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Sie tourte als Opernsängerin durch die Welt und wurde dann Entwicklerin – was ihr davon lernen könnt

Die schwangere Anna McDougall auf der Konferenz Container Days 2022 in Hamburg - Copyright: Container Days 2022 Hamburg
Die schwangere Anna McDougall auf der Konferenz Container Days 2022 in Hamburg - Copyright: Container Days 2022 Hamburg

Dieser Text ist ein Übersetzung eines Auszugs aus dem Buch "You Belong in Tech: How to Go from Zero Programming Knowledge to Hired" von Anna McDougall. Sie wuchs in Sydney auf und zog für ihre Karriere als Opernsängerin nach Deutschland. Nach der Geburt ihres ersten Kindes machte sie eine Weiterbildung zur Software-Entwicklerin und entdeckte dabei ihre Liebe für Code und neue Technologien. Heute arbeitet sie als Director Product and Engineering für einen Medienverlag.

Die Tech-Branche hat sich verändert und die Pandemie hat dabei geholfen, sie zu verändern. Die Branche ist ein Koloss, der sich über alle Branchen ausdehnt und oft die grundlegenden Bausteine für neue Produkte und Angebote bildet. Er ist zunehmend in unser tägliches Leben eingewoben, vom Toaster bis zum Fernseher, vom Auto bis zur Stromrechnung, von der Musik bis zum Lebensmitteleinkauf.

Dies geschah natürlich schon vor den Ereignissen im Jahr 2020. Wir denken heute nicht länger darüber nach, wenn wir mit Freunden über Social Media chatten, wir Produkte auf Online-Portalen kaufen und Arzttermine per App buchen. Ganz im Gegenteil: Wir erwarten, dass fast jedes Unternehmen, das wir besuchen, zumindest eine Website hat, und wir beim Online-Shopping nicht nachdenken müssen, um ein Produkt zu finden und zu kaufen.

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Mit dem Aufkommen von Covid haben sich diese Veränderungen jedoch noch einmal beschleunigt. Mit den Lockdowns ging es nicht mehr darum, Online-Dienstleistungen zu wollen, sondern sie wurden dringend gebraucht. Was wir traditionell noch persönlich vor Ort erledigt haben, musste jetzt schnell online möglich sein: Schulen, Arbeitgeber und Regierungsbehörden bemühten sich, möglichst schnell Fernzugriffsmöglichkeiten zu schaffen. Zoom rückte ins Rampenlicht.

Diese Verschiebung der digitalen Bedürfnisse des Durchschnittsbürgers wird sicher wieder etwas zurückgehen, nachdem die Beschränkungen wieder aufgehoben wurden. In vielen Unternehmen wird es jedoch keine vollständige Rückkehr zur persönlichen Arbeit geben, und viele Arbeitnehmer werden nicht mehr in derselben Stadt oder demselben Bundesstaat wohnen müssen wie das Unternehmen, für das sie arbeiten. Dieser Wandel in der grundlegenden Struktur der Angestelltenverhältnisse wird sich tief und weit in den Bedarf an technischen Arbeitskräften hineinziehen.

Zum Glück für die Tech-Branche bot Corona auch die Möglichkeit, sich einmal in Ruhe hinzusetzen und nachzudenken.

Manchmal entstand diese Reflexion aus der Not heraus: “Ich wurde gefeuert und niemand stellt mich ein. Was soll ich tun?" Manchmal waren diese Überlegungen auch das Ergebnis von mehr Zeit zu Hause: "Wow, ich habe so viel mehr Zeit mit meinen Kindern. Gibt es eine Möglichkeit, dass ich das langfristig machen kann?" Manchmal wurde diese Überlegung auch durch die Erkundung von Interessen ausgelöst: "Das wollte ich schon immer mal ausprobieren. Vielleicht sollte ich es versuchen." Was auch immer der Auslöser war, Tausende von Menschen googelten plötzlich, wie man programmieren lernt.

Ich war einer dieser Menschen.

Programmier-Anfänge im Internet der 90er Jahre

Als ich acht Jahre alt war, habe ich meine Eltern gebeten, mir ein Buch über HTML zu kaufen. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, warum ich dieses Buch anstelle von "Animorphs" oder "Goosebumps" haben wollte, aber aus irgendeinem Grund musste es ein Buch über HTML sein – und ich war sehr hartnäckig. Das war Mitte der 90er Jahre, als selbst die beste Unternehmenswebsite nach heutigen Maßstäben als "unübersichtlich" gelten würde. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Menschen noch per 56k-Modem mit dem Internet verbunden, und CSS (eine Methode zur Gestaltung von Webseiten) steckte noch in den Kinderschuhen.

Meine erste Website war dann auch eine einfache HTML-Seite mit Links über die BBC-Comedy-Serie “Father Ted”. Ich habe die Serie immer gerne mit meinem Vater angesehen. Ich suchte im Internet nach guten Fanseiten und habe sie dann zu meiner Seite hinzugefügt. Es gab auf meiner Seite sogar einen Zähler, die die Anzahl der Besucher angezeigt hat.

In der Highschool habe ich dann auch ein Jahr lang Softwaredesign und -entwicklung gelernt. Der Kurs war ok, aber das Thema war neu und der Lehrer unerfahren. Am Ende habe ich die Klasse unterrichtet und habe dafür sogar einen Schulpreis gewonnen. Allerdings war ich das einzige Mädchen in der Klasse, und trotz der wohlwollenden Jungs um mich herum habe ich mich sozial isoliert gefühlt. Ich hatte andere Fächer, in denen ich gut war, in denen es keine große Rolle spielte, dass ich ein Mädchen war, und in denen die Lehrer genau wussten, wie sie ihre Fächer unterrichten mussten.

Auf der Uni habe ich dann erst einmal beschlossen, eine Karriere in den Medien anzustreben. Ich konnte recht gut präsentieren und schreiben, und vor allem in der Videobearbeitung habe ich mich zu Hause gefühlt, da sie eine gute Mischung aus dem Denken in großen Zusammenhängen und der Notwendigkeit eines guten Blicks für Details war. Im Laufe meines Studiums nutzte ich jede Gelegenheit, um für meine Aufgaben "die digitale Option" zu wählen, einschließlich der Einreichung von Essays in Form von Webseiten.

Mein Kommunikationsstudium hat mich letztendlich nicht in die Medienbranche geführt. Vielmehr fand ich eine Stelle als Projektmanagerin für … technische und sicherheitsbezogene Bergbaukonferenzen. Das wiederum hat mich zu einer Stelle im digitalen Marketing bei Opera Australia gebracht. Die Zeit dort hat mein Verständnis für die digitale Wirtschaft grundlegend geprägt, zum Beispiel als wir ein Software-Beratungsunternehmen beauftragten, eine App für uns zu entwickeln. Es gab nur eine Sache, die mich zu der Zeit noch mehr anzog als all die digitalen Themen: die Musik.

Karriere als Opernsängerin

Nachdem ich anderthalb Jahre lang Gesangsunterricht bei einer der Opernsängerinnen genommen und in den Mittagspausen die Übungsräume im Obergeschoss genutzt hatte, bewarb ich mich am Sydney Conservatorium of Music und wurde in das dortige Masterprogramm aufgenommen – und damit begann meine siebenjährige Karriere als Opernsängerin, die mich auf Tourneen durch mein Heimatland Australien führte und mich schließlich nach Deutschland brachte, wo ich eine Vollzeitstelle am Hessischen Staatstheater annahm.

Die Arbeit war herrlich, die Menschen waren offen und freundlich, die Höhen waren aufregend und die Tiefen waren niederschmetternd. Ich liebte die tägliche Arbeit: zum Theater fahren, sich schminken, sich hinsetzen und die Haare machen lassen, die bezauberndste Musik singen, die je geschrieben wurde, sich hinter der Bühne schnell umziehen, in lächerlichen Kostümen tanzen – es war aufregend!

Trotzdem wuchs mit den Jahren ein leiser Zweifel in mir. Die tägliche Arbeit war großartig. Aber ich wusste, dass ein Teil von mir keine Erfüllung fand: der Teil, der Logik und Argumentation liebte, der ehrgeizig und zielstrebig war und in der Welt einen spürbaren Unterschied machen wollte.

Und so stellte mich schließlich ein anstehender Umzug quer durchs Land vor ein Dilemma. Sollte ich – nachdem ich sieben Jahre in der Branche gearbeitet hatte und mit meinem ersten Kind schwanger war – weiter meinen Job machen, den ich zwar tagtäglich liebte, der mich aber meinen langfristigen Zielen nicht näher brachte, oder sollte ich mich beruflich verändern und etwas suchen, das mich intellektuell herausfordert und mir die Möglichkeit gibt, eine bessere Zukunft mitzugestalten?

Mein Mutterschaftsurlaub endete genau zu der Zeit, als der erste Lockdown kam. Für uns als Familie bedeutete das, dass mein Mann zu Hause sein und sich um unseren einjährigen Sohn kümmern konnte. Wir teilten den Tag in Vormittags- und Nachmittagsschichten auf. So konnte ich die Vormittage nutzen, um mich wieder im Programmieren zu versuchen.

Ich war sehr zögerlich. Ich war eine 32-jährige Mutter mit einem äußerst “abwechslungsreichen” beruflichen Werdegang, die in einem Land lebte, dessen Sprache sie nicht vollständig beherrschte und in dem Wert darauf gelegt wird, sich von klein auf auf einen bestimmten Beruf zu spezialisieren. Wenn ich mir an die Tech-Branche vorstellte, sah ich junge Männer Anfang 20, bei denen ich mir nur schwer vorstellen konnte, dass sie begeistert wären, mit einer alten Dame wie mir zu arbeiten. War es vielleicht einfach zu spät für mich? Und selbst wenn ich den Sprung wagen und mich gut anstellte, würde ich von ihnen jemals als vollwertige Kollegin akzeptiert werden? Würden mir deutsche Unternehmen überhaupt eine Chance geben?

Communitys helfen bei dem Einstieg in die Programmierung

Zu meinem Glück fand ich einige großartige Online-Communitys, die meine Ängste zerstreuten. Vor allem die Discord-Community von The Odin Project und Tech-Twitter. Ich hatte vorher nur flüchtig mit Twitter zu tun gehabt, hauptsächlich als ich das Online-Kartenspiel GWENT streamte. Diesmal nahm ich die #100DaysofCode-Challenge an und begann, HTML, CSS und JavaScript zu lernen. Als die Leute meine Fortschritte sahen, haben sie mich sehr unterstützt. Dank Twitter konnte ich sehen, wie andere Entwicklerinnen lernen, wachsen und in vielen verschiedenen Bereichen der Technik arbeiten: Angie Jones, Emma Bostian, Ali Spittel und viele andere. Motivierende Tech-Twitterer wie Danny Thompson versicherten mir immer wieder, dass ich mit 32 noch lange nicht zu alt für einen Karrierewechsel war, und ich hörte Geschichten von Menschen in ihren 50ern, die programmieren lernen. Diese Gemeinschaft gab mir Halt und Selbstvertrauen und öffnete mir neue, breitere Diskussionen über das Programmieren und neue Technologien, sodass ich mich mit Themen befassen konnte, die mir sonst vielleicht entgangen wären, zum Beispiel mit der Zugänglichkeit von Websites für blinde und sehbehinderte Menschen.

Es half natürlich sehr, dass ich das Programmieren liebte. Irgendetwas an der Art, wie Code Konzepten Struktur gibt, hat bei mir "Klick" gemacht, und das war aufregend. Ich hatte etwas beizutragen. Ich hatte viel Raum, um mich zu entwickeln, und da sich Technologien ständig verändern, würde mir auch nie langweilig werden. Das war genau das, was ich brauchte.

Nach diesen Anfängen meldete ich mich für einen einjährigen Webentwicklungskurs beim Digital Career Institute (DCI) an: Da ich nach meinem Mutterschaftsurlaub arbeitslos war, hatte ich Anspruch auf eine staatliche Förderung für mein Studium. Es sollte ein Präsenzkurs sein, aber wegen der Corona-Beschränkungen konnten wir uns nicht persönlich treffen. Das bedeutete, dass ich mit etwa 10 anderen Teilnehmern Webentwicklung online über Zoom lernte.

Mir wurde schnell klar, dass ich durch meine zwei intensiven Monate im Selbststudium meinen Mitstudenten um Monate voraus war. Deshalb konzentrierte ich mich im Kurs vor allem darauf, wie man am besten in Teams programmiert. Ich half den anderen Schülern und wurde vom DCI schließlich als Tutorin eingestellt. Ich unterrichtete den Kurs, während ich selbst weiter lernen konnte.

Noch bevor ich meinen Kurs abgeschlossen hatte, hatte ich einen Job in der Tasche. Das DCI hat ein sehr großes Netzwerk, bei mir hat auch die Twitter–Community eine große Rolle gespielt. Man muss nicht unbedingt einen Kurs absolvieren, um die technischen Fähigkeiten zu erlernen, die es braucht, um ein guter Programmierer zu werden. Aber der soziale Aspekt, das Netzwerken und Teamwork sollte man nicht unterschätzen. Trotz ihres Rufs, dass es sich bei Programmierern um Super-Nerds handelt, die im Keller hausen, ist Programmieren in den meisten Fällen ein Team-Sport.

Das wurde mir noch deutlicher bewusst, als ich nach einem Jahr als Softwareentwicklerin angesprochen wurde, um als Director of Product and Engineering für eines der größten deutschen Medienunternehmen zu arbeiten. Sie wollten jemanden, der nicht nur die technische Seite versteht, sondern auch auf Bühnen in der ganzen Welt darüber sprechen kann und der ehrlich und aufrichtig mit Menschen umgehen kann, um ein diverses und inklusives Umfeld für Entwickler mit unterschiedlichstem Hintergrund zu schaffen. Sie haben nicht nur meine technische Erfahrung in Betracht gezogen, sondern haben sich das ganze Paket angesehen. Tech-Unternehmen auf der ganzen Welt suchen nach Ingenieuren und Managern, die programmieren und kommunizieren können.