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Trotz börsenfeindlicher Stimmung: Wiener Börse behauptet sich in volatilem Umfeld

Der Wiener Handelsplatz muss Umsatz- und Gewinnrückgang hinnehmen. Börsenchef Boschan aber lobt die geplante Stärkung des Kapitalmarktes in Österreich.

Der Handelsplatz hofft auf die Zeit nach der Coronakrise. Foto: dpa
Der Handelsplatz hofft auf die Zeit nach der Coronakrise. Foto: dpa

Der traditionsreiche Handelsplatz in Österreich erlebte im vergangenen Jahr einen leichten Umsatz- und Gewinnrückgang. Die Erlöse der Wiener Börse, zu der auch die Börse in Prag gehört, sanken um 3,3 Prozent auf 66,8 Millionen Euro. Auslöser dafür ist der geringere Handel mit Wertpapieren.

Investoren haben angesichts des Brexits und der Handelskonflikte schon vor der Coronakrise ihre Gelder nach Nordamerika abgezogen, berichtete CEO Christoph Boschan am Donnerstag in Wien. Dadurch ging auch der Gewinn vor Steuern um 6,4 Prozent auf 34,2 Millionen Euro zurück.

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„Der Rückgang kam für uns nicht überraschend“, sagte Boschan dem Handelsblatt. Er verweist auf die überdurchschnittliche Gewinnmarge der Wiener Börse beispielsweise im Vergleich zur Schweizer Börse SIX Swiss Exchange.

Der Vorstandschef der Wiener Börse kämpft in Österreich gegen eine börsenfeindliche Stimmung. Zuletzt erlebte die Alpenrepublik im Zuge der Coronakrise eine Diskussion über Dividenden von börsennotierten Unternehmen, die Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen.

Boschan hat sich bereits frühzeitig gegen einen Verzicht auf Gewinnausschüttungen ausgesprochen. „Es ist völlig legitim, über das Thema zu diskutieren. Diese Entscheidung gehört aber in die Hände der Eigentümer“, sagte Boschan. „Mit einem Eingriff des Staates würde dem Kapitalmarkt ein Bärendienst erwiesen werden.“

Einen Dividendenverzicht hatten beispielsweise die Oppositionspartei SPÖ, Gewerkschaften und NGOs gefordert. Einige Unternehmen wie Pierer Mobility AG, zu der der Motorradhersteller KTM gehört, haben nach Protesten auf eine Gewinnausschüttung verzichtet – trotz ordentlicher Gewinne.

CEO und Investor Stefan Pierer hatte im Frühjahr für seine Belegschaft, wie viele andere Mittelständler in Österreich auch, Kurzarbeit beantragt. Mittlerweile sind zahlreiche österreichische Unternehmen angesichts der miserablen Entwicklung kaum noch in der Lage, überhaupt Dividende zu zahlen.

Der Stahlkonzern Voestalpine hatte in dieser Woche angesichts roter Zahlen angekündigt, die Dividende radikal auf 20 Cent zusammenzustreichen. Zuvor war den Aktionären 1,10 Euro pro Papier ausgeschüttet worden.

Regierung strebt börsenfreundliche Politik an

Boschan sieht die Pandemie auch als Chance. Der frühere Chef der Stuttgarter Börse hofft darauf, dass im Herbst verstärkt Unternehmen über die Börse ihr Eigenkapital stärken wollen. „Unternehmen werden bei der Bewältigung der Krise im Herbst Eigenkapital für ihre Rekapitalisierung brauchen. Damit es für Österreichs Wirtschaft schneller bergauf geht, braucht es eine rasche Fortsetzung des von der Regierung vor Corona eingeschlagenen Weges“, sagte der 42-Jährige.

Er lobte die österreichische Regierung für ihre Pläne zur börsenfreundlichen Politik. Die steuerliche Entlastung von langfristigem Aktienbesitz mache diese Anlegeform attraktiver. Boschan schlägt eine Behaltefrist von sechs Monaten vor.

„Die belasteten Staatshaushalte müssen durch privates Kapital entlastet werden“, sagte der Börsenchef. Einen Termin für die Einführung von aktionärsfreundlichen Maßnahmen gibt es derzeit noch nicht. Doch der Druck der börsennotierten Unternehmen wächst. „Mit Blick auf Post-Corona-Zeiten ist der Staat gut beraten, privates Kapital zu aktivieren und auf die Börse zu setzen, damit es mit Österreichs Wirtschaft rascher bergauf gehen kann“, sagte auch Heimo Scheuch, langjähriger Aufsichtsratschef der Wiener Börse und Vorstandschef des Bauziegelherstellers Wienerberger.

Die 1771 gegründete Wiener Börse hatte im vergangenen Jahr drei Börsengänge verzeichnet. Prominentester IPO war das österreichische Biotechunternehmen Marinomed im Februar 2019.

Außerdem erlebte die aus dem Südosteuropa-Bankennetz der einstigen Skandalbank Hypo Alpe Adria hervorgegangene Addiko Bank ihr Börsendebüt im vergangenen Juli. „Die Börsengänge sind für uns ein gutes Zeichen, dass der Markt funktioniert, aber sie besitzen keine unmittelbare Ertragsrelevanz“, sagte Boschan.

Seit dem Ausbruch der Pandemie erlebt die Wiener Börse einen hohen Handelsumsatz. „Wir haben eine dramatische Zunahme der Handelsvolumina gesehen“, sagte Boschan am Mittwoch. „Die Volatilität wird noch kurzfristig anhalten.“ Beispielsweise im Mai war das Handelsvolumen um ein Fünftel gestiegen.

Auslöser ist die tiefe Verunsicherung der Investoren, die auch an der Wiener Börse mit ihrem Schwerpunkt auf Osteuropa für hohe Volatilität sorgt. Insider gehen von weiter hohen Börsenumsätzen aus. Boschan wandte sich bisher immer gegen Schließung und Teilschließungen der Wiener Börse in der Krise.

„Niemand wirft ein Fieberthermometer weg, wenn er krank wird“, sagt der Vorstandschef zur Bedeutung der Börse in der Wirtschaftskrise. „Die Börse muss wegen ihre Transparenzbedeutung immer offen bleiben.“ An dieser Haltung will der gebürtige Berliner nichts ändern.

Mehr: Die meisten Börsenplätze stünden kürzeren Handelszeiten offen gegenüber, teilte die LSE mit. Doch Euronext und Deutsche Börse sollen skeptisch sein.