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„Transformative Angebotspolitik“: Das bedeutet Robert Habecks neues Label für den radikalen Umbau der deutschen Wirtschaft

Angebotspolitik! Aber wie? Wirtschaftsminister Robert Habeck (r., Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) - Copyright: Picture Alliance
Angebotspolitik! Aber wie? Wirtschaftsminister Robert Habeck (r., Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) - Copyright: Picture Alliance

2023 will Robert Habeck (Grüne) den Krisenmodus hinter sich lassen und seine eigentliche Agenda in Angriff nehmen: den Umbau der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Die Aufgabe ist gewaltig. Für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt mit ihrem hohen Industrieanteil von über 20 Prozent steht dabei viel auf dem Spiel.

In dieser Woche hat der Wirtschaftsminister seiner Politik nun einen Namen gegeben: „Transformative Angebotspolitik“. Das klinge als Label „ein wenig sperrig“, räumte Habeck ein. Und doch sagt es viel darüber aus, wie der Wirtschaftspolitiker Habeck denkt, auch wie das Krisenjahr 2022 ihn geprägt und in Teilen verändert hat. Er habe diesen Begriff sehr bewusst gewählt, betonte Habeck, als er ihn in Berlin mit dem Jahreswirtschaftsbericht vorstellte.

Was also bedeutet das neue Label „Transformative Angebotspolitik“?

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Beginnen wir dem zweiten, dem überraschenderen Teil. Habeck ist der erste Wirtschaftsminister der Grünen. Dass er sich ausgerechnet „Angebotspolitik“ auf die Fahnen schreibt, ist eher ein Coup als eine Selbstverständlichkeit. Denn Angebotspolitik war über Politik-Generationen ein Markenzeichen liberaler oder konservativer Wirtschaftspolitik.

Angebotspolitik bedeutet, dass der Staat sich darauf konzentriert, die Bedingungen zu verbessern, unter denen Unternehmen produzieren können. Wichtige Instrumente sind die Entlastung der Firmen von Steuern, Abgaben, Vorschriften und Regulierung. Privaten Firmen wird viel Gutes zugetraut, ihnen soll möglichst die Freiheit gewährt werden, ihr Angebot auszuweiten. Vor allem sollen Unternehmen selbst entscheiden, wo sie investieren, nicht der Staat.

Dagegen stehen Sozialdemokraten, Linke und auch viele grüne Wirtschaftspolitiker eher für eine nachfrageorientierte Politik. Diese konzentriert sich auf Stärkung und Steuerung der Nachfrage. Sie will möglichst viel Geld in Richtung der Verbraucher lenken, deren Nachfrage dann ein starkes Angebot der Unternehmen auslöst. Ist die private Nachfrage zu gering, springt der Staat ein, notfalls mit schuldenfinanzierten Ausgabeprogrammen. In dieser Denkweise ist mehr Platz für höhere Steuern und Abgaben und auch für eine stärkere Rolle des Staates mit mehr Regulierung.

Habecks Lobrede auf die Märkte

Bevor Habeck sich das Etikett „Angebotspolitiker“ anheftete, sang er am Mittwoch das Hohelied der Marktwirtschaft. Die Energiekrise sei gemeinsam von Unternehmen, Haushalten und Politik gemeistert worden. „Das Land hat gezeigt, was es kann“, sagte Habeck. Es könne schnell sein, stark sein und diszipliniert. „Die Wirtschaft selbst hat sich als extrem anpassungsfähig erwiesen“. Die Politik habe das zwar begleitet, sagte Habeck: „Aber im Wesentlichen hat das der Markt selbst geschafft, haben die Märkte ihre Kreativität und ihre Anpassungsfähigkeit bewiesen.“

„Daraus folgt auch für das Kommende, dass die Produktivkräfte der Märkte, die gesellschaftlichen Kräfte der Märkte das sind, was dieses Land und die ökonomische Substanz dieses Landes ausmacht“, fuhr Habeck fort. Diese Kraft will Habeck nutzen, vor allem aber will er sie lenken.

„Um aus dem prognostizierten Wachstum von 0,2 Prozent ein bisschen mehr zu machen, um die deutsche Wirtsart stark und erfolgreich in das nächste Jahrzehnt zu führen“, werde es eine Reihe von Programmen geben, sagte er. „Sie alle firmieren unter dem Titel 'Transformative Angebotspolitik'.“

Was aber macht eine Angebotspolitik nun transformativ? Habeck sagte es so: „Transformativ, weil die Maßnahmen zielgerichtet sind. Sie haben einen qualitativen Schwerpunkt. Wir sind nicht blind, wenn es darum geht, Subventionen oder steuerliche Vorteile auszukehren.“ Es gehe ihm nicht darum, alles zu fördern, sondern zielgerichtet Unternehmen für die „zukünftigen Märkte“. Die Grundstoffindustrie müsse sich dekarbonisiert neu ausrichten. Vor allem müssten Unternehmen der Clean Technologies angesiedelt und gehalten werden. Als Beispiele nannte Habeck, „Batterien, Halbleiter, erneuerbare Energien, Elektrolyse, Solarpaneele, Windkraftanlagen, Turbinen und so weiter“.

Entlang seiner transformativen Angebotspolitik werde er die Unterstützung der Wirtschaft schärfen und neu ausrichten. „Wenn wir steuerliche Vorteile gewähren wollen, also Superabschreibungen, degressive AfA oder auch erweiterter Verlustvortrag, dann konzentriert auf die klimaneutralen Technologien“, sagte Habeck und ergänzte: „Da wo die zukünftigen Märkte entstehen, da wo die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes gemessen werden wird. Da müssen wir hineininvestieren.“

Weiß der Staat es besser als die Unternehmen?

Das ist der springende Punkt: Habecks transformative Angebotspolitik bedeutet eine staatlich gelenkte Angebotspolitik. Es geht Habeck – ausdrücklich – nicht darum, die Angebotsbedingungen für alle Unternehmen zu verbessern, sondern nur für einige Branchen, Technologien und Firmen. Eine allgemeine Senkung der Unternehmensteuern lehnt er ab.

Das ist der große Unterschied zu einer liberalen Angebotspolitik und die große Wette zu einer alten Frage: Weiß der Staat wirklich besser, wo diese Märkte der Zukunft sind? Dass Dekarbonisierung und Clean Tech wichtig werden, darf als sicher gelten. Aber was ist mit Medizin und Gentechnik, mit Robotik und künstlicher Intelligenz, was ist mit deutschen Domänen wie dem Maschinenbau? Kann auch eine Renaissance des heimischen Bergbaus einen Beitrag zur Unabhängigkeit bei Rohstoffen liefern? Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) forderte von Habeck zwar unlängst ebenfalls, 2023 zum Jahr der Entscheidungen zu machen. Die Ankündigung einer aktiven, gestaltenden Industriepolitik sieht BDI-Chef Siegfried Russwurm aber mit Skepsis.

Habecks „Angebotspolitik“ ist auch ein Angebot an die Industrie. Der Minister weiß, dass der Umbau der Wirtschaft nur mit den Unternehmen gelingen kann, nicht gegen sie. Schon allein, weil dieser Umbau hunderte Milliarden Euro an Investitionen kosten wird. „Entscheidend sind Investitionen in Klimaschutz und Schlüsseltechnologien, der Ausbau technologischer Kompetenzen und die Intensivierung der
Energieforschung“, schrieb Habeck im Jahreswirtschaftsbericht. „Dazu müssen wir nicht nur die öffentlichen Investitionen weiter steigern und auf Zukunftsprojekte fokussieren, sondern auch privates Kapital mobilisieren; durch Anreize, etwa im steuerlichen Bereich – und durch Leitplanken, die unternehmerische Risiken kalkulierbar machen.“

Mit der Wahl des Begriffes „Angebotspolitik“ kommt Habeck auch seinem FDP-Kollegen, Finanzminister Christian Lindner entgehen. Der Liberale hat mehrfach eine konsequentere Angebotspolitik angemahnt. In einem Beitrag für die "Wirtschaftswoche" schrieb Lindner zum Jahreswechsel: „Wir können uns im globalen Wettbewerb jetzt einen Vorsprung für Jahrzehnte erarbeiten. Unsere Wirtschaft und unser Staat haben dafür die Kraft, die Mittel und mit der Angebotspolitik ein Konzept. Wir brauchen jetzt eine Zeitenwende bei der Standortpolitik.“

Die will auch Habeck. Nun geht es – wie immer – um die Balance zwischen staatlicher Gestaltung und wirtschaftlicher Freiheit. Darüber werden Habeck und Lindner weiter ringen. Das Label "Transformative Angebotspolitik" lässt dafür viel Raum.