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Wie die Traditionsfirma Lambertz größer als Bahlsen wurde

Der schillernde Firmenchef machte den verschuldeten Printenbäcker zu einem führenden Gebäckhersteller. Frau und Tochter sollen 332 Jahre Tradition fortführen.

Inhaber Hermann Bühlbecker stellt inzwischen mehr Bio-Gebäck als Printen her. Foto: dpa
Inhaber Hermann Bühlbecker stellt inzwischen mehr Bio-Gebäck als Printen her. Foto: dpa

Während sich die Deutschen derzeit mit Lebkuchen und Dominosteinen eindecken, ist beim weltgrößten Weihnachtsbäcker Lambertz in Aachen die Saison schon gelaufen. Vor Nikolaus hat der letzte Lkw mit Weihnachtskeksen das Werk verlassen. Zu Spitzenzeiten fahren 152 Lastwagen mit 10.000 Paletten am Tag aus den acht Werken, zwei davon in Polen.

Statt Spekulatius kommen nun etwa Florentiner und Schokokekse aus den Backstraßen. Vom Teigmischen bis zum Eintüten dauert es nur 20 Minuten. „60 Prozent unseres Geschäfts machen wir mit Ganzjahresgebäck“, betont Hermann Bühlbecker, Alleininhaber des 1688 gegründeten Familienunternehmens Henry Lambertz. Zudem ist Lambertz deutscher Marktführer für Bio-Gebäck.

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In 40 Jahren hat Bühlbecker den hochverschuldeten Printenhersteller zu einem führenden Gebäckproduzenten mit 4000 Mitarbeitern aufgebaut. Mit 637 Millionen Euro Umsatz ist Lambertz auch deutlich größer als etwa Bahlsen. Die Hannoveraner erwirtschafteten 2019 rund 540 Millionen Euro.

Bühlbecker, schillerndes Markengesicht von Lambertz, der sich gerne mit Hollywoodstars, Royals und Politprominenz ablichten lässt, ist in diesem Jahr 70 geworden. Doch an einen Rückzug vom Beiratsvorsitz denkt der rastlose Unternehmer vorerst nicht. „Meine Tochter Shiraz hat gerade erst ihr Studium für internationales Management in Paris abgeschlossen“, sagt er.

Die 24-Jährige stammt aus zweiter Ehe mit einer Französin. „So viele Jahre habe ich gekämpft, einen Familienkonzern aufzubauen. Deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit, dass Lambertz in Familienhand bleibt.“

Die Familie soll die Firma vom Beirat aus leiten. Bühlbeckers Frau Zahra arbeitet dort bereits als seine Stellvertreterin. Die Informatikerin und Mathematikerin hat viele Jahre diverse Bereiche im Unternehmen durchlaufen, etwa die Lieferkette gemanagt. Eins wird sich allerdings ändern: „Nach mir wird es keinen Markenbotschafter mehr geben, der ständig für Lambertz unterwegs ist“, betont Bühlbecker. „Inzwischen ist die Marke ja bekannt.“

Das war anders, als Bühlbecker, frisch in BWL promoviert, 1976 im Familienbetrieb antrat. Lambertz belieferte damals nur den Fachhandel, schrieb Verluste und hatte hohe Schulden. Von Januar bis August standen die Bänder in der Fabrik still, die sein Vater als Architekt geplant hatte.

Weg von Schulden und Nischenprodukten

„Lambertz verkaufte damals wesentlich nur Aachener Printen, die zudem noch regional und saisonal beschränkt waren. Da kamen gleich drei unglückliche Umstände zusammen“, erinnert sich Bühlbecker. Die Familie war bereits in Verkaufsgesprächen. Denn die drei Gesellschafter, Bühlbeckers Tante, Onkel und Mutter, hafteten persönlich.

Ein Jahr wollte es der damals 26-Jährige wenigstens versuchen, der lieber eine Universitäts- oder Diplomatenkarriere eingeschlagen hätte. „Ich war der einzige mögliche Nachfolger, und drei Jahrhunderte Familientradition wirft man nicht einfach so weg“, sagt er.

Zuerst stellte er von Printenkisten auf Kleinverpackungen um. Er entwarf ein einheitliches rotes Logo. „Purpurrot ist die Farbe der Könige. Lambertz war früher Hoflieferant in Preußen, Belgien und den Niederlanden“, sagt Bühlbecker, der bald persönlich im Handel für die Printen warb. Langsam ging es bergauf.

Um Lambertz breiter aufzustellen, wollte er den Wettbewerber Kinkartz aus Würselen übernehmen, der Lebkuchen auch im Discount verkaufte. Doch dann erlebte Bühlbecker sein „Unternehmertrauma“, wie er es nennt: Die Familie Kinkartz verkaufte ausgerechnet an Südzucker.

Der Konzern hielt bereits über Schöller die Mehrheit am Lebkuchenhersteller Haeberlein Metzger aus Nürnberg. „Wie sollte ich mit Europas größtem Zuckerkonzern als Konkurrent bestehen?“, sorgte sich Bühlbecker.

Im Süden kämpfte aber Lebkuchenunternehmer Weiss aus Neu-Ulm gegen Südzucker und gab irgendwann auf. „Wenn Sie mir dieselbe Summe bieten wie die Konzerne, verkaufe ich lieber an Sie“, sagte ihm der Inhaber. Bühlbecker zögerte nicht lange. „Zehn Jahre musste ich strampeln, um erneut von hohen Schulden runterzukommen.“

Später wollte Südzucker Lambertz kaufen. „Sie boten mir an, ich könne als Geschäftsführer Deutschlands Lebkuchenkönig werden.“ Bühlbecker lehnte ab. „Ich bin gewohnt, allein zu kämpfen.“ Den Kampfgeist hat er von klein auf beim Tennis trainiert. Er spielte in der höchsten deutschen Spielklasse und auch international. „Beim Tennis habe ich gelernt, dass man mit besserer Taktik gewinnen kann, obwohl man eigentlich schlechter ist.“

Jahre später trennte sich Südzucker von der Lebkuchensparte. Lambertz kaufte nun endlich Kinkartz und Haeberlein-Metzger. Später kam der Stollenbäcker Dr. Quendt aus Dresden dazu. „Wir pflegen die alten Marken“, betont Bühlbecker, der zugleich den Spagat schaffen muss, junge Kunden zu gewinnen – etwa mit dem Frucht-Nuss-Schokohappen „Henry’s“.

Um die 332 Jahre alte Marke jung zu halten, lädt Bühlbecker seit über 20 Jahren auf der Kölner Süßwarenmesse ISM zur schillernden „Lambertz Monday Night“. Dort präsentieren Topmodels und Hollywood-Stars etwa Kleider aus Schokolade und feiern mit Prominenz aus Wirtschaft und Politik. Bühlbecker kennt sie alle.

Seine Affinität zu Prominenten begann mit Prinz Charles. 1993 fragte der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher statt nach einer Kiste Lebkuchen nach einem besonderen Geschenk für den britischen Thronfolger. Bühlbecker überreichte ihm persönlich Schloss Windsor aus Printen und Marzipan. Der Prinz war begeistert. „Mir wurde bewusst, wie viel Eindruck es macht, als Unternehmer Gesicht zu zeigen.“

Royals, Stars und Präsidenten

Fortan kultivierte Bühlbecker seine Auftritte im Glanz von Stars und Sternchen. „Mit Red Bull ist Lambertz der Erfinder des Content-Marketings“, meint Bühlbecker. Ein Leuchten kommt in seine Augen, wenn er die Fotowand voller Royals, Stars und Präsidenten zeigt. Besonders stolz ist er, zwölf Jahre bei der „Clinton Global Initiative“ mit Größen wie Bill Gates und Angelina Jolie Milliarden für soziale Projekte eingeworben zu haben.

Für Katjes-Chef Bastian Fassin ist Bühlbecker „ein außergewöhnlicher Unternehmer, der die Marke und das Unternehmen Lambertz in den letzten Jahrzehnten zu einer unverzichtbaren Größe gemacht hat – nicht nur im Weihnachtsgeschäft“. Er habe einen einzigartigen Marketingansatz erfunden, in der Kombination seiner Person und der Marke Lambertz. „Eine tolle Leistung!“, findet Fassin.

Dass einige vielleicht glauben, Bühlbecker wolle mit seiner jährlichen Party zur ISM seinem Privatvergnügen nachgehen, ärgert den Unternehmer. „Das ist keine Entspannung, sondern durchaus harte Arbeit im Anschluss an anstrengende Messetage. Für unser Unternehmen ist dies eine wichtige Bühne der Marken-Kommunikation.“

Und ein bisschen kommt das internationale Netzwerken seinem Berufswunsch Diplomat nahe. Bühlbecker ist auch Honorarkonsul der Elfenbeinküste. „Für manche könnte das seltsam klingen, aber dort ist das größte Kakaoanbaugebiet der Welt. Für uns ist Kakao auch der wichtigste Rohstoff. Diese engen Verbindungen sind für uns elementar.“

Fast 45 Prozent seines Geschäfts macht Lambertz heute mit Eigenmarken des Handels. „Dafür waren wir uns nie zu fein“, betont er. In den 1990er-Jahren baute Lambertz die Produktion von Ganzjahresgebäck auf. „Wir hatten ja freie Kapazitäten. Heute sind wir mit Gebäckmischungen einer der Großen in Deutschland und Europa.“ Konferenzkekse waren auch der Schlüssel zu Lambertz’ internationalem Geschäft, das ein Viertel vom Umsatz ausmacht.

Die USA sind der wichtigste Exportmarkt. Umso härter treffen Lambertz die US-Strafzölle von 25 Prozent auf deutsches Gebäck. Die Zölle wurden vor einem Jahr wegen verbotener EU-Subvention der Flugzeugindustrie erhoben.

Bühlbecker ärgert sich: „Warum legt die EU – wie in den USA und China in solchen Konflikten üblich – keinen Ausgleichsfond für ihre heimische Wirtschaft auf. Wir fühlen uns von der Politik allein gelassen.“ Umso mehr hofft er auf Gegenzölle, die die WTO nun erlaubt hat. „Auch wenn Mandeln aus den USA dann teurer werden.“

Die Coronakrise ist an Lambertz nicht spurlos vorübergegangen. Zwar trösten sich die Deutschen im Lockdown mit Süßem. Von Januar bis August stieg der Umsatz mit Süßgebäck im Lebensmitteleinzelhandel laut Marktforscher IRI um 9,1 Prozent zum Vorjahr auf 1,1 Milliarden Euro. Doch für Lambertz fiel das Touristengeschäft an Flughäfen, Bahnhöfen und Weihnachtsmärkten aus.

Ein bisschen Ausgleich bringt das neu entdeckte Teleshopping, auch in den USA. „In einer Viertelstunde gingen 4000 hochwertige Geschenktruhen für 50 Euro weg“, sagt Bühlbecker, als er bei QVC seine Lambertz-Geschichten erzählte. „Das war das größte Verkaufserlebnis meines Lebens.“