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Der Trend zur App: Wie sich die Finanzindustrie langsam, aber sicher digitalisiert

Banken und Versicherungen stehen bei der Digitalisierung vor höheren Hürden als Unternehmen vieler anderer Branchen. Im Wettbewerb mit Big Tech haben zahlreiche Finanzinstitute jedoch einen Vorteil.

Ehemalige Start-ups wie Google, Amazon, Facebook und Apple („GAFA“) haben es vorgemacht: Mit einem digitalen Produkt wird der Endkunde gewonnen, und über diesen Einstieg erfolgt anschließend der Aufbau weiterer Angebote. Voraussetzung für die Erfolgsgeschichte waren neue technische Rahmenbedingungen. Massive Leistungssteigerungen in der Softwareentwicklung, die Omnipräsenz des Internets und die Allgegenwart von Smartphones haben es ermöglicht, Konsumenten immer komfortablere Kundenerlebnisse zu bieten.

In einem solchen Kontext können Start-ups ihre Vorteile ausspielen. Mit einem frischen Blick von außen können sie mit neuesten Technologien innovative Lösungen entwickeln, die so vorher nicht möglich waren.

Was aber machen Unternehmen, deren Angebot das Resultat einer jahrzehntelangen, teilweise sogar Jahrhunderte zurückreichenden Entwicklung ist, durch die ein breitgefächertes Produktportfolio für differenzierte Zielgruppen entstanden ist? Um relevant zu bleiben, müssen sich auch etablierte Unternehmen neuen Technologien öffnen und technische Innovationen in ihre Geschäftsprozesse integrieren. Wie stellt sich diese Entwicklung für die Kunden von Banken und Versicherungen dar?

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Einen Schritt voraus

Bei Amazon erfolgt der Vorgang des Bezahlens an die Händler längst unsichtbar für Endkunden. Apple hat mit Apple Pay das iPhone zum Bezahlmittel gemacht. Google bietet ein digitales Wallet und Facebook einen Token. Warum erhöhen nicht auch Banken die Geschwindigkeit in Richtung End-to-End-Digitalisierung? Warum digitalisieren sie ihre Prozesse nicht viel schneller?

Der Hauptgrund ist, dass die Finanzindustrie vor höheren Hürden bei der Digitalisierung steht als manche anderen Industrien, beispielsweise Branchen, aus denen Tech-Riesen hervorgegangen sind. Nehmen wir den Handel beziehungsweise E-Commerce: Ein falsch geliefertes Paar Schuhe kann der Kunde einfach neu bestellen. An die Führung seines Bankkontos hingegen oder an die Auszahlung einer Versicherung legt er einen ungleich höheren Maßstab an. Der Saldo muss jederzeit korrekt sein, und die Ermittlung des Versicherungsanspruchs muss auf Anhieb stimmen.

Unternehmen wie die GAFA konnten mit einfacheren Produkten ins Endkundengeschäft einsteigen und ihre Technologiekompetenz aufbauen, bevor dies für regulierte Institute überhaupt ein Thema war. Bemerkenswert ist jedoch auch dieser Punkt: Keiner der Tech-Riesen hat eine Bank gegründet. Das mag jedoch auch an den relativ geringen Margen bei hohem Kapitaleinsatz im primären Finanzgeschäft liegen.

Hohe Erwartungen

Banken waren im vergangenen Jahrhundert noch führend bei Technologieinvestments. Ein Meilenstein war der Austausch der Karteikarten am Backend durch moderne Server. (COBOL-Software von damals, aus der Zeit der ersten Mondlandung, wird auf manchen Servern übrigens immer noch genutzt.) Währenddessen war am Frontend der Kontaktpunkt mit den Kunden weiterhin die Filiale mit dem persönlichen Ansprechpartner. Bei Versicherungen übernahm der Versicherungsvertreter oder -vermittler diese Rolle.

Mit der rasanten technischen Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben sich die Ansprüche der Kunden an die Kommunikation mit Banken und Versicherungen jedoch nachhaltig geändert. Heute erwarten Kunden ein vollumfängliches digitales Angebot. Komfortabel von der Couch aus die Finanzen erledigen wie beim Shopping, lautet die Devise. Während dieser Wunsch nur allzu gut verständlich ist, ist seine Verwirklichung mit vielen technischen Herausforderungen verknüpft, nicht nur am Frontend, sondern auch am Backend.


Marken mit Vertrauensvorschuss

Die Anzeige eines Bankkontos im Browser oder in einer App ist noch verhältnismäßig einfach. Viele andere Aufgaben hingegen sind komplexer. Kontoeröffnung, Versicherungsabschluss, Kreditantrag oder Schadensmeldung beispielsweise berühren wesentlich tiefergehende bestehende Prozesse, die oft manuelles Eingreifen erfordern. Aus regulatorischen Gründen muss die Identität des Kunden überprüft werden. Sicherheitsstandards sind zu befolgen, und das allgemeinrechtliche Schriftformerfordernis ist zu beachten. Was folgt daraus für die Digitalisierung der Prozesse?

Hohe Hürden

Damit der Kunde in einer App einen Vorgang starten kann, muss der dadurch aufgerufene Prozess zuvor analysiert, überdacht und umgebaut werden. Nehmen wir zum Beispiel einen Versicherungsschaden. Für die Schadensbearbeitung unterhalten Versicherungsunternehmen Abteilungen, bei denen Kunden über ein Web-Portal oder eine App ihre Briefe, Faxe, E-Mails und Dokumente einreichen. Die eingereichten Dokumente werden je nach Eingangsvariante digital vorsortiert oder gescannt, müssen anschließend jedoch großenteils immer noch manuell weiterbearbeitet werden.

Um die Bearbeitung oder sogar die Entscheidung zu automatisieren, müssen alle relevanten Daten strukturiert in digitaler Form vorliegen. Der ursprüngliche Prozess muss dafür auf den Kopf gestellt werden. Nicht mehr der Sachbearbeiter des Versicherungsunternehmens, sondern der Kunde muss die Daten eingeben und überprüfen. Das machen Kunden auch, jedoch nur dann, wenn dieser Vorgang einfacher ist, als zum Telefon zu greifen und oder eine E-Mail zu schicken.

Die Hürde bei der Umstellung ist also hoch: Nur wenn der Kunde weiß, dass Dateneingabe und Übermittlung einfach, schnell und fehlerfrei erfolgen, nutzt er den digitalen Kanal. Seine Bereitschaft, dies zu tun, ändert sich erfahrungsgemäß bereits dann, wenn er nach der Nutzung eine Rückfrage von der Versicherung erhält, etwa per E-Mail. In diesem Falle ignoriert er das digitale Angebot beim nächsten Mal wahrscheinlich und schickt stattdessen eine E-Mail oder sogar einen Brief.

Hohes Gut

Die ersten Produkte sind bereits so digitalisiert, dass Kunden sie in zunehmendem Maße nutzen: Fotoüberweisungen mit Smartphones, Einreichung von Arztrechnungen zur Erstattung und Online-Brokerage unterwegs. In der nächsten Phase können wir die Digitalisierung komplexerer Vorgänge wie Kreditantrag, Immobilienfinanzierung oder Kfz-Schadensabwicklung erwarten.

Auch in dieser neuen Phase haben viele Banken und Versicherungen einen Vorteil im Vergleich zu großen Tech-Unternehmen: eine Marke mit Vertrauensvorschuss für den eigenen Kompetenzbereich und eine breitgefächerte Produktpalette – ein hohes Gut.

Können Unternehmen wie die GAFA schneller eine Bank aufbauen, als Banken digitale Kundenerlebnisse entwickeln? Wahrscheinlich nicht. In einem vertikalen Markt eine Marke aufzubauen dauert länger als digitale, kundenfreundliche Prozesse einzuführen.

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