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo im April und Mai knapp jedes vierte Unternehmen Liquiditätshilfen in Anspruch genommen.

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„Die Coronakrise trifft die Branchen in ganz unterschiedlicher Ausprägung“, sagte Ifo-Ökonom Stefan Sauer. Im Mai nutzten 30 Prozent der Betriebe im Handel und bei den Dienstleistern Hilfen. In der Industrie waren es 17 Prozent, im Baugewerbe hingegen nur fünf Prozent. Bei den Dienstleistern waren vor allem die Reisebüros, Veranstalter, Gastronomen und Hotels betroffen.

Eine Belastung sind nicht nur Einnahmeausfälle, sondern auch die daraus resultierenden rasant gestiegenen Arbeitskosten. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, kletterten die Kosten je geleistete Arbeitsstunde im ersten Quartal um 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste jemals gemessene Anstieg.

Viel Eigenkapital hilft

Doch es gibt auch einen Lichtblick. Bevor die Krise im Frühjahr auf die Unternehmen durchschlug, haben diese ihr Eigenkapital und ihre Gewinnmargen im vorangegangenen Geschäftsjahr deutlich verbessert. Die Auswertung von rund drei Millionen westeuropäischen Unternehmensbilanzen belegt nach Angaben von Creditreform verbesserte Kennzahlen.

Verluste verzeichneten nur noch 22 Prozent der Unternehmen, so wenige wie seit Jahren nicht mehr. Auch die Eigenkapitalquoten – also das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme – verbesserten sich. Nur noch 22,4 Prozent der westeuropäischen Unternehmen gelten als schwach kapitalisiert mit einer Quote von weniger als zehn Prozent. Vor acht Jahren war noch jedes vierte Unternehmen mit so wenig Eigenkapital ausgestattet.

Fast jedes zweite Unternehmen (45,6 Prozent) verfügt hingegen über eine extrem hohe Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent. Im Dax sind das nach Handelsblatt-Berechnungen Beiersdorf, Henkel, Infineon, Linde und SAP.

Allein die Dax-Unternehmen verfügten zuletzt über gut 95 Milliarden Euro an liquiden Mitteln. „Viele Unternehmen haben einschneidende Sparmaßnahmen zur Reduzierung der Mittelabflüsse ergriffen, um Liquidität im Unternehmen zu halten“, sagt Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY.

Im Verlauf des ersten Quartals 2020 konnten einige Unternehmen, trotz zum Teil erheblicher Mittelabflüsse, mithilfe höherer Kreditlinien und der Ausgabe von Anleihen ihr Finanzpolster stabil halten. So hat sich der Autozulieferer Continental über den Verkauf von zwei Anleihen 1,5 Milliarden Euro beschafft. Der Zinssatz liegt bei knapp 2,5 Prozent. Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken macht solch niedrige Zinssätze selbst für in Not geratene Unternehmen möglich.

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